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       # taz.de -- Bundestrainerin über Frauenfußball-WM: „Wir wollen zurück an die Spitze“
       
       > Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg möchte bei der Fußball-WM weit
       > kommen. Sie warnt aber auch: „Wer weit oben ist, hat eine größere
       > Fallhöhe“.
       
   IMG Bild: „Im Vergleich zu anderen Sportarten haben wir in unserem Verband sehr viel Support“
       
       taz: Frau Voss-Tecklenburg, in einem Werbespot der Nationalmannschaft
       halten Sie entspannt [1][das Kaffeeservice, das es 1989 nach dem ersten
       EM-Titel als Prämie gab.] Haben Sie das Set noch? 
       
       Martina Voss-Tecklenburg: Ja, das wird bei uns tagtäglich benutzt. Mein
       Ehemann nimmt das immer aus dem Schrank.
       
       Dann war [2][diese oft verspottete Würdigung seitens des Deutschen
       Fußball-Bundes (DFB)] doch werthaltiger als gedacht? 
       
       Ich empfinde es so. Es war auch mein erster Titel mit der
       Nationalmannschaft, und das ist meine Erinnerung daran. Mein Service ist
       leider total unvollständig, denn ein Teil steht in Köln, ein Teil in
       Dortmund im Fußballmuseum, und ein Teil war wohl mal in Nürnberg. Aber es
       ist trotzdem im Alltag im Hause Voss-Tecklenburg gut integriert.
       
       Der betreffende Clip hat siebenstellige Zugriffszahlen in den sozialen
       Netzwerken. Was haben Sie bei der Passage gedacht, in der es über die
       DFB-Frauen heißt: [3][„Wir haben keine Eier – wir haben Pferdeschwänze“?]
       
       Wir saßen im Februar zusammen, als Uwe Hellmann (Leiter Brand Management
       Commerzbank; Anm. d. Red.) uns das Skript vorgestellt hat und wissen
       wollte: ‚Könnt ihr da mitgehen?‘ Dieser Satz war mir ehrlich gesagt lange
       gar nicht mehr präsent, bis ich dann im Mai das Ergebnis gesehen habe. Da
       dachte ich nur: Wow! Und je häufiger ich es mir ansah, konnte ich sagen:
       Ja, das sind wir.
       
       Hilft denn so ein selbstironischer Ansatz, um die Akzeptanz zu erhöhen? 
       
       Es soll einfach anerkannt werden, dass wir Fußball spielen. Und wer eine
       Nation vertritt, erwartet auch, unabhängig von der Sportart, unterstützt zu
       werden.
       
       Eine breitere Öffentlichkeit schaut aber nur bei Großereignissen
       Frauenfußball. 
       
       Es geht nicht nur uns so. Wir haben bei der Handball-WM im Winter alle der
       deutschen Mannschaft die Daumen gedrückt. Wenn wir jetzt im Sommer eine
       tolle sportliche Leistung bringen, können wir einen Transfer zurück in die
       Frauen-Bundesliga bewirken …
       
       … wo der Zuschauerschnitt jetzt bei rund 800 liegt. 
       
       Im normalen Ligabetrieb müssen wir uns im internationalen Vergleich aber
       gar nicht verstecken. Da haben England, Frankreich, Spanien oder Italien im
       Durchschnitt auch nicht mehr Zuschauer, aber sie haben es durch spezielle
       Events geschafft, neues Interesse zu wecken. Wir waren mit dem deutschen
       Frauenfußball sehr weit vorne. Viele Nationen haben auf uns geschaut oder
       haben sich etwas abgeschaut. Wer weit oben ist, hat eine größere Fallhöhe.
       
       Was muss denn gegen eine Stagnation getan werden? 
       
       Zum Frauenfußball locken wir keinen Zuschauer, wenn er keine Atmosphäre
       vorfindet und kein Dach überm Kopf hat. Für mich ist die SGS Essen ein
       positives Beispiel: Früher haben sie Frauen-Bundesliga vor 400 Zuschauern
       gespielt, dann haben sie es mit Unterstützung von Stadt und Politik
       geschafft, ins Stadion von Rot-Weiss Essen zu ziehen. Man sitzt komfortabel
       auf der Haupttribüne, kann sich im VIP-Raum Kaffee und Kuchen holen – und
       plötzlich kommen permanent an die 1.000 Zuschauer.
       
