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       # taz.de -- CDU-Anfragen zu NGOs: Neue Offensive gegen die Zivilgesellschaft
       
       > Im Saarland, in Meck-Pomm und Sachsen stellt die Union weitere Anfragen
       > wie auf Bundesebene. In Sachsen-Anhalt streicht sie mit der AfD schon
       > Fördergelder.
       
   IMG Bild: Die Omas gegen Rechts stehen im Fokus autoritärer Angriffe, obwohl sie weder gemeinnützig sind noch direkte Fördergelder bekommen
       
       Berlin taz | Die Unionsfraktion im Bundestag hat es vorgemacht, einzelne
       CDU-Landtagsfraktionen ziehen nun nach: Eine Umfrage der taz in den
       verschiedenen Ländern hat ergeben, dass die christdemokratischen Fraktionen
       in Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland nun ihrerseits Anfragen zur
       „politischen Neutralität“ von zivilgesellschaftlichen Organisationen
       gestellt haben. Die Unionsfraktion im Bundestag hatte kürzlich in [1][551
       vom „tiefen Staat“ raunenden Fragen gegen linke NGOs] mobilgemacht.
       
       So bestätigte die Fraktion im Saarland der taz am Montag, dass sie gerade
       eine ähnliche Anfrage auf den Weg gebracht habe. Näheres wollte die
       Fraktion am Montag noch nicht verraten. In Mecklenburg-Vorpommern war man
       hingegen schon schneller: Gleich nach Bekanntwerden der CDU-Anfrage aus dem
       Bund legte die Fraktion aus dem Schweriner Landtag nach. Und das, obwohl
       die 551 Fragen für Friktionen in den Sondierungsgesprächen mit der SPD,
       breite gesellschaftliche Empörung und [2][offene Briefe aus der
       Wissenschaft] gesorgt hatten.
       
       In Sachsen wiederum hat nicht die gesamte CDU-Fraktion eine Anfrage zum
       Thema gestellt, sondern die CDU-Abgeordnete Daniela Kuge. Sie fragt
       [3][konkret zur staatlichen Förderung des Vereins „Buntes Meißen“] in ihrem
       Wahlkreis. Interessant: Die CDU-Abgeordnete ist berüchtigt dafür, ein
       [4][erstaunlich gutes Verhältnis zum dortigen AfD-Stadtrat René Jurisch zu
       pflegen], einem [5][ehemaligem NPD-Mitglied] und Chef des „Vereins zur
       germanischen Brauchtumspflege Schwarze Sonne Meißen e. V.“. Die schwarze
       Sonne ist ein heute noch bei Neonazis gebräuchliches Symbol der SS. Der
       AfD-Stadtrat [6][schwadronierte kürzlich noch beim politischen
       Aschermittwoch über „zügellose Selbstbedienung“] und griff den Verein an –
       als „bunten, finanziell aufwendigen Meißner Lieblingsverein für
       gewaltfreies Töpfern“. Gegen „Buntes Meißen“ wirken Kuge und der
       Rechtsextreme nun zusammen.
       
       Der Fall zeigt: Der Angriff der CDU auf die kritische Zivilgesellschaft
       geht auf verschiedenen Ebenen weiter und richtet sich verstärkt gegen
       ohnehin schon unter Druck stehende demokratische Initiativen in Regionen,
       wo extrem rechte Parteien bereits bei 30 Prozent und teils deutlich darüber
       liegen. Auf kommunaler Ebene hat die Partei sogar bereits erste bewilligte
       Fördergelder für Demokratieprojekte gestrichen – [7][etwa in Bautzen,
       Sachsen], und in Salzwedel, Sachsen-Anhalt, [8][sogar in Zusammenarbeit mit
       der AfD].
       
       ## Gegen „Omas gegen Rechts“ Meck-Pomm
       
       Und auch in Mecklenburg-Vorpommern sieht die CDU offenbar
       Demokratie-Initiativen eher kritisch: Wie schon im Bundestag bezieht sich
       die CDU-Fraktion [9][in einer Anfrage] auf die „Omas gegen Rechts“
       Mecklenburg-Vorpommern. Zudem geht es explizit um die kritischen Proteste
       nach dem Tabubruch von CDU-Chef Friedrich Merz. Dieser hatte kürzlich auch
       auf AfD-Stimmen für einen migrationspolitischen Antrag der Union gesetzt.
       
       Der CDU-Landtagsabgeordnete Marc Reinhardt schreibt, Hintergrund der
       Anfrage seien „Proteste gegen die CDU Deutschlands“, und behauptet ohne
       Belege, dass diese „teils von gemeinnützigen Vereinen oder staatlich
       finanzierten Organisationen organisiert oder unterstützt wurden“. Der
       Abgeordnete, der bereits 2015 als [10][CDU-Rechtsausleger Merkels
       Flüchtlingspolitik kritisierte], will wissen, inwiefern zwischen 2021 und
       2025 staatlich geförderte Organisationen im Bundesland „politisch neutral“
       sind.
       
