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       # taz.de -- Bremer Mahnmal zur „Arisierung“: Erinnern ist möglich
       
       > Die Bremer Kulturdeputation hat die ersten 50.000 Euro für das Mahnmal
       > zur „Arisierung“ bewilligt. Das Gesamtvolumen liegt bei 660.000 Euro.
       
   IMG Bild: Möbel aus jüdischem Besitz, wie K+N sie in der NS-Zeit transportierte
       
       Bremen taz | Das „Arisierungs“-Mahnmal kommt in die konkrete
       Umsetzungsphase. Einstimmig befürwortete die Kulturdeputation in ihrer
       eigens angesetzten Sondersitzung die Freigabe von 50.000 Euro für die
       bauvorbereitenden Schritte. Das Gesamtvolumen des Vorhabens liegt bei etwa
       660.000 Euro.
       
       Diese Kostenannahme bezieht sich auf den vom Koalitionsausschuss
       beschlossenen Standort an den Schlachte-Sitzstufen. Die besondere
       Örtlichkeit erforderte intensive Abstimmungen mit dem Deich- und dem
       Denkmalschutz, der Hafenmanagementgesellschaft Bremenports und weiteren
       Beteiligten. Umfangreiche Umbaumaßnahmen sind erforderlich, um das Mahnmal
       an dieser Stelle errichten zu können. Die von der taz vorgeschlagene
       Mahnmal-Platzierung an der Rückseite des Firmensitzes von Kühne + Nagel,
       derzeit ohnehin eine Baustelle, war politisch nicht durchsetzbar.
       
       Angie Oettingshausen, deren Entwurf für das Mahnmal aus einem
       Gestaltungswettbewerb der taz hervorging, sagt dazu: „Dass ein ‚neuer
       Standort‘ auch ‚neue Kosten‘ produziert, war leider abzusehen. Der
       Mahnmal-Entwurf musste in Teilen gestalterisch an die Ortsgegebenheiten
       angepasst werden, dies hat aber keine Auswirkungen auf finanzieller Ebene.“
       Das Kunstwerk selbst ist in der nun beschlossenen Planungsvorlage mit
       40.000 Euro ausgewiesen.
       
       Die Gesamtkosten des Projektes seien zweifelsohne hoch, sagt Kai Wargalla
       von den Grünen, aber durch die gründlich erarbeitete Vorlage des
       Kulturressorts „nachvollziehbar und für eine populistische Debatte denkbar
       ungeeignet“. Wargalla betont: „Was städtische Institutionen,
       Logistikunternehmen und Bürgerinnen und Bürger an Leid und Unheil
       verursacht haben, ist mit keinem Geld der Welt je wieder gut zu machen.“
       
       Seit drei Jahren wird in Bremen über die Errichtung eines
       „Arisierungs“-Mahnmals diskutiert, seit fast zwei Jahren ist dessen Bau
       parlamentarisch beschlossen. Hintergrund des Projekts ist die besondere
       Rolle Bremens als Hafen- und Logistikstandort bei der „Verwertung“
       jüdischen Eigentums. Diese beruht zum einen auf der erzwungenen
       Massenauswanderung jüdischer Familien über Bremerhaven. Insbesondere
       profitierte Bremen als Stammsitz der Firma Kühne + Nagel jedoch durch den
       Abtransport jüdischen Besitzes aus den besetzten Ländern Westeuropas.
       
       Ausgelöst wurde die Mahnmal-Debatte durch Recherchen der „taz“ über die
       zunächst verschwiegenen „Arisierungs“-Geschäfte von Kühne+Nagel (K+N), dem
       heute weltweit drittgrößten Logistik-Konzern. K+N war durch sein
       Westeuropa-Geschäft der aktivste NS-Profiteur der Bremer Logistik-Branche.
       Die Bedeutung der „materiellen“ Dimension der Judenverfolgung für die
       Stabilität des NS-Staates, für die breite Zustimmung zur „rassischen“
       Verfolgung, wurde lange wenig beachtet. Doch das „Dritte Reich“
       funktionierte auch als „Beute-Gemeinschaft“. Dementsprechend sollen die
       Mahnmalkosten zu jeweils einem Drittel vom Fiskus, Firmen und Privatleuten
       getragen werden.
       
       Als möglichen Baubeginn sieht das Kulturressort „unter Berücksichtigung
       aller nötigen Schritte wie Baugenehmigung und Ausschreibung“ das Frühjahr
       2020 vor. Zugleich beschloss die Deputation einen Prüfauftrag: Könnten die
       Kosten durch Verbindung der Baumaßnahme mit ohnehin anstehenden
       Deichschutzmaßnahmen verringert werden? Das würde den Baubeginn allerdings
       um ein Jahr verzögern. „Erinnern darf nicht am Preis gemessen werden“,
       betonte Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD), „naheliegende
       Kostenreduzierungs-Potenziale“ sollten jedoch ausgeschöpft werden.
       
       ## „Einmütigkeit der politischen Kräfte“
       
       Aus Sicht von Miriam Strunge von der Linkspartei würde umgekehrt ein Schuh
       daraus: Um Kosten-Synergien zu erreichen, sagt Strunge, sollten die
       Hochwassermaßnahmen nach Möglichkeit vorgezogen werden: „Das wäre das
       richtige Statement.“ Es könne nicht sein, dass der „ohnehin schon sehr
       lange Umsetzungszeitraum“ zusätzlich vom Hochwasserschutz abhängig gemacht
       werde.
       
       Magnus Buhlert von der FDP warnte: „Nach wie vor versuchen interessierte
       Kreise, das Mahnmal zu diskreditieren“, während Claas Rohmeyer (CDU)
       betonte: Die in der Sondersitzung zum Ausdruck gekommene Einmütigkeit der
       politischen Kräfte sei entscheidend, um das Mahnmal-Projekt „würdig“ zum
       erfolgreichen Abschluss zu bringen.
       
       Emigholz wies auf Nachfrage darauf hin, dass die Zeitspanne bis zur
       Fertigstellung „für eine Reihe an Programmen und Projekten“ mit
       entsprechender thematischer Fokussierung genutzt würde. Wargalla betonte:
       „Der aktuelle Rechtsruck und der derzeit wieder stärker aufflammende
       Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft zeigen, dass wir der
       Geschichtsvergessenheit und der rechten Hetze etwas entgegensetzen müssen.“
       Das Mahnmal sei dabei „ebenso ein wichtiger Baustein wie das vor Kurzem
       beschlossene umfangreiche Erinnerungskonzept“.
       
       3 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Henning Bleyl
       
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