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       # taz.de -- Bürgermeisterkandidat Zohran Mamdani: Ein Sozialist für alle New Yorker?
       
       > New York wählt einen neuen Bürgermeister. Aussichtsreichster Kandidat:
       > der „demokratische Sozialist“ Zohran Mamdani. Was ihn so erfolgreich
       > macht.
       
   IMG Bild: Begegnet den Leuten auf Augenhöhe: Zohran Mamdani während seiner Wahlkampagne in Manhattan's Upper East Side im Oktober 2025
       
       Aufregend war das vergangene Oktoberwochenende in New York. Die klare
       Herbstluft schien vor Energie nur so zu knistern. So berichten es Menschen,
       die in der Stadt leben, am Telefon. Die ganze Stadt sei auf den Beinen
       gewesen und das nicht nur, weil am Sonntag 55.000 Menschen am Marathon
       teilnahmen und Hunderttausende die Läufer feierten. Oder weil am
       Freitagabend zwei Millionen Menschen die Halloween-Parade besuchten, eines
       der beliebtesten Spektakel des Jahres.
       
       Zwischen all dem ging die New Yorker Bürgermeisterwahl auf die Zielgerade –
       eine Wahl, die die Stadt in Erregung versetzt, wie schon lange keine
       Lokalwahl mehr. Tausende Freiwillige zogen am Sonntag allein für den
       demokratischen Spitzenkandidaten Zohran Mamdani durch die Stadt. Laut
       dessen Instagram-Account wollten sie an über 200.000 Türen klopfen. Das
       wären mehr als jemals zu vor an einem einzigen Wahlkampftag gewesen. [1][Am
       Ende schafften sie 157.678.]
       
       Auch die Kandidaten selbst schwirrten emsig durch New York. Mamdani und
       sein Herausforderer Andrew Cuomo gaben sich schon am Sonntagmorgen beim
       Radiosender WBLS die Klinke in die Hand, der vorwiegend von
       afroamerikanischen Bürgern gehört wird. Cuomo kandidiert parteiunabhängig,
       [2][seit er die Vorwahl der US-Demokraten überraschend gegen Mamdani
       verlor].
       
       Danach sausten beide zu Gottesdiensten in Schwarzen Kirchen in Harlem und
       der Bronx. Der republikanische Kandidat Curtis Sliwa sprach unterdessen im
       konservativ geprägten Brighton Beach zu seinen Anhängern. Cuomo war später
       bei einer jüdischen Gemeinde in Queens, während sich Mamdani beim Marathon,
       den er selbst schon zwei Mal gelaufen war, zeigte. Am Abend wurde Mamdani
       dann noch in einem schwulen Tanzclub in Chelsea dabei gefilmt, wie er die
       Menge anheizt und zu Jay-Z schwoft.
       
       Am Dienstag wählen bis zu 4 Millionen New Yorker, wer in den kommenden 4
       Jahren die Geschicke ihrer Stadt lenken wird – mit einem Etat, der knapp
       ein Viertel so groß ist wie der Deutschlands und über 300.000
       Regierungsbeamten.
       
       ## Letzte Umfragen sehen Mamdani weit vorn
       
       Die Energie, die diese Wahl auslöst, offenbarte sich bereits, als die
       Wahllokale zur frühzeitigen Stimmabgabe öffneten. Schon vor dem Wochenende
       hatten mehr als eine halbe Million New Yorker gewählt, darunter eine
       überproportional große Anzahl junger Wähler. Ein gutes Zeichen für Zohran
       Mamdani, dessen Erfolg in den Vorwahlen im Sommer besonders darauf beruhte,
       eine junge Wählerschaft zu mobilisieren.
       
       Wenn die Umfragen sich nicht dramatisch irren, wird der 34-jährige Mamdani
       neuer Bürgermeister der größten Stadt der USA. Letzte Statistiken rechnen
       ihm 42 bis 50 Prozent der Stimmen zu. Sein ärgster Gegner, der
       Ex-Gouverneur Cuomo, kommt auf 25 bis 32 Prozent. Der Republikaner Sliwa,
       seit seinen Tagen als Bürgermilizionär eine New Yorker Medienfigur, hatte
       im Grunde nie eine ernsthafte Chance.
       
       Der mutmaßliche Erfolg Mamdanis ist zweifellos Grund dafür, dass diese Wahl
       in New York und weit darüber hinaus immense Aufmerksamkeit genießt. Mit
       Mamdani, den noch vor einem Jahr außerhalb New Yorks niemand kannte,
       [3][erleben die USA den Aufstieg eines neuen Politstars]. Wohl seit dem
       Auftauchen des jungen Barack Obama als Redner beim demokratischen
       Wahlparteitag 2004 hat das Land kein solch unverhofftes Auftauchen eines
       politischen Talents mehr gesehen. Passenderweise rief Obama Mamdani
       Sonntagfrüh an, um ihm Glück zu wünschen und Mut zuzusprechen.
       
