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       # taz.de -- CIA-Bericht zu Folter: Warum foltern Demokratien?
       
       > Nun weiß also auch die US-Öffentlichkeit: Durch Folter erpresste
       > Information bringt wenig. Doch weltweit fühlen sich Folterer bestätigt.
       
   IMG Bild: Es gab in den USA auch Protest gegen das simulierte Ertränken: Demonstranten stellen das Waterboarding nach – und zwar schon im November 2007.
       
       In meiner früheren Funktion als UNO-Sonderberichterstatter über Folter
       suchte ich Dianne Feinstein auf, die ehemalige Bürgermeisterin von San
       Francisco und nunmehrige Vorsitzende des Senate Intelligence Committee. In
       ihrem Büro am Capitol Hill in Washington bot ich ihr eine Kooperation
       zwischen unseren UNO-Untersuchungen über geheime Haft im „Krieg gegen den
       Terror“ und ihren eigenen Untersuchungen über illegale CIA-Praktiken an.
       Doch sie sagte sehr herablassend: „Wir brauchen keine UNO-Experten, die uns
       sagen, was wir tun sollen. Wir können das schon selbst.“
       
       Kurz darauf veröffentlichten wir, im Frühjahr 2010, einen umfassenden
       UNO-Bericht (UN Doc A/HRC/13/42), in dem wir Beweise gegenüber 66 Staaten
       vorlegten, die zum Zweck der Bekämpfung des Terrorismus geheime
       Haftmethoden angewandt hatten. Viele dieser Staaten haben eng mit der CIA
       kooperiert.
       
       Beispielsweise haben wir durch Interviews mit Exhäftlingen, durch
       aufwendige Nachforschungen einschließlich der Auswertung der genauen
       Flugdaten der von der CIA für sogenannte Rendition-Flüge gecharterten
       Privatflugzeuge und anderer Quellen einschließlich der Europaratsberichte
       des Schweizers Dick Marty ziemlich präzise nachweisen können, dass es
       geheime CIA-Gefängnisse in Polen, Rumänien, Litauen, Jordanien, Thailand,
       Afghanistan, Irak und anderen Staaten der Welt gab, wohin die des Terrors
       verdächtigten Menschen verschleppt und gefoltert wurden.
       
       Darüber hinaus wurden viele Häftlinge von der CIA den Behörden von
       berüchtigten Folterstaaten wie Ägypten, Syrien, Marokko oder Usbekistan
       übergeben, wo sie von deren Schergen im Auftrag und unter der Aufsicht der
       CIA gefoltert wurden. Wir haben auch genau nachgewiesen, wo und wann sich
       die von uns identifizierten Häftlinge in welchen „CIA Black Sites“
       aufgehalten haben und mit welchen Methoden sie gefoltert wurden.
       
       Zu den schlimmsten Geheimgefängnissen gehörten das Prison of Darkness und
       das Salt Pit, beide in Afghanistan.
       
       ## Von der Tagesordnung gestrichen
       
       Als wir unsere globale Studie dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen
       im März 2010 präsentieren wollten, haben sich viele der darin namentlich
       genannten Staaten so vehement dagegen gewehrt, dass unser Bericht wieder
       von der Tagesordnung gestrichen wurde. Erst im Juni 2010 gelang es uns,
       diese Studie im Rat vorzustellen. Kein Staat hat die darin enthaltenen
       Anschuldigungen schwerster Menschenrechtsverletzungen bisher offiziell
       zugegeben, obwohl zumindest in den genannten europäischen Staaten interne
       Untersuchungen eingeleitet wurden.
       
       Ich habe in dem nunmehr zumindest zum Teil veröffentlichten Bericht des
       US-Senats, der unter dem Vorsitz von Dianne Feinstein verfasst worden war,
       kaum Informationen gefunden, die wir nicht schon gewusst und publiziert
       hätten, beziehungsweise die nicht schon vorher ans Licht der Öffentlichkeit
       gedrungen waren. Die große Entrüstung vieler Politiker und zum Teil auch
       der Medien in den USA und in Europa ist daher ein wenig überraschend.
       
