URI: 
       # taz.de -- Bremens Bildungsbehörde und Queerness: Keine Zeit für queere Fragen
       
       > Der queerpolitische Beirat bekommt von der Bildungsbehörde kaum Antworten
       > auf seine Fragen. Das Ressort hat niemanden, der wirklich zuständig ist.
       
   IMG Bild: Ähnliche Literaturtipps gibt es auch in Bremen. Zuständige in der Bildungsbehörde aber fehlen
       
       Bremen taz | Ein leerer weißer Kasten – das ist die Antwort der
       Bildungsbehörde auf mehrere Fragen des queerpolitischen Beirats. Wissen
       wollte das Gremium, wie weit die Umsetzung des bremischen Aktionsplans
       gegen Homo-, Trans*- und Interphobie vorangeschritten ist. Nach den
       dürftigen Antworten spricht Sprecherin Maike-Sophie Mittelstädt nun von
       einer „Missachtung des Beirats“. Sie sei entsetzt über das mangelnde
       Engagement des Bildungsressorts zur Beendigung von Queerfeindlichkeit an
       Bremer Schulen.
       
       Das Land Bremen hat 2015 einen Aktionsplan gegen Homo-, Trans*- und
       Interphobie verabschiedet, dessen Ziel es war, die Diskriminierung von
       queeren Menschen in allen Lebensbereichen abzubauen. 2018 war ein erster
       Bericht zur Umsetzung des Plans veröffentlicht worden. Weil das Thema aber
       seitdem nur unregelmäßig auf der Tagesordnung stand, wurde 2019 von der
       Bürgerschaft der queerpolitische Beirat eingerichtet, der die Umsetzung des
       Aktionsplans begleiten und beratend unterstützen soll.
       
       Bei der vierten Sitzung am Freitag standen die Themen Behinderung und
       Bildung auf der Tagesordnung. Der Beirat hatte zu beiden Themen Anfragen an
       die zuständigen Ressorts gestellt. Der Unterschied in der Beantwortung der
       Fragen war groß, sagt Kai Wargalla, die queerpolitische Sprecherin der
       Grünen und stellvertretende Sprecherin des Beirats. Während das
       Sozialressort die Fragen zum Thema Behinderung gewissenhaft beantwortet
       hat, herrscht in der Antwort der senatorischen Behörde für Bildung vor
       allem viel Leere.
       
       In dem Dokument, das letzte Woche erschienen ist, fehlen reihenweise
       Antworten komplett. Andere Fragen sind sehr knapp beantwortet. Auf die
       konkrete Frage nach Fortbildungen für Vertrauenslehrer*innen heißt es
       beispielsweise nur, dass „Diversity als Querschnittsthema in allen
       Fortbildungsangeboten durchgängig abgebildet“ sei. Auf die Frage, inwieweit
       queere Themen in den Unterrichtsmaterialien aller Fächer behandelt werden,
       wird nur darauf hingewiesen, dass ein Medienkoffer ausgeliehen werden kann.
       Im Bereich Trans* und Inter gibt es gar keine Antworten.
       
       Wargalla nennt das Dokument eine „Nicht-Antwort“ und eine „Frechheit“ der
       Bildungsbehörde. Und sie ist sicher: „In anderen Gremien wäre das nicht
       passiert.“
       
       Für die Abgeordnete ist es angesichts dessen „kein Wunder“, wenn
       Schüler*innen an Bremer Schulen immer wieder Diskriminierung erleben. Im
       Herbst letzten Jahres hatte der Fall eines Schülers, der zwischen 2015 und
       2016 an der Freien Evangelischen Bekenntnisschule massivem Mobbing und
       psychischer Gewalt durch Lehrer*innen und Mitschüler*innen
       ausgesetzt war, für Aufsehen gesorgt. Aber auch an einer staatlichen Schule
       in Bremen hatte sich ein Klassenlehrer über zwei Jahre geweigert, einen
       trans* Schüler mit seinem neuen Namen und den richtigen Pronomen
       anzusprechen (taz berichtete). Wargalla ist sich sicher, dass es in Bremen
       aufgeschlossene Lehrer*innen gibt, denen ihre queeren Schüler*innen
       nicht egal sind. Aber wenn die Behörde sie so wenig unterstütze, „dann sind
       die auf sich allein gestellt“.
       
