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       # taz.de -- CDU-Parteivorsitz: Es riecht nach Kampfkandidatur
       
       > Nach der Niederlage in Hamburg will die CDU ihr Führungsproblem nun
       > ernsthaft angehen. Wie sie das tut, sagt viel über den Zustand der Partei
       > aus
       
   IMG Bild: Nach ihr die Sinnsuche: AKK hat fertig
       
       Wer das Foyer des Berliner Konrad-Adenauer-Hauses betritt, kann die zwei
       Worte nicht übersehen. „Die Mitte“ steht schwarz auf grau an der Wand im
       Atrium. Seit Jahren finden vor diesem Bildhintergrund die Pressekonferenzen
       der Christlich Demokratischen Union Deutschlands statt.
       
       Hier hat Angela Merkel Ende Oktober 2018 überraschend angekündigt, den
       Parteivorsitz abgeben zu wollen. Hier hat ihre Nachfolgerin [1][Annegret
       Kramp-Karrenbauer vor zwei Wochen verkündet], den Posten schon wieder
       räumen zu wollen. Und hier hat Generalsekretär Paul Ziemiak – und vor ihm
       Peter Tauber – an Wahlabenden zu erklären versucht, warum die CDU wieder
       einmal an Wählerstimmen verloren hat.
       
       „Die Mitte“, die die CDU anfangs so selbstbewusst für sich reklamiert hatte
       – sie steht heute wie versteinert. So fest schien man sich seiner
       Überzeugungen, seiner Geschichte, seiner Wählerschaft zu sein, dass diese
       75 Jahre alte Partei offenbar irgendwann auf den Gedanken gekommen war, die
       Leute könnten ja zu ihr kommen, wenn sie von der Politik etwas wollen. Die
       CDU müsste einfach nur auf dem beharren, was sie schon immer vertreten hat.
       Dann klappt das.
       
       Dieses Prinzip ist schon länger an sein Ende gelangt. Aber für jeden
       offensichtlich geworden – und für die Parteiführung nicht länger zu leugnen
       – ist es erst in den zurückliegenden zweieinhalb Wochen. Seit die Thüringer
       Landtagsfraktion gemeinsam mit der AfD den FDPler T[2][homas Kemmerich ins
       Amt des Ministerpräsidenten gewählt hat], weiß jeder: Die Verbindung des
       Konrad-Adenauer-Hauses in die Länder ist mindestens schwer gestört; und die
       Vorsitzende hat keine Autorität mehr.
       
       ## 1 Niederlage und 1 Termin
       
       An diesem Montag in Berlin gibt es nicht nur ein weiteres schlechtes
       Ergebnis zu vermelden – die Hamburger CDU ist bei der Bürgerschaftswahl von
       16 auf 11 Prozent abgestürzt. Marcus Weinberg, der gerupfte Hamburger
       Spitzenkandidat, tut gar nicht erst so, als gebe es einen anderen Platz als
       die Oppositionsbank im Hamburger Senat.
       
       Es gibt auch einen frisch festgezurrten Termin. Am 25. April will die CDU
       Deutschlands ihren neuen Vorsitzenden – eher keine Frau – auf einem
       Parteitag in Berlin wählen. Die Noch-Vorsitzende teilt dies der
       Öffentlichkeit mit. Wie einst Merkel steht sie vor der lichtgrauen Wand und
       erläutert den geplanten Ablauf.
       
       Noch in dieser Woche sollen die bereits jetzt in Rede stehenden Anwärter
       auf den Vorsitz öffentlich erklären, ob sie tatsächlich kandidieren wollen.
       Kramp-Karrenbauer betont, dies sei mit ihr abgestimmt.
       
       Aber diesmal wird es keine KandidatInnen-Tournee geben wie bei ihr und
       Friedrich Merz im Herbst und Winter 2018. Ende April der Parteitag in
       Berlin – mit Antragsrecht für die Delegierten, nebenbei bemerkt. Und schon
       wird gewählt und die CDU hat einen neuen Chef. Das Ganze binnen zwei
       Monaten.
       
       ## Jetzt ist es auch schon egal
       
       Dass es jetzt so schnell gehe, sei von Anfang an ihre Idee gewesen, erklärt
       die Noch-Amtsinhaberin. „Ich habe das dem Präsidium vor zwei Wochen so
       vorgeschlagen“, sagt Annegret Kramp-Karrenbauer.
       
       Aber ihr Angebot sei abgelehnt worden, man habe sie gebeten, erst mit
       Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, dem Rechtsanwalt Friedrich Merz und
       Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet zu reden und auf sie
       einzuwirken, dass es eine gütliche Einigung gibt. Inzwischen sei auch
       Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag,
       nach vorn gegangen.
       
