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       # taz.de -- Bundestagsabgeordnete in Brasilien: Einmal WM und zurück
       
       > Thomas de Maizière wird das WM-Achtelfinale der Nationalmannschaft
       > besuchen. Sinnlos und überflüssig finden das die meisten Deutschen.
       
   IMG Bild: Als Sportminister war Thomas de Maizière auch bei den Winterspielen in Sotschi vor Ort. Am Montag geht's zur WM nach Porto Alegre.
       
       BERLIN taz | Sie kam, sah und jubelte. Angela Merkel riss im ersten
       WM-Vorrundenspiel wie immer auf unbeholfene Art die Arme in die Höhe. Grund
       zum Torjubel hatte sie beim 4:0 gegen Portugal gleich mehrmals. Doch hätte
       Frau Merkel das Spiel nicht auch einfach im Kanzleramt schauen können?
       
       Viele Deutsche stellten sich diese Frage. Laut einer repräsentativen Studie
       der Universität Hohenheim halten 71 Prozent der Deutschen diesen Besuch für
       sinnlos. Auch die für Montag geplante Reise des Innenministers Thomas de
       Maizière zum Achtelfinale in Porto Alegre werden viele Menschen kritisch
       sehen. 77 % Prozent der 929 Befragten erachteten den Besuch als „völlig
       überflüssig“.
       
       Auf Anfrage der taz ließ das Innenministerium verlauten, dass de Maizière
       in seiner Funktion als Sportminister reise. Politische Gespräche seien im
       Rahmen seines Besuches nicht geplant. Vor Ort werde de Maizière am 30. Juni
       und 1. Juli jedoch verschiedene Projekte besuchen.
       
       Dazu gehört der BigShoe e.V., eine Ärzte-Initiative, die im Rahmen großer
       Fußballereignisse medizinische Hilfe für unterversorgte Kinder leistet.
       Weiterhin wird der Innenminister eine Fußball-Ausstellung im Goethe
       Institut, ein Sportcamp der Deutschen Gesellschaft für Internationale
       Zusammenarbeit sowie die SAP Labs Latin America besuchen.
       
       ## De Maizière fliegt Linie
       
       Anders als Angela Merkel wird de Maizière via Linienflug reisen. Nach einem
       Bericht des Handelsblatts flog die Bundeskanzlerin mit dem
       Regierungs-Airbus A340 nach Brasilien, welcher laut Steuerzahlerbund etwa
       12.000 Euro pro Flugstunde verschlingt.
       
       Die Ausgaben seien jedoch gerechtfertigt. Gegenüber dem [1][Handelsblatt]
       sagte Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, dass es sich
       nicht um eine lustige Reise gehandelt hätte, „sondern um ein Programm, das
       deutlich macht, dass die WM eben nicht nur ein sportliches, sondern auch
       ein politisches Weltereignis ist.“
       
       Zu der kleinen Delegation zählten Bundestagsabgeordnete unterschiedlichster
       Parteicouleur. Auf Einladung der Kanzlerin waren Karl Schiewerling (CDU)
       und Max Straubinger (CSU) dabei. Für die SPD war Fraktionschef Thomas
       Oppermann mit an Bord.
       
       Nur die Grünen schlugen als einzige Bundestagsfraktion das Angebot aus,
       einen Abgeordneten nach Brasilien zu schicken. Aus „terminlichen Gründen“,
       wie sie später verlauten ließen. Es wird vermutet, dass sie zunächst
       abwarten wollten, wie sich die anderen Parteien dazu positionieren würden.
       
