URI: 
       # taz.de -- Bürgermeisterwahl in New York: Ein junger Wilder für New York
       
       > Vorentscheidung um das Bürgermeister-Amt von New York: Gewinnt der
       > charmante Sozialist Zohran Mamdani oder der etablierte Andrew Cuomo die
       > Vorwahl?
       
   IMG Bild: Shootingstar der New Yorker Politik und Liebling der jungen Linken der Stadt: Zohran Mamdani
       
       New York taz | Der vergangene Dienstag sollte ein großer Tag werden für die
       beiden Spitzenkandidaten der US-Demokraten im Rennen um das
       Bürgermeisteramt der Stadt New York. Ex-Gouverneur Andrew Cuomo hielt eine
       große Kundgebung am Union Square mit Hunderten von Gewerkschaftern.
       
       Sein junger Herausforderer Zohran Mamdani, Shootingstar der New Yorker
       Politik und Liebling der jungen Linken der Stadt, gab derweil die für ihn
       wichtigste Unterstützungsbekundung bekannt. Senator [1][Bernie Sanders]
       empfahl seinen Anhängern, bei der Vorwahl in der kommenden Woche für den
       bekennenden demokratischen Sozialisten zu stimmen.
       
       Doch ein anderer stahl den beiden die Show. Der in den Umfragen
       drittplatzierte Kandidat, Stadtkämmerer Brad Lander, wollte den Tag am
       Einwanderungsgericht verbringen, um darauf zu achten, dass Trumps
       Deportationstruppe ICE nicht ohne Vollstreckungsbefehl Asylbewerber
       verschleppt. Dabei geriet er selbst in die Fänge der maskierten
       Trump-Schergen, sie verhafteten ihn.
       
       Cuomo, der sich in der Wahl als der Mann positioniert, der sich am
       wirkungsvollsten Trump entgegenstemmen kann, verurteilte hastig das
       Vorgehen von ICE. Mamdani fuhr unterdessen sofort zum Einwanderungsgericht,
       hielt mit der sich rasch versammelnden Menge Wache, bis Lander am
       Nachmittag entlassen wurde, und gab ausführliche Interviews über die Gefahr
       für die Demokratie und den Terror von ICE.
       
       ## Der geschickte Kommunikator
       
       Die unterschiedliche Reaktion der beiden Kandidaten zeigte, dass der erst
       33 Jahre alte Mamdani bei Weitem der geschicktere Kommunikator ist als der
       67-jährige Cuomo. Mamdani war am Abend mit seiner feurigen Trump-Kritik in
       zahllosen Clips auf Tiktok und Instagram zu sehen. Cuomo schaffte es
       hingegen kaum in die Nachrichten. Der große Gewinner blieb jedoch Lander,
       der sich unfreiwillig wieder zurück in das Rennen katapultierte.
       
       Der Tag machte aber auch deutlich, wo beim New Yorker Wahlkampf innerhalb
       der Demokratischen Partei die politischen Linien verlaufen. Lander und
       Mamdani verkörpern den progressiven Flügel der Partei, die Fraktion von
       Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez, die seit Monaten mit ihrer
       Anti-Oligarchie-Tour gegen Trump mobil machen. Sie haben sich gegenseitig
       Unterstützung zugesagt und versichern, dass sie dem anderen den Sieg
       gönnen, solange sie eine Wahl von Cuomo verhindern.
       
       Cuomo ist Teil der etablierten Parteimaschine der Demokraten, der Clintons
       und der Bidens und auch der Obamas, die Milliardenbeträge von den
       gleichen Geldgebern einstreichen, die auch Trump fördern, um sich nach
       allen Seiten abzusichern. Cuomo, der als Gouverneur [2][über mehrere
       sexuelle Missbrauchsskandale stolperte], sei kein wirklicher Neustart für
       die Stadt, die in den vergangen vier Jahren einen zutiefst inkompetenten
       und korrupten Bürgermeister ertragen musste, so die Einschätzung vieler
       politischer Kommentatoren.
       
       Eric Adams, der als Afroamerikaner aus der Arbeiterschicht frischen Wind
       versprach, paktierte zuletzt mit Trump, der im Gegenzug den
       Korruptionsprozess gegen ihn fallen ließ. Insbesondere der charismatische
       Mamdani verspricht hingegen einen wahrhaftigen Neubeginn für die New Yorker
       Politik. Und vielleicht verkörpert er sogar einen gänzlich neuartigen
       Politikertypus, der der orientierungslosen Demokratischen Partei neues
       Leben einhauchen könnte.
       
       Mamdani besitzt zwei Merkmale, die klassischerweise in der US-Politik als
       Ausschlusskriterium gelten: Er ist offen israelkritischer Muslim und
       bezeichnet sich selbst stolz als demokratischen Sozialisten. Das sind
       selbst in New York keine Dinge, die einer politischen Karriere
       notwendigerweise zuträglich sind. Doch Mamdani schafft es, ähnlich wie
       Obama einst das Schwarzsein, beides für die Wähler salonfähig zu machen.
       
