# taz.de -- Buch über Neue Deutsche Welle: Erkläre deine Jugend
> Der Autor Hollow Skai brachte einst selbst Bands wie Bärchen und die
> Milchbubis und Hans-A-Plast heraus. Nun veröffentlicht er ein Buch über
> die Neue Deutsche Welle.
IMG Bild: Den deutschen Punk zum Verkaufsschlager gemacht: Hubert Kah, Peter Hubert (UKW), Frl. Menke, Markus mit Peter Illmann 2008 vorm Logo von "Ich will Spass - Das Musical".
Wenn jemand ein Buch zur Neuen Deutschen Welle veröffentlicht, dann ist die
allererste Frage: Hatten wir das nicht alles schon? Diese halbbesoffene
Euphorie, diese Wiederauferstehung der Zeit, als Punk nach
(West-)Deutschland kam und zwischen Düsseldorf, Hamburg, Hannover und
Berlin eine halb jugendclubartige, halb richtig neue Aufbruchstimmung
entstand.
Jürgen Teipel, der 2001 seinen Doku-Roman "Verschwende Deine Jugend" zum
Thema Punk und New Wave in Deutschland herausgebracht hat, ist jedenfalls
verantwortlich dafür, dass die alte Welle kurzzeitig wieder neue Kraft
bekam. Musiker wie Peter Hein wurden allerorten in den Musikgazetten
interviewt und die "Fehlfarben" gingen wiedervereinigt auf Tour -
gewissermaßen als Band zum Buch.
Nun hat der Journalist und Autor Hollow Skai in seinem Buch "Alles nur
geträumt" eine ganz andere Art, über Punk, Kunst, Musik und die
Achtzigerjahre zu schreiben, als Jürgen Teipel. Während Teipel eine seriöse
und in der Tradition der Oral History stehende Popgeschichtsschreibung
betreibt, ist Hollow Skai vielmehr Teil der Jugendbewegung und bis heute
ein Enthusiast, was Punk angeht. Mit seinem Label No Fun Records hat er in
Hannover Bands wie Bärchen und die Milchbubis und Hans-A-Plast
herausgebracht. Mit wenig Budget wurden Singles gepresst - und man guckte
mal, was draus wird. Das war ungestüm, unberechenbar und erstaunlich
sorglos.
Die Neigung zu irrsinnigen Späßen und subversivem Stumpfsinn (zum Beispiel
in Punk-Songs wie "Rolltreppe, Rolltreppe, Eisen und Stahl" von Male oder
"Da vorne steht ne Ampel" von Der Plan) durchzieht auch Skais Buch. Er
schreibt lakonisch und gleichzeitig verspielt. Kapitelüberschriften wie
"Das hast du toll gemacht, Alfred!" hören sich ein bisschen an wie
Songtitel aus der frühen NDW. Diese Art, mit Sprache umzugehen, führt dazu,
dass "Alles nur geträumt" nicht nur ein Buch über Punk, sondern auch ein
punkiges Buch ist. Das lässt einen über die nostalgischen Passagen leicht
hinwegkommen, wenn mal wieder Rodenkirchen brennt oder über die
Düsseldorfer Kneipe Ratinger Hof berichtet wird, wo kaum jemand eine
Gitarre halten konnte.
"Nicht nur für den Fehlfarbengitarristen Thomas Schwebel war die Neue
Deutsche Welle das einzig nennenswerte Pop-Ereignis in Deutschlands
populärer Musik seit Gründung der Bundesrepublik. Umso mehr deprimierte ihr
Ende die Akteure, die an ihr beteiligt waren", schreibt Hollow Skai. Das
ist die tiefer liegende Botschaft seines Buchs: NDW war wichtig,
unkommerziell, subkulturell, ja geradezu leidenschaftlich.
Wenig davon ist noch zu spüren, wenn man einen NDW-Sampler hört, auf dem
sich vor allem Leute wie Hubert Kah oder Frl. Menke tummeln, die mit NDW
aus Sicht von Insidern nichts zu tun haben. Dieses Selektieren, wer zur
Welle dazugehörte und wer nicht, kann man nerdig finden. Aber dahinter
steckt die Trauer darüber, wie Trittbrettfahrer den deutschen Punk zu einem
Verkaufsschlager in der ZDF-Hitparade machten - der dann bald verschwand,
weil sich diesen Blödsinn niemand länger antun wollte.
Die Analyse der Vermarktungsmechanismen von Musik und das Kreisen um die
ewige Frage, wie subversiv und unbestechlich eine relevante musikalische
Bewegung sein muss, sind eine weitere Stärke von Hollow Skais Buch. Dem
Mann ist es ein Bedürfnis, solche Themen in die Welt des Turbokapitalismus
rüberzuretten, und das ist gut so.
Was dagegen manchmal befremdlich ist: Der Kulturpessimismus, den Herr
Schwebel und Herr Skai verbreiten, wenn sie darauf bestehen, dass es nach
der Neuen Deutschen Welle nie wieder eine interessante Bewegung in der
hiesigen Musik gegeben hat. Diesen Standpunkt teilen wahrscheinlich
wirklich nur die Musiker, die genau dort und damals dabei gewesen sind. Die
Hamburger Schule, der deutschsprachige Hip-Hop und die gesamte DJ- und
Techno-Kultur sind genau solche interessanten Entwicklungen gewesen und
dauern bis heute an. Aber klar: Es kann durchaus sein, dass sie ohne die
NDW in den Achtzigern in dieser Form nicht möglich gewesen wären.
4 Aug 2009
## AUTOREN
DIR Anne Otto
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