       „Ich habe mit den vieren geredet“, sagt Annegret Kramp-Karrenbauer, „das
       ist die Aufgabe einer Parteivorsitzenden.“ Ein normales Verfahren, gedeckt
       von den Führungsgremien. Und ja, natürlich, der Vorsitz sei ein Präjudiz
       für die Kanzlerkandidatur. Dies zu trennen, sei schon in ihrem Fall ein
       Fehler gewesen. Schöne Grüße rüber ans Kanzleramt; jetzt ist es eh schon
       egal.
       
       Sie wirkt konzentriert, keineswegs gehetzt, obwohl es in der Vorstands- und
       der Präsidiumssitzung, sagen wir, bewegt zugegangen sein soll. Gleichwohl
       ist offensichtlich, dass die Spitze der CDU es nicht fertigbringt, eine
       gütliche Lösung zwischen den Kandidaten herbeizuführen. Es riecht verdammt
       nach Kampfkandidatur. Und das ist für diese Partei alles andere als ein
       Normalismus.
       
       ## Einer für alle. Aber alle für einen?
       
       Den Bewerbern – zu denen dem Vernehmen nach noch ein oder zwei weitere
       stoßen sollen – hat sie deshalb vorsorglich ein Versprechen abgenommen.
       „Alle vier haben erklärt, dass sie jedwedes Ergebnis des Parteitages
       respektieren werden und sich sichtbar und erkennbar in die weitere Arbeit
       der CDU einbringen.“
       
       Das geht klar raus an Friedrich Merz. [3][Der einstige BlackRock-Lobbyist]
       hatte beim Hamburger Parteitag 2018 denkbar knapp gegen Annegret
       Kramp-Karrenbauer verloren.
       
       Hernach gefiel er sich in der Rolle des Rauners. Sehr gern besuchte Merz
       CDU-Kreisverbände, um dort zu referieren, was alles schieflaufe in der von
       seiner Partei regierten Republik. Das bekam der CDU gar nicht gut – schon
       wegen Merz’ frei flottierender Medienpräsenz. Diesmal wollen – sollen? –
       alle zusammenarbeiten. Für die Partei.
       
       Als sei im eigenen Laden noch nicht ausreichend Trouble, strafft sich
       Annegret Kramp-Karrenbauer nun noch einmal und fährt eine brachiale
       Breitseite gegen den Koalitionspartner. Namentlich dem Generalsekretär der
       SPD, Lars Klingbeil, wirft sie eine „Diffamierungs- und Schmutzkampagne“
       vor. Die CDU-Bundesspitze habe ganz klare Beschlüsse über die Abgrenzung
       zur AfD, an denen es gar nichts zu deuteln gebe, sagt Kramp-Karrenbauer.
       
       ## AKK droht mit Parteiauschluss
       
       Und an ihre eigene Mitgliedschaft gerichtet, sagt sie, jegliche Form der
       Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten sei mit den Kerngedanken der
       Christdemokraten nicht vereinbar. Wer aber nach dem Anschlag von Hanau
       meine, an dieser Mauer „herumwerkeln“ zu müssen, oder versuche, sie zu
       beseitigen, „stellt sich aus meiner Sicht außerhalb dieser Partei“.
       
       Im Klartext: Sie droht Mandatsträgern – etwa im Thüringen, wo nächste Woche
       erneut ein Ministerpräsident gewählt werden soll – mit Parteiausschluss. So
       gesehen scheint SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil nicht ganz unrecht zu
       haben mit seiner Kritik an der CDU, sie grenze sich nicht eindeutig genug
       nach rechts ab.
       
       Am Montag weist er Kramp-Karrenbauers Vorhalt prompt zurück. „Das ist ein
       Tabubruch, der begangen wurde im Thüringer Landtag, von dem sich die CDU,
       so glaube ich, über lange Zeit nicht erholen wird.“
       
       Tatsächlich ist es ja so, dass die Christlich Demokratische Union, diese
       alte Partei, ein für jeden offensichtliches Führungsproblem hat, das nicht
       erst mit dem Erfurter Sündenfall oder dem Rückzug von AKK angefangen hat.
       Die Partei hat sich zu lange auf sich selbst verlassen. Auf ihre Breite,
       ihre Anschlussfähigkeit, ihr Wohlstandsversprechen.
       
       ## Die Mitte ist ein kleiner Ort geworden
       
       Im Osten funktioniert das immer weniger. Dies und die Folgen daraus stoisch
       ausgeblendet und lieber nicht so genau hingeschaut zu haben, rächt sich
       heute. Aus der bärenstarken CDU ist ein zerstrittener Haufen geworden. Aus
       der „Mitte“ ein Ort für immer weniger im Land.
       
       Es ist nicht Annegret Kramp-Karrenbauers Schuld. Aber es ist jetzt ihre
       Verantwortung. Sie ist klug genug, diese Verantwortung noch ein Stück weit
       zu tragen. Ob der Parteitag klug genug ist, den geeigneten Nachfolger zu
       wählen, ist alles andere als ausgemacht.
       
       25 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
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   DIR Anja Maier
       
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