       Für die US-amerikanische Öffentlichkeit ist es aber sehr wichtig, dass sie
       von ihren eigenen Behörden und nicht von irgendwelchen UNO-Experten aus
       Europa, Pakistan und Südafrika erfährt, welche Verbrechen die CIA begangen
       hat, auf welche Weise die CIA den Kongress belogen hat und dass höchste
       Politiker wie George W. Bush und Dick Cheney die Unwahrheit gesagt haben,
       wenn sie behaupteten, dass ohne diese Foltermethoden der Terrorismus nicht
       wirksam hätte bekämpft werden können.
       
       Die durch Waterboarding und ähnliche Methoden der Folter erpressten
       Informationen haben sich nämlich in der Regel als wenig brauchbar
       herausgestellt. Das ist eine der wichtigsten Erkenntnisse dieses
       Senatsberichts.
       
       Ob die Tatsache, dass nunmehr auch der amerikanische Kongress die weit
       verbreitete Folter durch die CIA und deren ausdrückliche Anordnung durch
       höchste Politiker der Bush-Regierung bestätigt hat, endlich dazu führen
       wird, dass die dafür direkt oder indirekt verantwortlichen Personen vor
       Gericht gestellt werden und dass die Opfer vor amerikanischen Gerichten
       zumindest eine finanzielle Entschädigung erhalten werden, bezweifle ich
       weiterhin.
       
       ## Warum Folter?
       
       Bleibt noch die Frage zu beantworten, warum sich die US-Behörden, allen
       voran die CIA, auf dieses Folterprogramm überhaupt eingelassen haben. Hier
       spielen viele Faktoren zusammen.
       
       Die USA waren durch die Terroranschläge vom 11. September 2011 auf ihrem
       eigenen Territorium so sehr geschockt, dass sie zum einen Vergeltung üben
       wollten. Außerdem hatten sie mit George Bush einen Präsidenten, der auf
       diesen Terroranschlag nicht primär mit den Methoden der Ursachenerforschung
       und der Kriminalitätsbekämpfung reagieren wollte, sondern mit einem
       sogenannten Krieg gegen den Terror, in dem andere Regeln herrschen sollten
       und in dem man sich nicht durch das Völkerrecht, zum Teil auch nicht einmal
       durch die eigene Verfassung einschränken lassen wollte. Es ging also auch
       um eine Politik der einzig verbliebenen Supermacht, ihre Muskeln zu zeigen
       und durch Einschüchterung psychologische Kriegsführung zu betreiben.
       
       Vielleicht glaubten einzelne Politiker, Militärs und CIA-Agenten entgegen
       den Erkenntnissen der Aufklärung und des Rationalismus, die in Europa vor
       über 200 Jahren zum Verbot der Folter geführt hatten, wirklich, dass die
       Folter zahlreiche brauchbare Ergebnisse produzieren würden. Jedenfalls ist
       dieser Irrglaube durch den Senatsbericht überzeugend widerlegt worden.
       
       Der Schaden, den die Bush-Regierung durch diese den Rechtsstaat mit Füßen
       tretenden Politik weltweit angerichtet haben, da sie für viele Staaten und
       Menschen dieser Welt ja noch immer als Vorbild für Demokratie, Rechtsstaat
       und Menschenrechte gelten, wird nur sehr schwer zu reparieren sein. Denn,
       wie meine Untersuchungsmissionen in allen Regionen dieser Welt gezeigt
       haben, ist die Folter in der Mehrheit der heutigen Staaten ein weit
       verbreitetes Mittel zur Erpressung von Geständnissen und sonstigen
       Informationen.
       
       Leider fühlen sich viele dieser Staaten durch die Praktiken der
       Bush-Regierung in der Sinnhaftigkeit und Legitimität der Anwendung von
       Folter bestätigt, auch wenn sie das natürlich nicht öffentlich zugeben.
       
       13 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manfred Nowak
       
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