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       # taz.de -- Brexit-Abstimmung in Großbritannien: Unterhaus entscheidet gegen May
       
       > Die britischen Abgeordneten erhöhen den Druck. Gegen den Willen der
       > May-Regierung wollen sie nun selbst über Alternativen zum Brexit-Deal
       > abstimmen.
       
   IMG Bild: Erlitt eine neue Niederlage: Großbritanniens Premierministerin Theresa May
       
       London dpa | Bittere Niederlage für Premierministerin Theresa May: Gegen
       den Willen der Regierung wird das Unterhaus an diesem Mittwoch über
       Alternativen zum Brexit-Abkommen beraten. Ein entsprechender Antrag wurde
       am späten Montagabend im Unterhaus in der Schlussabstimmung mit einer
       Mehrheit von 327 zu 300 Stimmen angenommen.
       
       Zweieinhalb Wochen vor Ablauf der verlängerten Frist für einen EU-Austritt
       Großbritanniens erhöhen die Abgeordneten den Druck auf May damit weiter.
       Mehrere Staatssekretäre legten ihre Ämter nieder, um gegen die Regierung
       votieren zu können.
       
       Der Brexit-Experte der oppositionellen Labour-Partei, Keir Starmer,
       bezeichnete das Ergebnis [1][via Twitter] als „weitere demütigende
       Niederlage für die Premierministerin, die komplett die Kontrolle über ihre
       Partei, ihr Kabinett und den Brexit-Prozess verloren hat“.
       
       Guy Verhofstadt, der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, erklärte, nun
       übernehme das Parlament in London die Kontrolle über den Brexit-Prozess.
       Dies sei eine Chance, um parteiübergreifend für eine erweiterte politische
       Erklärung (zum Brexit-Deal) und eine engere künftige Beziehung (zur EU)
       zusammenzuarbeiten.
       
       Die Brexit-Hardliner im Parlament in London dagegen schäumten vor Wut. „Das
       ist eine konstitutionelle Revolution und das Haus wird es bereuen“, rief
       der Brexit-Veteran Bill Cash. Parlamentspräsident John Bercow hatte Mühe,
       die Ordnung im Plenarsaal aufrechtzuerhalten und zog am Ende die Wut der
       Brexiteers auf sich.
       
       ## Unklare Alternativ-Optionen
       
       Unklar war zunächst, über welche Optionen genau abgestimmt werden und wie
       die Abstimmung ablaufen soll. Als Optionen werden unter anderem eine engere
       Anbindung an die EU oder auch ein zweites Referendum gehandelt. Aber auch
       eine direkte Abkehr vom Brexit durch Zurückziehen der Austrittserklärung
       ist im Gespräch. Ein Votum für eine dieser Varianten wäre rechtlich zwar
       nicht bindend, würde aber einen Hinweis darauf geben, wofür es eine
       Mehrheit im Parlament geben könnte.
       
       Premierministerin Theresa May hatte zuvor eingestanden, dass sich noch
       immer keine Mehrheit für ihr Brexit-Abkommen abzeichnet. Daher wolle sie
       vorerst nicht erneut über das Vertragspaket zum EU-Austritt abstimmen
       lassen, sagte sie am Nachmittag vor dem Unterhaus.
       
       „Nach jetzigem Stand gibt es noch immer keine ausreichende Unterstützung im
       Unterhaus, um das Abkommen für eine dritte Abstimmung vorzulegen“, so May.
       Zwei Mal ist die Regierungschefin bereits krachend mit dem Deal
       gescheitert.
       
       Zuvor war spekuliert worden, das Parlament könnte bereits an diesem
       Dienstag erneut über den Deal abstimmen. Sie arbeite aber daran, eine
       Abstimmung noch in dieser Woche zu ermöglichen, fuhr May fort.
       
       Die Regierung sei nicht gebunden, sollten sich die Abgeordneten auf eine
       Alternative zum Brexit-Abkommen festlegen, stellte May klar. Die
       automatische Folge einer Ablehnung ihres Deals sei immer noch ein Austritt
       ohne Abkommen. Zugleich beschwichtigte sie aber: „Ein No Deal wird nicht
       passieren, solange das Unterhaus dem nicht zustimmt.“
       
       Es dürfe aber auch keine Abkehr vom Brexit geben, sagte May. Sie warnte
       zudem vor einem „langsamen“ EU-Austritt mit einer Verlängerung der Frist
       über den 22. Mai hinaus, womit eine Teilnahme an der Europawahl notwendig
       wäre, die vom 23. bis 26. Mai stattfindet.
       
       ## Bis Freitag Zeit
       
       Ursprünglich sollte Großbritannien die EU am 29. März verlassen. Die EU bot
       London in der vergangenen Woche eine Verschiebung des Brexits bis zum 22.
       Mai an. Bedingung dafür ist allerdings, dass das Unterhaus in dieser Woche
       dem Austrittsvertrag zustimmt. Andernfalls gilt die Verlängerung nur bis
       zum 12. April. In dem Fall soll London vor diesem Termin sagen, wie es
       weitergehen soll.
       
       Die EU-Kommission wollte sich am Abend nicht [2][zu Mays Ankündigungen]
       äußern. Eine Sprecherin verwies lediglich darauf, dass nur noch bis Freitag
       Zeit sei, die Abstimmung zu organisieren. Wenn dies nicht geschehe, müsse
       Großbritannien bis zum 12. April eine überzeugende Alternative präsentieren
       – oder dann ohne Abkommen aus der EU austreten.
       
       Die Regierung in London will sich noch diese Woche vom Parlament den Segen
       für eine Rechtsverordnung geben lassen, mit der das bisherige
       Austrittsdatum 29. März auch nach nationalen Recht verschoben werden soll.
       Sollte die Verordnung nicht gebilligt werden, entstehe zwar Verwirrung und
       schädigende Unsicherheit, an der Verschiebung des Brexit-Datums ändere sich
       aber nichts, sagte May.
       
       Sollte Großbritannien tatsächlich ohne Austrittsvertrag aus der EU
       ausscheiden, wird mit dramatischen Folgen für die Wirtschaft und viele
       andere Lebensbereiche gerechnet. Millionen EU-Bürger in Großbritannien und
       Briten in der EU würden in große Unsicherheit gestürzt.
       
       26 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/Keir_Starmer/status/1110307263288356864
   DIR [2] /Brexit-Streit-bei-den-Torys/!5582727
       
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