       Kritik kommt unter anderem vom [11][SPD-Generalsekretär
       Mecklenburg-Vorpommern, Julian Barlen], der sagte: „Ich empfinde das als
       einen Versuch, kritische Meinungen innerhalb der Demokratie einzuschüchtern
       und mundtot zu machen.“ Das sei eine gefährliche Entwicklung, die man aus
       autoritären Staaten wie Russland, Ungarn und auch von Trump aus den USA
       kenne.
       
       Hennis Herbst von der Linken kritisiert, es gehe der Union darum,
       unausgesprochen zu drohen, man könne den Vereinen die staatliche
       Unterstützung streichen. Herbst nannte die Anfrage der Union ein „Unding“:
       „Gerade diese NGOs sind es, die die Zivilgesellschaft zusammenhalten, die
       Projekte organisieren und die für Demokratie einstehen. Dass die AfD die
       angreift, ist wenig überraschend – aber dass auch die CDU jetzt diesen Kurs
       verfolgt, finde ich dramatisch.“
       
       ## AfD-Anfrage liest sich wie Feindesliste
       
       Tatsächlich geht die AfD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern noch deutlich
       weiter. Sie sekundierte kurz nach der Union am 3. März [12][mit einer
       Anfrage zu 89 lokalen überwiegend Anti-Rassismus-Initiativen], die sich wie
       eine Feindesliste liest. Darin will der AfD-Abgeordnete Thomas de Jesus
       Fernandes wissen, ob Antifa-Gruppen von „Anklam für alle“ bis „Wolgast
       Weltoffen“ Fördermittel bekommen.
       
       Wer die unlängst geleakten Gruppenchats von de Jesus Fernandes kennt, weiß,
       was er gerne mit seinen politischen Gegner*innen tun würde: In einer
       aufgeflogenen Chatgruppe antwortete de Jesus Fernandes auf Beiträge wie
       „und wenn jetzt auch noch die AfD scheitert, dann ist es eben gut, wenn man
       einen Schrank voller Gewehre in der Garage hat“, mit den Worten:
       [13][„Recht hat er!“]
       
       Doch diese Abgründe der AfD halten die Union in Sachsen-Anhalt längst nicht
       mehr davon ab, auf kommunaler Ebene zu kooperieren, wenn es gegen
       vermeintlich linke Vereine geht. Die Landtagsfraktion der CDU in Magdeburg
       will auf taz-Anfrage weder dementieren noch bestätigen, ob sie eine
       ähnliche Anfrage wie die Union im Bund plant.
       
       Auf kommunaler Ebene schafft die CDU in Sachsen-Anhalt unterdessen schon
       Fakten: Unter Mithilfe der AfD hat sie in Salzwedel im Altmarkkreis bereits
       [14][durch den Bund bewilligte Gelder für Demokratieprojekte gestrichen].
       Mit Stimmen der CDU, der AfD und einer „Freien Fraktion“ hat der Stadtrat
       hier vor anderthalb Wochen 700.000 Euro [15][Fördermittel für die Jahre
       2025 bis 2032 abgelehnt]. Die Gelder waren für Jugendbeteiligung und auch
       die Initiative „Miteinander e. V.“ gedacht, die verschiedene Projekte
       begleiten sollte. Ähnlich lief es bereits in Bautzen in Sachsen. Dort hatte
       der CDU-Landrat Udo Witschas, [16][der selbst immer wieder wie die AfD
       klingt], kurzerhand alleine das Bundesprogramm „Demokratie leben“ beerdigt
       und damit sogar [17][Fördergelder von 1,6 Millionen Euro bis 2032]
       gestrichen.
       
       ## Autoritäre Tradition
       
       Bislang sind das Einzelfälle. Zugleich gibt es Orte, in denen sich
       Kommunalpolitiker der Union an die Spitze von Demokratie-Initiativen
       stellen: [18][Wie etwa im Landkreis Dachau], wo sich CSU-Landrat Stefan
       Löwl kürzlich zum Vorsitzenden der Partnerschaft für Demokratie wählen ließ
       und die 551 Fragen der Union sehr kritisch sieht.
       
       Was sich aber feststellen lässt: Durch die Anfrage der Union im Bund fühlt
       man sich auch bei der AfD bemächtigt, weiter gegen politische Gegner
       nachzubohren. Die AfD Sachsen fragte unter derselben Überschrift wie die
       CDU im Bund zur „Politischen Neutralität staatlich geförderter
       Organisationen im Freistaat Sachsen“. Gestellt wurde die [19][AfD-Anfrage
       vom Abgeordneten Carsten Hütter], vier Tage nach derjenigen der CDU im
       Bund.
       
