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       # taz.de -- Boko Haram in Nigeria: Ein Ort wird ausgelöscht
       
       > Islamisten von Boko Haram machen die Stadt Baga dem Erdboden gleich. Nach
       > aktuellem Stand gibt es wohl Hunderte Tote.
       
   IMG Bild: Nigerianerinnen auf der Flucht nach einem Anschlag im November.
       
       BERLIN taz | Ich sah Leichen in den Straßen, Frauen und Kinder schrien um
       Hilfe“, berichtete Mohamed Bukar. „Die ganze Stadt stand in Flammen“,
       erzählte Abubakar Guluma. Die beiden am Freitag von einem lokalen
       Korrespondenten der Nachrichtenagentur Reuters zitierten Augenzeugen sind
       einem der mutmaßlich bisher größten Massaker der islamistischen
       Rebellenarmee Boko Haram in Nigeria entronnen.
       
       Sie gehören zu mehreren tausend Bewohnern der Stadt Baga im äußersten
       Nordosten des Landes, die sich in andere Orte oder in die Nachbarländer
       Tschad und Niger retten konnten, weil sie Autos hatten oder weil sie
       einfach Glück hatten.
       
       Baga, ein zur Kleinstadt gewachsenes ehemaliges Fischerdorf am
       nigerianischen Ufer des Tschadsees mit 10.000 Einwohnern, war am
       vergangenen Samstag zu großen Teilen an Boko Haram gefallen. Für die
       Islamisten war es ein wichtiges Ziel: In Baga hatte bislang die
       multinationale Eingreiftruppe MNJTF (Multinational Joint Task Force) mit
       Einheiten aus Nigeria, Niger und Tschad ihr Hauptquartier. Die
       MNJTF-Truppen flohen, zahlreiche Zivilisten ebenfalls, Boko Haram hisste
       seine schwarze Flagge über der Militärbasis.
       
       Es gibt widersprüchliche Berichte darüber, was danach passiert ist. Einer
       Version zufolge zog sich Boko Haram zunächst wieder aus Baga zurück, rückte
       aber am Mittwoch erneut ein und zerstörte die Stadt systematisch. Musa
       Alhaji Bukar Kukawa, der Chef der Kreisverwaltung von Kukawa, in der Baga
       liegt, sprach gegenüber BBC von 2.000 Toten. „Baga gibt es nicht mehr“,
       sagte er am Donnerstag. „Sie haben Baga komplett abgebrannt.“
       
       Der ebenfalls flüchtige Chef der Distriktverwaltung von Baga, Alhaji Baba
       Abba Hassan, widersprach jedoch gegenüber nigerianischen Medien. Es habe
       nicht 2.000 Tote, wohl aber „mehrere Hundert“ gegeben, „besonders Alte,
       Frauen und Kinder“, sagte er. „Es gab keinen zweiten Angriff von Boko
       Haram“, zitierte die nigerianische Zeitung Guardian ihn in ihrer
       Freitagsausgabe. „Es war so: Die Leute flohen, die Rebellen verfolgten sie
       und erschossen sie, während andere im See ertranken. Die Terroristen haben
       auch Hunderte von Häusern zerstört.“
       
       ## 16 Orte wurden diese Woche angegriffen
       
       Alle Quellen sind sich einig, dass Baga in großen Teilen dem Erdboden
       gleichgemacht worden ist und dass sehr viele Menschen gestorben sind. Mehr
       Gewissheit gibt es bisher nicht. Außer darüber, dass Nigerias Regierung
       offenbar auf einem anderen Planeten lebt: „Die Situation in Baga hat sich
       verbessert“, erklärte Regierungssprecher Mike Omeri am Donnerstag in
       Nigerias Hauptstadt Abuja. „Die Sicherheitskräfte arbeiten an der vollen
       Befreiung der strategischen Stadt und anderer Orte.“
       
       In Wahrheit, beklagen sich Politiker aus der Region, steht Nigerias
       nordöstlichster Bundesstaat Borno inzwischen zu 70 Prozent unter Kontrolle
       von Boko Haram. Nicht nur Baga, sondern insgesamt 16 Orte wurden
       Medienberichten zufolge diese Woche gezielt angegriffen.
       
       Nigerias Präsident Goodluck Jonathan, der sich am 14. Februar zur
       Wiederwahl stellt, kommt dadurch immer mehr in Bedrängnis. Eigentlich will
       er Wahlkampf führen; der Horror von Baga stört dabei. In seiner Rede zum
       offiziellen Wahlkampfauftakt am Donnerstag gestand Jonathan, seine
       Generation habe „versagt“.
       
       Der 57-jährige Staatschef wollte damit wohl die 175 Millionen Nigerianer
       davon abhalten, seinen 72-jährigen Hauptgegner Muhammadu Buhari zu wählen,
       einen ehemaligen Militärdiktator, aber die Worte fallen auch auf ihn selbst
       zurück. Zu Baga äußerte sich der Präsident in seiner Rede nicht.
       
       9 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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