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       # taz.de -- Bürgermeisterwahl in New York: Der muslimische Kandidat
       
       > Während des Wahlkampfs sah sich Zohran Mamdani mit geballtem
       > antimuslimischem Rassismus konfrontiert. Er wehrte sich offensiv dagegen.
       
   IMG Bild: Ein ernstes Thema: Zohran Mamdani trat Ende Oktober vor einer Moschee in der Bronx vor die Presse
       
       Zehn Tage vor der Wahl trat [1][Zohran Mamdani], flankiert von schwarzen
       Muslimen, darunter mehreren Frauen mit Hidschab, vor eine Moschee in der
       Bronx, um eine Erklärung abzugeben. In seiner zehnminütigen, vorbereiteten
       Rede ging er auf die unverhohlene Islamfeindlichkeit ein, die ihm im
       Wahlkampf entgegenschlug und die vielen Muslimen nur zu vertraut ist.
       
       An diese Erfahrungen knüpfte Mamdani an: Er erzählte, wie eine Tante von
       ihm nach dem 11. September 2001 Angst hatte, ein Kopftuch zu tragen, wie
       ein Klassenkamerad bedrängt wurde, als Informant zu dienen, wie die Garage
       eines Mitarbeiters mit dem Wort „Terrorist“ besprüht wurde und wie er
       selbst auf einem Flughafen gefragt wurde, ob er Pläne habe, New York
       anzugreifen. „Als Muslim in New York zu leben bedeutet, mit Demütigungen zu
       rechnen“, sagte er. Das Problem sei, dass diese Demütigungen toleriert
       würden. Der Traum eines jeden Muslims sei, so wie jeder andere New Yorker
       behandelt zu werden. Das gelte auch für ihn selbst.
       
       Das war eine bemerkenswerte Abkehr von einem Wahlkampf, in dem sich Mamdani
       [2][ganz auf ein Thema konzentriert] hatte, das vielen New Yorkern auf den
       Nägeln brennt: die hohen Lebenshaltungskosten in der teuersten Stadt der
       USA. Mamdani verspricht einen Mietendeckel, schnellere und kostenlose Busse
       und günstigere Kinderbetreuung. Er bezeichnet sich als demokratischen
       Sozialisten und führte einen massiven Haustürwahlkampf, [3][ähnlich wie
       zuletzt die Linkspartei in Deutschland].
       
       Die meisten Strategen hätte Mamdani wohl nahegelegt, auf der Zielgraden
       jede Kontroverse zu vermeiden und bei den Themen zu bleiben, die den
       größten Massenappeal haben. Doch Mamdani zog es vor, auf die schmutzigen
       Anwürfe zu reagieren, die in den letzten Tagen der Wahlschlacht um die New
       York City Hall in Manhattan stark zugenommen hatten, und offensiv Contra zu
       geben.
       
       ## Eine postkoloniale Familie
       
       Mamdani ist antimuslimischer Rassismus nicht fremd. Er sei „im Schatten des
       11. Septembers“ aufgewachsen, sagt er, auch wenn er zum Zeitpunkt der
       Anschläge erst neun Jahre alt war. Als Sohn der indischen Filmemacherin
       Mira Nair („Monsoon Wedding“) und des Anthropologen Mahmood Mamdani wuchs
       er in einem rassismuskritisch und postkolonial geprägten Haushalt auf.
       
       Sein Vater schrieb unter anderem das Buch „Guter Moslem, böser Moslem“ über
       „Amerika und die Wurzeln des Terrors“, [4][das 2006 auf Deutsch erschien].
       Intellektuelle wie Edward Said und Rashid Khalidi waren regelmäßig bei der
       Familie zu Gast.
       
       Auch der Nahostkonflikt beschäftigt ihn schon lange. Mamdani Junior
       gründete am College die Vereinigung „Students for Justice in Palestine“ und
       protestierte schon vor dem 7. Oktober 2023 gegen israelische Angriffe auf
       den Gazastreifen und im Westjordanland.
       