       Interessant: Hütter ist nach taz-Informationen auf Facebook wiederum mit
       Daniela Kuge befreundet, der Abgeordneten, die für die CDU zum Verein
       „Buntes Meißen“ nachfragte. Aber auch in Berlin [20][kopierte die AfD den
       CDU-Antrag] aus dem Bundestag in Teilen wortgleich, um ihrerseits gegen
       NGOs und Initiativen wie die Omas gegen Rechts und „Berlin gegen Nazis“
       anzugehen.
       
       Immerhin zeigt die Umfrage der taz in den verschiedenen Länderparlamenten,
       dass die überwiegende Anzahl der Unionsfraktionen bislang keine ähnlichen
       Anfragen plant oder gestellt hat, so etwa in Baden-Württemberg, Bayern,
       Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,
       Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen. Keine Antwort kam
       bislang aus Brandenburg. In einem war sich aber ein Großteil der Fraktionen
       einig: Die Kritik an der Offensive gegen linke NGOs sei nicht
       nachvollziehbar.
       
       Was sie dabei ausblendet: Die Union begibt sich mit ihren Angriffen in die
       Tradition rechtsextremer Akteur*innen wie etwa dem Netzwerk
       „Einprozent“. Das hat unlängst Handreichungen und Anleitungen
       veröffentlicht, mit denen Rechtsextreme missliebige Vereine und
       gemeinnützige Organisationen bei den Finanzämtern anzeigen sollen. Ihre
       Ziele: Aberkennung von Gemeinnützigkeit und mundtot machen, damit sich
       Vereine nach einem Brief vom Finanzamt mehrmals überlegen, ob sie sich
       politisch äußern. In Trump-Manier heißt es dort: „Es ist Zeit, den Sumpf
       trocken zu legen!“
       
       Bei den Rechtsextremen frohlockt man regelrecht: „Linke Netzwerke sind
       nicht nur durch die Unions-Anfrage ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt.
       Wir können aber etwas machen, was die CDU/CSU nicht machen wird: nämlich
       diese Strukturen zerlegen.“
       
       Hinweis, 11.3.: Der Text wurde nachträglich um Infos aktualisiert.
       
       10 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /551-Fragen-im-Bundestag/!6069900
   DIR [2] /Kritik-nach-CDU-Anfrage-an-NGOs/!6070477
   DIR [3] https://edas.landtag.sachsen.de/redas/download?datei_id=39576
   DIR [4] https://x.com/MatthiasMeisner/status/1535955120361545729
   DIR [5] https://www.saechsische.de/politik/wahlen-in-meissen-ehemaliges-npd-mitglied-tritt-fuer-die-afd-an-MRQVNUYFJKAKBOK33SGTTELZGY.html
   DIR [6] https://www.saechsische.de/lokales/meissen-lk/meissen/afd-aufreger-beim-politischen-aschermittwoch-in-meissen-du-quatschst-ne-guelle-PZOVSAO5DNGSPIFWL74TV6EKEM.html
   DIR [7] https://www.saechsische.de/lokales/bautzen-lk/hoyerswerda/landkreis-bautzen-streicht-demokratie-foerderung-FRXBJMMC3RDUTCPWNCRBAPJ6PI.html
   DIR [8] https://www.belltower.news/salzwedel-ein-gefaehrlicher-praezedenzfall-fuer-weitere-kommunen-158967/
   DIR [9] https://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok/dokument/63980/8_4643_politische_neutralitaet_staatlich_gefoerderter_organisationen_in_mecklenburg_vorpommern
   DIR [10] https://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/cdu-funktionaere-gegen-merkels-fluechtlingspolitik-13843662.html
   DIR [11] https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/nordmagazin/AfD-kopiert-NGO-Anfrage-der-CDU-in-Mecklenburg-Vorpommern,nordmagazin126894.htm
   DIR [12] https://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok/dokument/64003/8_4650_foerderung_von_projekten_initiativen_und_gruppen_in_mecklenburg_vorpommern#navpanes=0
   DIR [13] /Chatprotokolle-der-AfD/!5441138
   DIR [14] https://www.belltower.news/salzwedel-ein-gefaehrlicher-praezedenzfall-fuer-weitere-kommunen-158967/
   DIR [15] https://www.volksstimme.de/lokal/salzwedel/salzwedeler-stadtrat-lehnt-700-000-euro-an-fordermitteln-ab-4007106
   DIR [16] /Rassismus-zum-Fest/!5901032
   DIR [17] https://www.saechsische.de/lokales/bautzen-lk/hoyerswerda/landkreis-bautzen-streicht-demokratie-foerderung-FRXBJMMC3RDUTCPWNCRBAPJ6PI.html
   DIR [18] https://www.belltower.news/salzwedel-ein-gefaehrlicher-praezedenzfall-fuer-weitere-kommunen-158967/
   DIR [19] https://edas.landtag.sachsen.de/redas/download?datei_id=39509
   DIR [20] https://www.tagesspiegel.de/berlin/kopie-der-cdu-anfrage-aus-dem-bund-berliner-afd-nimmt-omas-gegen-rechts-und-andere-ins-visier-13328098.html
       
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