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       # taz.de -- Bundesligist Hannover vor Umbruch: Wieder ein Jahr Handball-Wundertüte
       
       > Die TSV Hannover-Burgdorf vollzieht den nächsten Umbruch im Kader. Ob es
       > vor dem übernächsten zum Angriff auf Europa reicht, ist fraglich.
       
   IMG Bild: Kehrt Hannover den Rücken: Fabian Böhm
       
       Hamburg taz | Ein Spiel Anfang April in Berlin, Sonntagnachmittag: Die TSV
       Hannover-Burgdorf hält beim Champions-League-Anwärter in der Hauptstadt
       überraschend gut mit, lässt sich nicht abschütteln, nimmt den Füchsen am
       Ende beim 32:32 einen Punkt weg.
       
       Das Team von [1][Trainer Christian Prokop] wirkt wie eine gute Mischung aus
       Alt und Jung; die traditionell gute Nachwuchsarbeit der Burgdorfer zahlt
       sich aus, denn gleich einige Spieler von 22, 23 Jahren stehen im Kader der
       Hannoveraner – mehr als das: Akteure wie Spielmacher Veit Mävers bewegen
       sich schon im Dunstkreis der Handball-Nationalmannschaft, auch die jungen
       Rückraumspieler Hannes Feise und Martin Hanne sammeln wichtige
       Bundesliga-Minuten. Hinten halten die Routiniers Ilija Brozović und Bastian
       Roschek den Laden zusammen.
       
       Doch die erfolgreichen Ausflüge ins Reich der Spitzenteams haben sich in
       dieser nun endenden Bundesliga-Saison mit üblen Tiefschlägen abgewechselt.
       So verlor Prokops Mannschaft am Donnerstag 20:21 beim Absteiger Lübbecke.
       Der Trainer und Sportchef Sven-Sören Christophersen waren bedient. Eine
       Spielzeit am Rande der Abstiegszone endet nach einem 26:26 im letzten
       Heimspiel gegen Leipzig am Sonntag auf Platz 13 – das hatte man sich in
       Hannover anders vorgestellt.
       
       Natürlich war es kompliziert für Prokop, [2][die Ära nach Carlos Ortega
       einzuläuten]. Der stille Spanier hatte das Maximale aus der TSV
       herausgeholt und folgte 2021 dem Ruf des FC Barcelona. Vom Etat her gehört
       Burgdorf nicht in die Spitzenriege der Liga, und das ewige Gezerre um die
       Hallennutzung auf dem Gelände der Expo vom Jahr 2000 und der lange währende
       Streit mit deren Besitzer Günter Papenburg band zusätzlich Kräfte. Aus
       diesen misslichen Rahmenbedingungen machten Ortega und Christophersen
       nahezu Optimales. Die Plätze sechs und vier in den Spielzeiten 2017/18 und
       2019/20 waren echte Statements aus Hannover.
       
       ## Nach der Ära Ortega war es schwer
       
       Doch schon zu Ortegas Zeiten folgte auf eine gute Saison meist eine
       schwächere, was auch an prominenten Abgängen lag. Hannover fehlt die
       Stetigkeit, und die Transferpolitik ist schwierig zu durchschauen. Von
       langer Hand geplant, wie so vorbildlich in Magdeburg geschehen, wirkt bei
       der TSV wenig.
       
       Prokop will den spanischen Stil Ortegas verändern: Die ganze Mannschaft ins
       Spiel einbinden, weniger in der Kleingruppe agieren, dazu mehr Tempo, mehr
       Dynamik einbauen, was ja nahe liegt, wenn so viele junge Spieler im Kader
       stehen. Sicher braucht man dafür länger als eine Saison, weswegen es für
       ein Urteil zu früh ist. Doch vom guten Gefühl, Hannover sei genau der
       richtige Arbeitsplatz für den ehemaligen Bundestrainer, weil er so gut mit
       jungen Leuten könne, ist einiges weggebrochen.
       
       ## Prokop hat sich eine deutliche Sprache zugelegt
       
       Die ganze Saison war ein Auf und Ab mit vielen Enttäuschungen und wenigen
       Höhenflügen wie den Siegen in Mannheim und Melsungen, und der Abstand zur
       Spitze ist größer geworden. Kurios dabei: Sogar innerhalb eines Spieles
       mischen sich bei der TSV große Momente mit peinlichen Patzern wie zuletzt
       beim knappen Sieg gegen Erlangen. Längst hat der sanfte Prokop sich eine
       deutliche Sprache zugelegt, um die Zustände in seiner Mannschaft zu
       beschreiben. Vor drastischer Kritik scheut er nicht zurück. Prokop ist mit
       seiner Frau und den beiden Kindern aus Leipzig nach Hannover gezogen. Er
       weiß, dass in der Bundesliga keine Verträge auf Lebenszeit ausgestellt
       werden. Mit Blick auf seine Vertragssituation hält er sich bedeckt, was
       Ziele mit Hannover angeht. Sowohl er als auch Sportchef Christophersen
       haben Arbeitspapiere bis zum 30. Juni 2023 unterschrieben.
       
       Nun folgt der nächste Umbruch, denn sechs Spieler verlassen den Klub,
       darunter etablierte Akteure wie Rückraum-Linkshänder Ivan Martinović; er
       geht zur MT Melsungen. Auch langjährige Leistungsträger wie Fabian Böhm,
       Ilija Brozović, Nejc Cehte und Torhüter Urban Lesjak suchen andere
       Aufgaben. „Wir wollen neue Impulse setzen“, hat Christophersen dazu gesagt.
       Mit Marius Steinhauser aus Flensburg für Rechtsaußen Johan Hansen und
       Torwart Dario Quenstedt aus Kiel kommt viel Erfahrung; der Kapitän des
       deutschen Juniorennationalteams Renārs Uščins auf halbrechts ist ein
       spannender Spieler, den Prokop entwickeln soll. Und auch Branko Vujović als
       Linkshänder im Rückraum ist ein gewitzter Transfer, er kommt vom polnischen
       Serienmeister Vive Kielce.
       
       Man kann sich also durchaus eine unterhaltsame TSV-Mannschaft für die
       Saison 2022/23 vorstellen. Allerdings kommt sehr viel Arbeit auf Christian
       Prokop zu, denn eingespielt wird zunächst einmal sehr wenig sein. Und
       schaut man sich die Vertragslaufzeiten der verbleibenden Spieler an, könnte
       es sein, dass 2023 die nächste Veränderungswelle durch den Kader geht.
       
       Die TSV Hannover-Burgdorf wollte immer mehr sein als eine
       Handball-Wundertüte; es sollte sich in Richtung Europa bewegen. Danach
       sieht es derzeit allerdings nicht aus.
       
       13 Jun 2022
       
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