       Mamdani ist gut aussehend und gebildet, er ist klug, witzig und
       schlagfertig und überaus charmant. Er kann ebenso überzeugend einen Draht
       zu afrikanischen Taxifahrern herstellen wie theoretische Diskussionen über
       Postkolonialismus führen. Und auch, dass er trotz seines Glaubens und
       seiner Kritik an Israel kein Antisemit ist, nimmt man ihm ob seiner tief
       sitzenden Liberalität ab.
       
       Mit diesen Talenten sowie mit dem virtuosen Umgang seiner Generation mit
       den neuen Medien schafft er es, eine schlichte Botschaft überzeugend zu
       verbreiten: New York soll kein Luxusprodukt mehr sein, wie sein
       Vorvorgänger, der Milliardär Michael Bloomberg, deklariert hatte. Die Stadt
       soll wieder für jedermann bezahlbar werden. „Dass das Leben in New York
       hart sein muss, ist ein Mythos“, sagt Mamdani.
       
       Um das zu beweisen, hat er einen plausibel klingenden Plan. Er will die
       Mieten geförderter Wohnungen einfrieren. Er will 200.000 bezahlbare
       Wohnungen schaffen und durch städtische Lebensmittelläden das Essen für
       ärmere New Yorker erschwinglich machen.
       
       Manche bezeichnen solche Versprechen als Linkspopulismus und halten Mamdani
       vor, er besitze nicht die politische Erfahrung, um solche Großprojekte auch
       durchzusetzen. Doch sein Optimismus reißt die Menschen mit. Und schließlich
       hat er in seiner jungen Karriere als Staatssenator bereits einiges bewegt.
       So konnte er einen Schuldenerlass über beinahe eine halbe Milliarde Dollar
       für New Yorker Taxifahrer durchsetzen sowie ein Pilotprojekt für
       kostenlosen Bustransport in der Stadt.
       
       Zur politischen Hürde könnte Mamdani, der Cuomo täglich in den Umfragen
       näher kommt, mittlerweile vor allem die Frage geraten, ob er die einfachen
       New Yorker, als deren Fürsprecher er sich positioniert, auch von sich
       überzeugen kann. Die jungen Linken der Stadt hat der Hobbyrapper auf
       seiner Seite. Den Latinos und Afroamerikanern aus Außenbezirken wie der
       Bronx muss er jedoch erst beweisen, dass er wirklich auf ihrer Seite steht.
       
       Vielleicht am schwierigsten in dieser Wahl wird unter [3][dem Eindruck von
       Los Angeles] für Mamdani jedoch, ob er die Wähler davon überzeugen kann,
       dass er es vermag, Trump wirkungsvoll die Stirn zu bieten. Mamdani steht
       immerhin mit dem Feuer seiner jungen Jahre für alles, wofür Trump nicht
       steht: soziale Gerechtigkeit, Liberalität, Achtung vor demokratischen
       Institutionen. Und vielleicht reicht das ja aus, der Stadt und der Partei
       in diesen Zeiten einen Weg nach vorn zu weisen. Vielleicht auch als
       unabhängiger Kandidat, sollte er die Vorwahl am Dienstag verlieren.
       
       20 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bernie-Sanders-in-Berlin/!5963717
   DIR [2] /New-Yorks-Gouverneur-tritt-zurueck/!5788393
   DIR [3] /Trumps-Kalkuel-in-Los-Angeles/!6091977
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sebastian Moll
       
       ## TAGS
       
   DIR New York
   DIR Bürgermeister
   DIR US-Demokraten
   DIR wochentaz
   DIR Social-Auswahl
   DIR US-Demokraten
   DIR US-Demokraten
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Donald Trump
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Bürgermeisterwahl in New York: Der Anti-Trump
       
       Zohran Mamdani ist jung, muslimisch, sozialistisch. Wie hat der frisch
       gekürte Bürgermeisterkandidat der Demokraten die New Yorker von sich
       überzeugt?
       
   DIR Vorwahlen um Bürgermeisterkandidatur: Lichtblick in New York
       
       Tausende Freiwillige, Tür-zu-Tür-Wahlkampf, Lebenshaltungskosten als
       Hauptthema – so wie der New Yorker Demokrat Zohran Mamdani gewinnt man
       Wahlen von links.
       
   DIR Bürgermeistervorwahl in New York: Ein junger Linker gewinnt New York
       
       Bei den Vorwahlen der Demokraten für die Bürgermeisterwahl in New York
       gewinnt der demokratische Sozialist Zohran Mamdani unerwartet deutlich.
       
   DIR „No Kings“-Proteste in den USA: Erfrischender Energieschub gegen Trump
       
       Klar: Ein paar Demonstrationen halten Trumps Pläne nicht auf. Aber sie
       können der Auftakt dafür sein, sich endlich effektiv zu organisieren.
       
   DIR Politikwissenschaftler Heinze über Trump: „Trump ist hilfreich, aber nicht das Ende“
       
       Der Politologe Rüdiger Heinze sieht den US-Präsidenten Trump nur als Figur
       eines Langzeitprojekts. Es wird von rechtskonservativen Kräften gesteuert.
       
   DIR Proteste in Los Angeles: Trump braucht das Spektakel
       
       Mit Abschiebungen und der Nationalgarde inszeniert Donald Trump die
       Eskalation in Kalifornien. Er weiß, wie er seine Wählerschaft bei Laune
       hält.