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       # taz.de -- Braunkohlerevier in NRW: Proteste an der Abrisskante
       
       > Am Tagebau Garzweiler ist Demo-Saison. Außerdem gibt es Erfolge bei der
       > autarken Energieversorgung. Ob die Anwohner bleiben dürfen, bleibt
       > unklar.
       
   IMG Bild: Protest am Tagebau Garzweiler für einen schnelleren Ausstieg aus der Kohleförderung
       
       Aachen taz | Vergangenen Samstag erst gab es erneut einen Menschenauflauf
       im Braunkohlerevier Garzweiler nahe Mönchengladbach. 2.500 Menschen
       bildeten eine bunte und laute Kette zwischen dem Weiler Lützerath und
       Keyenberg, gut drei Kilometer entfernt.
       
       Keyenberg ist eines der fünf Dörfer, denen Armin [1][Laschets
       NRW-Landesregierung] ein Moratorium gewährt hat: Erst 2026 soll entschieden
       werden, ob ihr Untergrund für die Sicherung der Klimakatastrophe zu
       verfeuern ist. Das bedeutet jahrelange Unsicherheit der verbliebenen rund
       fünfhundert Menschen, ob sie in ihren Dörfern bleiben dürfen oder nicht.
       
       Ihr Ende würden die Gemeinden jedenfalls energieautark erleben. Seit
       einigen Jahren kooperiert Greenpeace Energy mit den verbliebenen Familien.
       In Berverath hat die Widerstandskämpferin Britta Kox das Dach des alten
       Familienhofs mit Solarpaneelen ausstatten lassen. Jetzt meldet der
       Grünstromproduzent, Keyenberg nebenan könne sich ab sofort „zu 100 Prozent
       mit selbst produziertem Ökostrom versorgen“.
       
       Die fünf [2][Anlagen auf den dortigen Hausdächern] wurden finanziert durch
       den freiwilligen Antikohlecent pro verbrauchter Kilowattstunde von 12.000
       der Greenpeace-KundInnen, um mit dem Geld Solarprojekte in deutschen
       Kohleregionen zu ermöglichen. Die Keyenberger Dächer schaffen laut
       Greenpeace Energy jährlich rund 75.000 Kilowattstunden, das sei sogar weit
       mehr als die verbliebenen 26 Familien im Ort bräuchten.
       
       ## Bundesweiter Fördertopf
       
       Insgesamt wurden mit Hilfe dieses Antikohle-Fördertopfs bundesweit
       mittlerweile 19 Photovoltaikprojekte nahe der Braunkohle-Orte realisiert.
       Eine weitere Anlage steht in Kerpen-Buir, also gleich am Hambacher Wald;
       nebenan in Düren hat die Evangelische Gemeinde ihre Gebäudedächer so üppig
       ausgestattet, dass sie über den eigenen Bedarf hinaus Energie ins Netz
       einspeisen kann. Andere Anlagen sind in den ostdeutschen
       Braunkohlerevieren, die größte mit immerhin 2,2 Megawatt bei Naumburg.
       
       Die Proteste sollen am kommenden Sonntag weitergehen: Bei einem
       Dörferspaziergang durch die Garzweiler-Gemeinden wird ab 12 Uhr Luisa
       Neubauer für Fridays for Future sprechen. Schon am Samstag (16 Uhr) will
       der 85-jährige Philosoph und Politkünstler Bazon Brock an der Abrisskante
       sein Statement „Stop the Beast“ vortragen.
       
       Seit 2010 findet alljährlich ein Klimacamp gegen den Braunkohle-Abbau
       statt. Dieses Jahr auch in Lützerath (noch bis 15. 8.) – rund um ein
       riesiges buntes Zirkuszelt mit Kunst und Kultur, mit Frühyoga, Lesungen bei
       Kaffee und Kuchen, mit Vorträgen über „Grünen Kapitalismus“ und Antworten
       auf die Frage „Anarchie – Was ist das?“ Und sicher auch mit der einen oder
       anderen Aktion, die man vorher nicht ankündigt.
       
       ## Musikalische Untermalung der Proteste
       
       Auch am kommenden Sonntag ist wieder viel Musik in den Dörfern geplant,
       ähnlich einer Veranstaltung Anfang Juni. Damals wurde das Wandelkonzert mit
       Beethovens 5. und 6. Sinfonie im letzten mächtigen Hof nahe der Abrisskante
       in Keyenberg geboten. Es hatte in Strömen geregnet, und HelferInnen mit
       Straßenbesen im Takt Beethovens letzten Satz begleitet, damit die
       Wasserfluten nicht in die Scheune laufen.
       
       Dieses Mal kommt am Sonntagmittag die Formation Lebenslaute. Das
       bundesweite Musikensemble, das mal zu dritt, mal per Hundertschaft
       auftritt, macht seit 40 Jahren „widerständige Musik an unmöglichen Orten“.
       Repertoire: von Mendelssohn Bartholdy über Kurt Weill bis zum Totentanz von
       Camille Saint-Saëns. Ihr Selbstverständnis: „Bei der Wahl unserer
       Konzertorte lassen wir uns nicht durch herrschende Vorschriften
       einschränken.“
       
       Dabei könnte es etwas weniger harmonisch werden als mit Beethoven im Juni,
       jedenfalls im Zusammenspiel mit den Sicherheitskräften. Eine Musikerin
       berichtet, man habe in der Gruppe gerade trainiert, wie man verletzungsfrei
       weggetragen wird.
       
       Am Montagvormittag ist, so es bis dahin keine Verhaftungen wegen unlauteren
       Musizierens gibt, ein weiterer Auftritt geplant: im Hof (ein Baudenkmal von
       1763) von Eckhardt Heukamp in Lützerath – quasi die Zugabe zum Klimacamp.
       Heukamp klagt gerade durch alle Instanzen gegen die Räumungsentscheidungen
       und kann täglich die Bagger vor seiner Hoftür stehen sehen.
       
       12 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Müllender
       
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