       Als Abgeordneter seines Bundesstaats brachte er einen Gesetzentwurf ein,
       der die Unterstützung illegaler israelischer Siedlungen untersagen sollte.
       Aus Protest gegen Israels aktuellen Krieg in Gaza führte er einen
       fünftägigen Hungerstreik vor dem Weißen Haus an und schloss sich einer
       Sitzblockade der Jewish Voice for Peace vor dem Haus des demokratischen
       Senators Chuck Schumer an.
       
       Es gibt nachvollziehbare Gründe, Mamdanis Kandidatur kritisch zu sehen. Der
       34-Jährige ist politisch noch relativ unerfahren, und wie er seine
       Versprechen einlösen will, ist unklar. Man muss auch seine Haltung zu
       Israel und Palästina nicht teilen. Die Kritik an seiner Kandidatur war aber
       von Anfang an von massiven antimuslimischen Untertönen geprägt. Und in den
       letzten Tagen wurde diese Töne immer schriller.
       
       ## Das Zerrbild vom gefährlichen Muslim
       
       Mal Kommunist, mal Islamist – kein Zerrbild war seinen Gegnern zu absurd.
       Die einen deuteten an, Mamdani sympathisiere mit Terroristen oder sei sogar
       selbst einer. Andere suggerierten, Jüdinnen und Juden müssten
       Diskriminierung und sogar Gewalt fürchten, sollte Mamdani zum Bürgermeister
       gewählt werden.
       
       Eine [5][Analyse des Center for the Study of Organized Hate (CSOH)] kam zu
       dem Ergebnis, dass insbesondere die Plattform X mit antimuslimischem Hass
       gegen Mamdani überschwemmt wurde: Fast drei Viertel aller Postings dort
       porträtierten ihn als extremistische und terroristische Gefahr.
       
       Schon [6][als Mamdani im Sommer überraschend die demokratischen Vorwahlen
       gewann], wurde er rassistisch attackiert. Rechte Politiker und Influencer
       diffamierten ihn als „kleinen Mohammed“, warfen ihm vor, in New York die
       Scharia einführen zu wollen, und brachten seinen Sieg mit den
       Terroranschlägen des 11. September in Verbindung.
       
       Marjorie Taylor Greene, die rechtsextreme Kongressabgeordnete aus Georgia,
       postete in den sozialen Medien ein Foto der Freiheitsstatue in einer
       schwarzen Burka. Ihr Parteifreund Randy Fine aus Florida unkte, Mamdani
       wolle in New York ein Kalifat errichten. Die [7][Trump-Beraterin Laura
       Loomer, eine eifernde Islamhasserin], behauptete, Mamdani werde
       „buchstäblich von Terroristen unterstützt“. Rechte Medien wie Fox TV und
       die New York Post bliesen ins gleiche Horn.
       
       Aber die Anwürfe kamen [8][nicht nur aus der republikanischen Partei] und
       deren Sprachrohren. Die Autorin Jill Kargman schrieb in der New York Times,
       Mamdanis Erfolg bei den Vorwahlen zeige, „dass Judenhass jetzt in Ordnung“
       sei, und verglich ihn mit der „Reichskristallnacht“ in Nazideutschland. Der
       rechte Venture-Kapitalist-Aktivist Shaun Maguire bezeichnete Mamdani als
       „Islamisten“, der „aus einer Kultur stammt, die über alles lügt“.
       
       Auch in seiner eigenen Partei beteiligten sich manche an der
       Schlammschlacht. New Yorks Noch-Bürgermeister Eric Adams behauptete,
       Mamdani und seine Anhänger wollten „Kirchen anzünden“, und Mamdanis
       Konkurrent Andrew Cuomo, der ehemalige demokratische Gouverneur von New
       York, stimmte lachend zu, als ein konservativer Radiomoderator Mamdani in
       seiner Sendung unterstellte, dieser würde einen weiteren 11. September
       begrüßen. Sie alle zeichneten eine rassistische Karikatur von Mamdani.
       
       ## Ein jüdisch-muslimischer Melting Pot
       
       Immer wieder musste Mamdani sich im Wahlkampf zu seiner Haltung gegenüber
       Jüdinnen und Juden, zu Antisemitismus, zur Hamas, zum 7. Oktober und zu
       Israels Existenzrecht äußern. Immer wieder reagierte er darauf mit
       stoischer Freundlichkeit.
       
