# taz.de -- Botaniker über Brände in Brandenburg: „Brandflächen bewalden sich rasch“
> In Brandenburg sind Versuchsflächen eines Forschungsprojekts zu
> Waldfeuern abgebrannt. Botaniker Thilo Heinken erklärt die Folgen.
IMG Bild: Schwarz verkohlte Baumstämme liegen auf dem Waldboden in Treuenbrietzen
taz: Herr Heinken, die [1][Waldbrandflächen im Süden Brandenburgs] lagen in
Gebieten, die Sie als Biologe erforscht haben. Sind Ihre Versuchsflächen
betroffen?
Thilo Heinken: Leider ja. Es hat genau auf den Flächen wieder gebrannt, die
schon 2018 abgebrannt waren. Das ist schon sehr ungewöhnlich, dass es am
selben Ort zweimal hintereinander so verheerend brennt. Wir haben dort als
Teil des Forschungsprojekts „Pyrophob“ untersucht, wie sich nach Bränden
Wälder erholen. Wir haben insgesamt 15 Flächen bei Jüterbog und
Treuenbrietzen. Von den Treuenbrietzener Flächen sind sechs oder sieben
wahrscheinlich völlig verbrannt. Genau wissen wir das noch nicht, die
Flächen sind noch nicht zugänglich.
Wissen Sie etwas über die Brandursache?
Nein. Eine Doktorandin unserer Uni hat das Feuer entdeckt, sie war gerade
vor Ort. Sie hat es der [2][Feuerwehr] gemeldet, das sah erst harmlos aus,
dann hat es sich so dramatisch entwickelt. Der Brand ist ähnlich wie 2018
genau am Rande der alten Brandfläche ausgebrochen, dort, wo am meisten alte
Munition im Boden liegt. Ein Teil des Gebietes ist hochgradig
munitionsbelastet, bislang war die großflächige Räumung zu teuer.
Vielleicht hat sich Munition selbst entzündet, vielleicht war es
Brandstiftung.
Was waren das für Flächen?
Wir wollen herausfinden, wie sich auf [3][Waldbrandflächen] am besten
wieder Forst etabliert. Dazu wurden einige Flächen vollständig beräumt, in
anderen wurden die verbrannten Kiefern vor der Bepflanzung ganz oder
teilweise belassen, andere sind gänzlich sich selbst überlassen worden. Wir
wollten beobachten, wie sich die Flächen entwickeln und daraus Empfehlungen
für die Forstwirtschaft ableiten. Aber gerade diese Flächen sind nun
verbrannt.
Seit wann lief das Projekt?
Seit 2020. Eigentlich war die Laufzeit fünf Jahre, jetzt hatten wir zwei,
also konnten wir nur zwei Vegetationsperioden beobachten.
Gab es schon Ergebnisse?
Wir haben eine erstaunliche Naturverjüngung beobachten können. Das hatten
wir so nicht erwartet. Zitterpappeln und Birken waren die dominanten
Baumarten. Ihre Samen sind dort aus der Umgebung eingeflogen, dort hat sich
ein sogenannter Vorwald gebildet. Der ist unerwartet schnell sehr
hochgewachsen, drei bis vier Meter. Unter seinem Dach konnten auch Kiefern
und Eichen wachsen. Ihre Samen können nicht so leicht von weiter herkommen.
Damit sie sich ansiedeln, muss ein Samenbaum in der Nähe einen Brand
überstanden haben. Bei den Kiefern hat sich gezeigt, dass auch leicht
verbrannte, später noch abgestorbene Bäume im Folgejahr noch sehr
erfolgreich Samen ausstreuen konnten.
Haben Sie das erwartet?
Nein, in dieser Form nicht. In der Forstwirtschaft ist offenbar teilweise
vergessen worden, dass sich Brandflächen rasch von alleine wieder bewalden
können.
Entsteht von alleine ein artenreicher Laubmischwald?
Ja, schon. Ein Vorwald aus Pappel und Birke ist ja ein Laubmischwald. Aber
das sind natürlich Weichhölzer, die für die Forstwirtschaft nicht so
interessant sind. Insgesamt hat die Artenvielfalt nach dem Brand übrigens
stark zugenommen: Auf den Freiflächen können Pflanzen wachsen, die Sie in
Wäldern sonst nicht finden. Wir haben Rote-Liste-Arten gefunden, das
Niederliegende Johanneskraut oder das Deutsche Filzkraut, die spezielle,
nährstoffarme Freiflächen benötigen. Aus Sicht der Biodiversität sind
Brände vorteilhaft. Aber wir möchten sie natürlich trotzdem nicht
großflächig haben.
Wie geht es jetzt weiter?
Wir müssen jetzt erst mal sehen, was zerstört ist. Es ist sehr viel
Equipment verbrannt, Messgeräte für die Grundwasserstände und das
Mikroklima, Insektenfallen. Am Freitag haben wir ein Treffen im Projekt,
dann sehen wir weiter.
22 Jun 2022
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## AUTOREN
DIR Heike Holdinghausen
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