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       # taz.de -- Bunte Ligen: Fußball ohne DFB
       
       > In den alternativen Ligen geht man anders mit der Krise um. Auf
       > SpielerInnen und Gesundheit wird geachtet. Bringt Corona dem bunten
       > Fußball Zulauf?
       
   IMG Bild: Da, wo der Fußball noch echt ist? Oder wieder? Freizeitkick in England
       
       Die Bunte Liga Regensburg hat gerade auf Saisonabbruch entschieden. „Wir
       haben eine Verantwortung für die Gesundheit der SpielerInnen und ihrer
       Familien“, sagt Claudia Bernhard, Gründungsmitglied und erste Vorsitzende
       der alternativen Liga mit derzeit 700 Mitgliedern aus 45 Nationen. Sätze,
       die man [1][aus der DFL nicht hört]. „Ich verstehe, dass viele Gelder
       wegfallen, aber warum müssen die Profivereine das auf dem Rücken der
       FußballerInnen austragen? Sie hätten die SpielerInnen fragen müssen: Wollt
       ihr spielen, könnt ihr?“ Bernhard sagt: „Unsere Organisationsform ist näher
       am Menschen, weil man ihn miteinbezieht.“ Weil man ihn fragt.
       
       Wer die 2004 gegründete Bunte Liga Regensburg für eine einzelne kuriose
       Blüte hält, täuscht sich; es gibt ihrer viele. Ab 1976 gründeten sich in
       Westdeutschland die Wilden oder Bunten Ligen aus der linken Szene heraus,
       freie Ligen ohne Verband, und ihre Motive waren jenen in Regensburg
       ähnlich: Skepsis gegenüber Leistungsdenken, Hierarchien und Konkurrenz,
       Kritik an Verbänden wie dem DFB, ein linkes politisches Selbstverständnis.
       Bis heute sind viele Bunte Ligen basisdemokratisch und selbst organisiert.
       TrainerInnen und Schiris gibt es nicht, die Organisation läuft im Ehrenamt.
       Ohne Geld, glaubt Bernhard, läuft auch ein Saisonabbruch friedlicher.
       
       Eine einfache Geschichte von Kommerz gegen Mitsprache aber ist das hier
       nicht. Auch in der Bunten Liga Regensburg gab es an der Basis andere
       Wünsche: Das Plenum der TeamkapitänInnen wollte weiterspielen. Der Vorstand
       entschied dennoch dagegen. „Wenn die FußballerInnen nicht in
       Eigenverantwortung einen Abbruch beschließen können, müssen wir dafür
       sorgen, dass ihnen nichts passiert“, glaubt Claudia Bernhard. Kurios
       umgekehrte Standpunkte im Vergleich zu den Profis.
       
       ## Es braucht keinen schreienden Trainer
       
       Wenn Volkmar Lucius in der Bunten Liga Berlin das Team Halbe Lunge begrüßt,
       fragt er stets: „Halbe Lunge links oder Halbe Lunge rechts?“ „Halbe Lunge
       links“, ist die Antwort. Natürlich ist das politisch gemeint, auch wenn in
       der Liga mittlerweile alle Meinungen jenseits der braunen vertreten seien.
       Volkmar Lucius ist erster Vorsitzender und Gründungsmitglied, und am
       Samstag wird er erstmals auf dem Platz stehen. Acht Menschen sind in Berlin
       dann auf dem Feld gestattet. Lucius ärgert sich über die Sonderbehandlung
       des Profifußballs und sagt zugleich: „Ich bin der Meinung, dass die
       Sportplätze vom ersten Tag an hätten aufmachen sollen. Es ist die
       schlechteste Variante, jungen Leuten Bewegung zu verwehren.“
       
       Corona, glaubt Lucius, werde den Sport verändern. Die Leute sähen jetzt,
       dass sie keinen schreienden Trainer bräuchten, um Sport zu treiben. „Die
       Wilden Ligen werden nach Corona mehr Zulauf erhalten. Auch weil die Leute
       heute keine Zeit mehr haben, sich im Vereinsfußball zu organisieren.“
       
       ## „Basisdemokratie ist in der Krise von Vorteil“
       
       Ohne Verband gibt es mehr Muße für Entscheidungen. Manche Liga ist
       unentschieden, wie es weitergeht, etwa die Wilde Liga Bielefeld. „Momentan
       ruht der Betrieb so dermaßen, dass ich gar nicht weiß, wie die anderen zu
       einem Abbruch stehen“, sagt Beate Wolff, die sich „Vornesitzende“ nennt.
       Anders als in manchen Alternativligen sind hier die Vornesitzenden nicht
       juristisch haftbar, es wird gemeinschaftlich entschieden. „Ich glaube,
       Basisdemokratie ist in der Krise eher ein Vorteil“, sagt Wolff. „Wir legen
       viel Wert auf hohe Eigenverantwortung der Teams. Das bedeutet auch
       Verantwortung für die Gesundheit der anderen Teams.“ Schon vor den
       offiziellen Verboten sagte die Wilde Liga ein Turnier ab.
       
       Wolff ist eine aus der Minderheit, denn in der Wilden Liga gibt es kaum
       Frauen. Vielleicht, denkt sie, weil der DFB die Frauen irgendwann stärker
       integrierte. „Da ist es für Frauen naheliegender, erst mal die ihnen
       bekannten Strukturen zu wählen.“ Ob sich die Sicht auf den Profifußball
       durch die Krise ändert? Da ist sie unentschieden. „Momentan ist schon zu
       beobachten, dass sich etwas ändert.“
       
       15 May 2020
       
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