       ## „Ich bin Fußballfan“
       
       Unter Rechtfertigungsdruck stand vor allem Dietmar Bartsch, 2.
       Stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Die Linke. Angeblich soll er
       als erster für die Reise zugesagt haben. Noch wenige Tage vor dem Spiel
       bekannte er in einer Kolumne: „Hier stehe ich, kann und will nicht anders
       und bekenne: [2][Ich bin Fußballfan] und freue mich auf die bevorstehende
       Weltmeisterschaft.“
       
       Einerseits kritisierte Bartsch den „Gigantismus solcher
       Großveranstaltungen“, doch wolle er sich andererseits nicht von dem
       völkerverbindenden Ansatz der olympischen Idee verabschieden – auch wenn
       manche ihn deshalb einen treuherzigen Träumer nennen würden.
       
       Im Anschluss an den Ausflug schrieb Bartsch einen knappen [3][Bericht über
       seine Reise]. Am meisten hätte ihn das Treffen mit Vertreterinnen und
       Vertretern der brasilianischen Protestbewegung beeindruckt. Diese wären
       ausgesprochen angetan davon gewesen, dass deutsche Parlamentarier sich für
       ihre Probleme interessieren würden.
       
       Gleichzeitig müsse man konstatieren, dass es in Brasilien weiterhin viele
       soziale und andere Probleme gäbe und der Protest sich auch mit Forderungen
       nach einer funktionierenden Infrastruktur, nach besseren
       Bildungsmöglichkeiten und Wohnbedingungen verbinde.
       
       ## „Gut für das politische Klima“
       
       Bartschs Fazit: „Ich bin der Auffassung, dass eine Einladung der
       Bundeskanzlerin an alle Fraktionen in der Regel wahrgenommen werden sollte.
       Viele Jahre haben wir für die Akzeptanz unserer Partei und Fraktion
       gekämpft. Wenn sie nun praktiziert wird, sollten wir uns nicht
       verschließen. Meines Erachtens ist es gut für das politische Klima, wenn
       sich Abgeordnete verschiedener Fraktionen auch außerhalb des Bundestages
       begegnen.“
       
       Bei Facebook fielen die Reaktionen auf diesen Bericht gespalten aus. Manche
       hielten die Reise für angemessen, andere urteilten kritischer: „Sich mit
       MdBs anderer Fraktionen außerhalb des Bundestags treffen, das kann man auch
       günstig in Berlin – und die Interessen brasilianischer Gewerkschaften
       sollten nicht nur dann eine Rolle spielen, wenn grad ein Fussballspiel
       stattfindet.“
       
       Je nachdem, wie sich die deutsche Mannschaft im Laufe des Turniers noch
       schlägt, werden womöglich weitere Politikerbesuche folgen. Sollte es für
       eine Finalteilnahme reichen, würden sie nicht mehr als überflüssig
       angesehen. „Der Bundespräsident ist nach Auffassung der Mehrzahl der
       Deutschen (62 Prozent) ein gewünschter politischer Unterstützer der
       deutschen Nationalelf in einem möglichen Finale“, sagt Prof. Dr. Markus
       Voeth, Leiter der WM-Studie der Universität Hohenheim.
       
       Auch einen Finalbesuch von Angela Merkel würden 74 Prozent sinnvoll finden.
       Vermutlich würde sie dann auch wieder die Kabine der Nationalmannschaft
       aufsuchen. Nach dem Portugal-Spiel ließ sich die Bundeskanzlerin dort mit
       der Mannschaft ablichten. Lukas Podolski nutzte die Chance, ein [4][Selfie
       mit der Bundeskanzlerin] zu machen. Der Innenminister könnte sich am Rande
       des Achtelfinales ein Kabinen-Selfie mit Nationalspieler Sami Khedira
       vorstellen. „Wenn er mich da ran lässt“, sagte er.
       
       30 Jun 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/leer-flug-nach-brasilien-aufregung-um-merkels-wm-abstecher/10057372.html
   DIR [2] http://linksfraktion.de/kolumne/sozialismus-gruenem-rasen/
   DIR [3] http://dietmar-bartsch.de/wp-content/uploads/2014/06/Eine-Nacht-in-Brasilien.pdf
   DIR [4] http://instagram.com/p/pURMw6OJ_l/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Wedig
       
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