       Das Thema ist in New York von besonderer Bedeutung, denn die Stadt gilt als
       Melting Pot und größte jüdische Metropole außerhalb Israels – zwischen 1,7
       und 2,2 Millionen Menschen jüdischer Herkunft leben in der Stadt und der
       weiteren Metropolregion. In Brooklyn ist eine große ultraorthodoxe Gemeinde
       zu Hause, die eigene Geschäfte, Schulen und Synagogen betreibt.
       
       Gleich mehrere Rabbinerinnen und Rabbiner bezeichneten Mamdani als „Gefahr
       für jüdische Gemeinschaft“. Zugleich konnte Mamdani auf prominente jüdische
       Unterstützerinnen und Unterstützer zählen, darunter den TV-Satiriker Jon
       Stewart, den Schauspieler Mandy Patinkin (bekannt aus der Serie „Homeland“)
       und dessen Frau Kathryn Grody, [9][den Journalisten Peter Beinart] und die
       Feministin Gloria Steinem, den Ökonomen Robert Reich sowie seinen
       Parteifreund Bernie Sanders.
       
       Außerdem leben in New York City etwa eine Million Muslime – fast ein
       Viertel der gesamten muslimischen Bevölkerung des Landes. Viele von ihnen
       finden sich in ihm wieder, für manche ist er eine Identifikationsfigur.
       
       Mamdani sei „das Paradebeispiel für die Doppelmoral, mit der Muslime in
       Amerika heute konfrontiert sind“, schrieb die Journalistin Meher Ahmad in
       der New York Times. Aber viele US-Amerikaner würden antimuslimischen
       Rassismus nicht erkennen, selbst wenn er so offensichtlich ins Auge
       springt, sondern hielten ihn für eine ganz normale Einstellung, monierte
       sie. Dabei ist es alles andere als harmlos, wenn ein US-Hollywoodstar wie
       James Wood zu einem Foto von Mamdani auf X schreibt, er solle „zurück nach
       Uganda, du grinsendes Reptil“.
       
       ## Ausbürgerungs- und Abschiebefantasien
       
       Mamdani wurde in Uganda geboren, weshalb einige besonders radikale Stimmen
       nun sogar seine Ausbürgerung und Abschiebung fordern. Andere insinuieren,
       er habe gelogen, als er die US-Staatsbürgerschaft beantragte. Das ist ein
       Echo der Vorwürfe, mit denen sich schon Barack Obama konfrontiert sah, als
       er US-Präsident war. Obama sah sich 2011 gezwungen, seine Geburtsurkunde zu
       veröffentlichen, um Gerüchten entgegenzutreten, er sei kein gebürtiger
       US-Amerikaner.
       
       Die Lage hat sich seitdem verschärft. Schon nach den Anschlägen vom 11.
       September 2001 wurden Muslime aus den USA abgeschoben und unter
       Generalverdacht gestellt. Donald Trumps Vorgehen geht inzwischen aber weit
       über das Einreiseverbot für Muslime aus seiner ersten Amtszeit hinaus.
       
       Nach dem 7. Oktober 2023 wurden muslimische Studierende, die gegen den
       Krieg in Gaza protestiert oder auf Social Media Kritik gepostet hatten, auf
       den Straßen von New York und in anderen Städten festgenommen und
       inhaftiert, die Regierung will sie ausweisen. Und inzwischen fordern manche
       Republikaner offen, US-amerikanische Staatsbürger wie [10][die
       demokratische Abgeordnete Ilhan Omar] auszubürgern und abzuschieben.
       
       Barack Obama hat sich im Wahlkampf zuletzt hinter Mamdani gestellt, während
       sich Trump für dessen demokratischen Gegenspieler Cuomo aussprach. Mamdani
       selbst besuchte dagegen auf den letzten Metern seines Wahlkampfs am
       Halloween-Wochenende noch einige New Yorker Diskotheken und Gay Bars und
       ließ sich dort feiern. Lässiger kann man die antimuslimischen Klischees
       nicht an sich abprallen lassen.
       
       4 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
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