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       # taz.de -- Bezos zensiert seine „Washington Post“: Demokratie stirbt in der Dunkelheit
       
       > Im Watergate-Skandal setzte die „Washington Post“ einst den Goldstandard
       > für unabhängigen Journalismus. Jetzt ist sie das Werkzeug eines
       > rückgratlosen Milliardärs.
       
   IMG Bild: Mitten unter Milliardären: Jeff Bezos kurz vor der Vereidigung von Donald Trump als US-Präsident am 24. Januar in Washington
       
       Ist das noch Anschmiegen an die neuen Herren im Weißen Haus oder ist das
       schon Unterwerfung? Gerade hat der Eigentümer der [1][Washington Post],
       Jeff Bezos, seiner Belegschaft eröffnet, die Zeitung werde künftig nur noch
       ein eingeschränktes Themenspektrum kommentieren dürfen: persönliche
       Freiheiten und freie Märkte. „Standpunkte, die diesen Säulen
       widersprechen“, werde man „anderen zur Veröffentlichung überlassen“. Der
       bisherige Meinungschef, [2][David Shipley], den er sehr bewundere, trete im
       Zuge dessen zurück.
       
       Was für Shipley persönlich – im Spektrum zwischen Anschmiegen und
       Unterwerfung – vorgesehen war, ließ wenig Interpretationsspielraum. Er
       müsse „Hell yes“ zum neuen Kurs sagen, hatte Jeff Bezos ihn aufgefordert,
       oder es sei ein „No“. Doch wie weit ist Bezos selbst auf dem Weg in
       Richtung Unterwerfung?
       
       Kurz vor der Wahl im November, das Endorsement für Kamala Harris war schon
       geschrieben, [3][wies Bezos die Post an], keine jener in den US-Medien
       üblichen Wahlempfehlungen abzugeben. Der Eingriff in die redaktionelle
       Unabhängigkeit kostete die Post Abonnements in sechsstelliger Höhe. Dafür
       durfte Bezos die Amtseinführung Donald Trumps im Januar 2025 aus nächster
       Nähe erleben.
       
       Das Ticket ins Kapitol war auch sonst teuer genug. Eine Million Dollar
       hatte der [4][Amazon-Boss] für das Privileg gespendet, mit anderen
       Milliardären neben dem zukünftigen Präsidenten zu stehen. Selbst der
       Amazon-Produktionsvertrag für einen Dokumentarfilm über Melania Trump,
       [5][der seit Dezember 24 entsteht,] könnte mit viel gutem Willen noch als
       persönliches Anschmiegen gedeutet werden.
       
       ## Eine der besten Redaktionen der Welt
       
       Die Post hat noch immer eine der besten und wichtigsten Redaktionen der
       Welt. Im Watergate-Skandal setzte sie einst den Goldstandard für
       leidenschaftlichen, unabhängigen Journalismus. Aber mit dem neuen,
       verengten Meinungsspektrum macht Bezos die Zeitung zu seinem Werkzeug.
       
       Bezos’ Verständnis der „persönlichen Freiheiten“, darf man vermuten, ist
       ein eingeschränktes, es richtet die Post aus am neuen Zeitgeist in
       Washington, am Kulturkampf für die Rechte des unterdrückten Weißen Mannes,
       gegen MeToo, Diversität oder Transgenderrechte.
       
       Zugleich bedient Bezos den von Elons Musk angeführten neoliberalen Kreuzzug
       gegen Marktregulierung, für Zerschlagung des Staates und dessen Überführung
       in die Hände von Milliardären (aka freie Märkte). Was vor der Wahl mit
       einem anschmiegsamen Verbot einer Wahlempfehlung begann, ist in eine
       politische Unterwerfung Bezos’ gemündet: vor dem Zeitgeist, vor Donald
       Trump, vor Elon Musk.
       
       ## Bedingungsloses Bekenntnis zum freien Markt
       
       Das bedingungslose Bekenntnis zum freien Markt passt, was für ein Zufall,
       nicht nur punktgenau zu den Geschäftsinteressen von Amazon. Es trifft sich
       auch mit Bezos’ Ambitionen in der Raumfahrt. Mit seiner Firma Blue Origin
       will Bezos, nicht anders als Elon Musk, die Galaxie kolonialisieren. Wie
       schön, dass die Trump-Administration gerade dabei ist, die staatliche
       Raumfahrtbehörde Nasa zu zerschlagen, und so auf wundersame Weise ein paar
       Milliardenaufträge frei werden.
       
       Vor acht Jahren, einen Monat nach der ersten Amtsübernahme von Donald
       Trump, hatte sich die Washington Post, damals schon im Besitz von Jeff
       Bezos, das Motto [6][„Democracy dies in darkness“] gegeben, Demokratie
       stirbt in der Dunkelheit. Es avancierte zum Sinnbild der düsteren
       demokratischen Verzweiflung ob des national-autoritären Präsidenten und
       wurde global als medialer Widerstand gegen Donald Trump gefeiert.
       
       Der Spruch soll intern schon vor dem Aufstieg Trumps als Motto diskutiert
       worden sein. Bereits im Mai 2016 hatte Bezos ihn in einem Interview mit dem
       damaligen Post-Chefredakteur Marty Baron zitiert, um zu begründen, warum er
       die Zeitung gekauft habe. „Ich habe immer geglaubt, dass die Demokratie in
       der Dunkelheit stirbt und dass bestimmte Institutionen eine sehr wichtige
       Rolle dabei spielen, dafür zu sorgen, dass es Licht gibt. Und ich denke,
       die Washington Post hat dabei eine wichtige Rolle.“
       
       ## Das alte Motto hat ausgedient
       
       Bezos hat sich seitdem nicht wirklich entschieden gegen die damals
       verkaufsfördernde Interpretation als Widerstandsparole gewehrt. Heute
       müsste unter dem Namensschriftzug der Washington Post besser „Democracy
       dies in broad daylight“ stehen. Das alte Motto hat ausgedient.
       
       Niemand muss in [7][Trumps Amerika] mehr den Schutz der Dunkelheit suchen,
       um sich von demokratischen Werten zurückzuziehen. Jeff Bezos buchstabiert
       das gerade für alle Welt sichtbar aus. Er überlässt den Job, politisches
       Rückgrat zu zeigen, (weniger werdenden) anderen.
       
       Donald Trump hat die demokratischen Institutionen geschleift. Beide Kammern
       des Kongresses buhlen um seine Gunst, das Oberste Gericht hat er mit
       gleichgesinnten Männern und Frauen besetzt, und statt Präsident nennt sich
       Trump jetzt auch schon mal König. Die letzten Bastionen der Demokratie sind
       einige Bundesgerichte – und die freien Medien. Mit der Washington Post
       fällt eine der stärksten Kräfte der sogenannten vierten Gewalt. Das ging
       schnell, schneller als erwartet.
       
       2 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Medienwandel-in-den-USA/!6022258
   DIR [2] https://www.nytimes.com/2025/02/26/business/media/washington-post-bezos-shipley.html
   DIR [3] /Wahlempfehlung-der-Washington-Post/!6044023
   DIR [4] /Gegen-den-Trumpismus/!6063217
   DIR [5] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/doku-ueber-melania-trump-amazon-prime-video-beginnt-mit-dreharbeiten-110213426.html
   DIR [6] https://en.wikipedia.org/wiki/Democracy_Dies_in_Darkness
   DIR [7] /Schwerpunkt-USA-unter-Trump/!t5079612
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Junge
       
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