       Die für den Bericht zuständige Referentin Sabine Kurz zeigt sich in der
       Sitzung des Beirats am Freitag einsichtig und betroffen: „Es ist, wie es
       ist und da ist nichts“, sagt sie. Sie beteuert, dass das Thema ihr wichtig
       sei und räumt ein, dass es in ihrer Verantwortung gewesen wäre, weiter
       nachzuhaken, aber sie habe es „schlicht nicht geschafft“.
       
       Das Problem ist strukturell. Während die Senatorin für Soziales inzwischen
       eine Vollzeitstelle für queerpolitische Koordination eingerichtet hat,
       fehlt eine solche Position im Bildungsressort. Das gesamte Thema
       „Sexualerziehung“ wurde mit den Themen Sport und Gesundheitserziehung
       zusammengefasst. Und die dazugehörige Stelle ist schon seit fast einem Jahr
       vakant.
       
       Um die Situation für Bremer Schüler*innen und Lehrer*innen zu
       verbessern, fordert Beiratssprecherin Mittelstädt dreierlei: Die Stelle für
       Schulaufklärung im queeren Zentrum Rat&Tat müsse wieder eingerichtet
       werden. Zudem bräuchte es dringend eine Stelle zur Koordination
       queerpolitischer Themen im Bildungsressort. Und „unabhängig vom Beirat muss
       Bildung weiter mit den Trägern zusammenarbeiten und lernen“.
       
       Die Bildungsbehörde gibt zu, dass der Umsetzungsstand zum Aktionsplan nicht
       zufriedenstellend ist. „Dies offen einzugestehen, ist klarer Auftrag des
       hausinternen Qualitätsmanagements“, sagt Sprecherin Annette Kemp. Man denke
       über einen anderen Zuschnitt und eine andere strukturelle Verankerung der
       Aufgabe im Ressort nach. Denn: „Das Thema ist zu bedeutend.“ Große
       Hoffnungen auf eine eigene Stelle für das Gebiet der Queerpolitik macht
       Kemp aber nicht: „Stellen sind nicht mal eben geschaffen.“
       
       25 Mar 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Franziska Betz
       
       ## TAGS
       
   DIR Bildung in Bremen
   DIR Bremen
   DIR Queer
   DIR Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
   DIR Sexuelle Identität
   DIR Sexualität
   DIR Kai Wargalla
   DIR Bremen
   DIR Feminismus
   DIR Transpersonen
   DIR Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kai Wargalla holt Sitz über Personenstimmen: Grün und trotzdem beliebt
       
       Die Grüne Kai Wargalla ist zur Bremer Bürgerschaftswahl auf einem
       aussichtslosen Listenplatz angetreten. Trotzdem hat sie es ins Parlament
       geschafft.
       
   DIR Anschlag auf queeres Zentrum in Bremen: Feinde des Regenbogens
       
       Unbekannte haben das Gebäude des Bremer „Rat & Tat-Zentrum für queeres
       Leben“ mit Säure attackiert. Drinnen tagte währenddessen eine
       Arbeitsgruppe.
       
   DIR Geschlechtergerechtigkeit in der Schule: Update der Lehrpläne erwünscht
       
       Die Initiative „Keine Schule ohne Feminismus“ fordert Änderungen am
       Schulsystem. Die Kritik: fehlende Geschlechtergerechtigkeit im Unterricht.
       
   DIR Lehrer über Trans*personen in der Schule: „Aufklärung hilft“
       
       Der schwule Hamburger Lehrer Benjamin Ehlers findet, es gehöre zum
       Erziehungsauftrag, Schüler*innen zu akzeptieren, wie sie sind.
       
   DIR Trans*Personen in der Schule: Wenn Lehrer nicht begreifen
       
       Um Akzeptanz für ihr Coming Out müssen Trans*Personen oft kämpfen. Auch an
       staatlichen Schulen werden sie von Lehrkräften häufig bevormundet.