       Nationaltorhüterin Almuth Schult hat die mangelnde Rückendeckung in vielen
       Bereichen beklagt. War ihre Kritik richtig? 
       
       Almuth vertritt als meinungsstarke Spielerin ihre Haltung. Ich möchte
       allerdings eine differenzierte Betrachtung. Im Vergleich zu anderen
       Sportarten haben wir in unserem Verband sehr viel Support.
       
       [4][In Norwegen haben die Spielerinnen dieselbe Prämie wie die Männer
       verlangt,] in den USA tobt deswegen sogar ein juristischer Streit. 
       
       Wenn wir das aber auf Deutschland übertragen, würden wir Äpfel mit Birnen
       vergleichen. Die US-Spielerinnen schließen Verträge mit dem Verband, das
       ist also eine völlig andere Struktur. In Skandinavien ist es grundsätzlich
       eine andere Situation, was Themen wie die Gleichstellung der Frau in der
       Gesellschaft angeht.
       
       Das erste Gruppenspiel gegen China Ihrer Nationalmannschaft war
       ursprünglich mal für 21 Uhr angesetzt. Am selben Abend bestreitet nun aber
       die Männer-Nationalmannschaft ihr EM-Qualifikationsspiel in Weißrussland.
       Die Frauen mussten weichen. 
       
       Aber nicht, weil unsere Männer am selben Tag spielen! Die Fifa hat noch am
       selben Abend nach der Auslosung gesagt, dass sie die Verlegung wegen des
       asiatischen Markts möchte, sonst würde das Spiel in China mitten in der
       Nacht laufen. Dieser Anstoß kam nicht von uns.
       
       Sie geben als Bundestrainerin ein gutes Beispiel ab, die Trennlinien im
       Fußball zwischen Männern und Frauen zu durchschneiden. Sie sitzen auch im
       Aufsichtsrat von Fortuna Düsseldorf. 
       
       Dort ist es egal, ob ich eine Frau oder ein Mann bin. Das ist aber nicht
       vom Himmel gefallen, sondern ich bin da reingewachsen. Wenn ich davon
       überzeugt bin, dass ich gewisse Dinge gut kann, biete ich einen Mehrwert
       für die anderen. Bei anderen Themen nehme ich mich zurück, die nicht in
       meine Kernkompetenz fallen. Ich habe diese Nebentätigkeit nicht angenommen,
       weil ich eine Profilneurose habe, sondern weil ich es für mich als
       Bereicherung ansehe.
       
       Beim SV Straelen haben Sie als Trainerin mit Männern gearbeitet. Wie lief
       das? 
       
       Offiziell war ich Teammanagerin, aber tatsächlich die Trainerin. Mit meinem
       Mann zusammen sind wir dann in die Oberliga aufgestiegen. Ich hatte damals
       drei Ex-Profis im Team, die natürlich einen Anspruch hatten. Ein halbes
       Jahr später übernahm ich die zweite Mannschaft, nachdem dort der Trainer
       aufhörte und ich zufällig am Sportplatz stand.
       
       Das war nicht im Leistungsbereich. 
       
       Bezirksklasse. Ich sollte für die letzten neun Spiele helfen. Dann kam das
       erste Training und nur sechs, sieben Spieler kamen. Beim zweiten Training
       waren zwölf und beim dritten dann 18. Die sind dann immer gekommen, und wir
       sind dringeblieben. Es gab keine Akzeptanzprobleme.
       
       Sie haben jetzt die Erwartungen für das DFB-Team, immerhin
       Weltranglistenzweiter mit der Olympiaqualifikation (drei europäische Teams
       qualifizieren sich) eher verhalten angesetzt. 
       
       Weil wir uns in einer Umbruchsituation mit vielen jungen Spielerinnen
       befinden, von denen 15 ihre erste Frauen-WM spielen. Wir wollen zurück in
       die Weltspitze, aber ich bin der festen Überzeugung, dass sechs bis acht
       Mannschaften die Chance haben, Weltmeister zu werden.
       
       5 Jun 2019
       
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   DIR Frank Hellmann
       
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