       ## Rückenwind für die linken US-Demokraten
       
       Selbst Mamdanis Gegner loben die Art und Weise, wie er seinen Wahlkampf
       führt. Als Millennial bespielt er die sozialen Medien so gekonnt wie kaum
       ein Politiker vor ihm in den USA. Dabei vermittelt er glaubwürdig, dass er
       sich um die Menschen seiner Stadt sorgt. Anstatt ihnen zu predigen, hört er
       ihnen zu. Anders als sein Gegner Cuomo begegnet er ihnen auf Augenhöhe. Und
       er hat ein simples Versprechen für sie: ein bezahlbares New York für alle.
       Erreichen will er das unter anderem durch Steuererhöhungen, gedeckelte
       Mieten und einen Mindestlohn von 30 US-Dollar pro Stunde.
       
       So gelingt es Mamdani, viele Wähler der unteren Mittelschicht aus den
       Fängen der Maga-Bewegung zurück in die Arme der demokratischen Partei zu
       holen. In den letzten Jahren schaffte das kein demokratischer Politiker
       mehr. Selbst in der Bronx und in Queens verfängt Mamdani – Bezirke, deren
       Bewohner sich besonders ignoriert und vernachlässigt von der demokratischen
       Partei fühlten.
       
       Die Demokraten im ganzen Land blicken entsprechend gebannt auf Mamdanis
       Kampagne. Die Partei liegt seit dem Biden-Harris-Debakel am Boden. Ihre
       Zustimmungswerte sind so schlecht wie seit über 30 Jahren nicht mehr. Die
       Parteifraktion im US-Kongress wirkt angesichts Trumps Bulldozer-Politik
       vollkommen gelähmt. Das alte demokratische Parteiestablishment hat
       offenkundig ausgedient. Das brachte kürzlich auch der demokratische Senator
       Cory Booker auf den Punkt, als er frustriert bemerkte: „Wir können nicht
       mehr Politik wie üblich machen.“
       
       Mit Mamdani bekommt nun der linke Flügel der Partei um Bernie Sanders und
       Alexandria Ocasio-Cortez Rückenwind. Sanders und Cortez tingeln seit
       Monaten auf ihrer „Anti-Oligarchie“-Tour durchs Land und erhalten dabei,
       ähnlich Mamdani, erstaunlich positive Resonanz – selbst von nicht wenigen
       bisherigen Trump Wählern.
       
       Das Parteiestablishment tut sich dennoch schwer mit Mamdani. Hakeem
       Jeffries, Fraktionsvorsitzender im Repräsentantenhaus und selbst New
       Yorker, rang sich im letzten Augenblick noch eine halbherzige
       Unterstützungserklärung für Mamdani ab. Chuck Schumer, der die Demokraten
       im Senat anführt, ist bis heute stumm.
       
       ## Sozialismus: für 62 Prozent der Amerikaner unter 30 ist das was Gutes
       
       Sich zu Mamdani zu bekennen, erscheint der alten Garde noch immer als
       gefährlich. Dessen Selbstidentifikation als „demokratischer Sozialist“
       könnte die Wähler und vor allem die Geldgeber verschrecken. Dazu kommt
       seine Identität als Muslim und seine unmissverständliche Kritik an Israel.
       
       Viele New Yorker Wähler haben mit diesen Positionen keine allzu großen
       Probleme. Gerade unter jüngeren Wählern ist Sozialismus kein Schimpfwort
       mehr – 62 Prozent der Amerikaner unter 30 verbinden damit positive Dinge.
       Der Begriff erwirkt schon lange eher Assoziationen mit erfolgreichen
       europäischen Sozialdemokratien als mit der Sowjetunion.
       
       Was Mamdanis klare Pro-Palästina-Haltung angeht, ist die jüdische New
       Yorker Wählerschaft gespalten. Rund 40 Prozent von ihnen stimmen
       voraussichtlich für Mamdani. Gerade die konservativeren Juden der Stadt
       lehnen ihn jedoch ab. USA-weit ist blinde Solidarität mit Israel derzeit
       übrigens nicht mehrheitsfähig. 60 Prozent der Amerikaner fühlen sich von
       Israels Politik in Gaza abgestoßen.
       
       Das Ergebnis der New Yorker Bürgermeisterwahl wird am Mittwochmorgen
       deutscher Zeit erwartet. Gleich, wie diese Wahl ausgeht und wie viel
       Mamdani von seiner ehrgeizigen Agenda als Bürgermeister New Yorks
       durchsetzen könnte: Die alte demokratische Parteiführung wird dauerhaft
       nicht umhinkommen, ihre Politik zu überdenken. Und selbst wenn unklar ist,
       ob [4][eine Politik à la Mamdani] US-weit mehrheitsfähig wäre – das ist
       schon ein enormer Erfolg.
       
       Anmerkung der Redaktion: In der zuerst veröffentlichten Version dieses
       Textes hieß es, für Mamdani seien allein am Sonntag rund 90.000 Freiwillige
       im Einsatz gewesen und hätten an über 200.000 Türen geklopft. Richtig ist:
       mehr als 90.000 Freiwillige waren insgesamt in seine Kampagne involviert.
       Am Sonntag waren 6.500 davon aktiv und klopften an über 157.000 Türen.
       Diesen Fehler haben wir korrigiert.
       
       4 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.zohranfornyc.com/marathon
   DIR [2] /Vorwahlen-um-Buergermeisterkandidatur/!6093167
   DIR [3] /Ines-Schwerdtner-New-York-Zohran-Mamdani-Wahlkampf/!6125834
   DIR [4] /Buergermeisterwahl-in-New-York/!6098697
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sebastian Moll
       
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