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       # taz.de -- CSD-Parade in Berlin: „Das hier ist keine Parade!“
       
       > Politische Demonstration oder einfach eine Riesenparty? In diesem
       > Spannungsfeld bewegte sich auch der 45. Christopher Street Day wieder.
       
   IMG Bild: Es hätte alles so harmonisch sein können
       
       Berlin taz | Als Kai Wegner am Samstagmittag seine Rede zum Christopher
       Street Day beginnen will, hört die gespannte Menge erst mal: nichts. Die
       Technik versagt, die Lautsprecher bleiben stumm. Metallisches Topfgeklapper
       füllt sofort die Stille: Eine kleine Gruppe in der ersten Reihe buht
       [1][dem Regierenden Bürgermeister] entgegen, und aus einem Block weiter
       hinten ertönen „Wegner muss weg“-Sprechchöre.
       
       Kurze Zeit später kann der CDU-Mann dann doch sprechen und den Protest
       übertönen. Er redet über die Vielfalt Berlins. Er redet über den Anspruch
       der Hauptstadt, sicherer Hafen für verfolgte Menschen aus anderen Ländern
       zu sein. Und er verspricht, einer möglichen Änderung von Artikel 3
       Grundgesetz zuzustimmen. Der verbietet die Diskriminierung von Menschen,
       erwähnt ihre Sexualität als Diskriminierungsmerkmal aber bisher nicht. „Da
       muss die sexuelle Identität mit rein. Und das ist mein Versprechen an euch!
       Wir werden das gemeinsam mit euch auch hinbekommen“ sagt Wegner.
       
       Zuvor haben sich schon Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sowie die Vorstände
       des CSD zu Wort gemeldet. In ihren Reden zeigt sich das Spannungsfeld, in
       dem sich der CSD bewegt. Einerseits werden große politische Forderungen wie
       die nach der Änderung des Grundgesetzes gestellt, andererseits der
       Partycharakter der Demo hervorgehoben. „This is not a parade! This is a
       demonstration“, betont Vorständin Stella Spoon. Vorständin Seyran Ateş
       beendet ihre Rede mit den Worten „Happy pride und lasst uns feiern!“
       
       Schließlich setzt sich der Umzug in Bewegung, Musik schallt über die Köpfe.
       Auch die kleine Gruppe aus jungen Demonstrierenden, die ihrem Ärger zuvor
       mit Kochtopf und Löffel Luft gemacht hat, läuft dem ersten Wagen hinterher.
       Eine junge Person, die anonym bleiben möchte, erklärt der taz, warum sie
       Wegner nicht auf dem CSD sehen will: „Er gehört einer Partei an, die vor
       weniger als fünf Jahren mit fast 100 Prozent gegen die Ehe für alle
       gestimmt hat. Dieser Mann gehört nicht auf unsere Demo!“ Auf die Frage, ob
       die Internationalist Queer Pride am Nachmittag in Neukölln für sie eine
       Alternative zum etablierten CSD sei, sagt die Person: „Wir laden alle
       herzlich ein zu kommen. Außer, du bist zu hacke, dann komm da nicht hin.
       Denn das ist eine Demo!“
       
       Vom Start an der Leipziger Straße zieht der 45. Berliner CSD bunt und laut
       am Bundesrat vorbei. Über den Nollendorfplatz geht es zur Siegessäule und
       von dort über die Straße des 17. Juni bis zur Hauptbühne am Brandenburger
       Tor. Das diesjährige Motto lautet „Be their voice – and ours! … Für mehr
       Empathie und Solidarität!“ 500.000 Teilnehmende haben die
       Veranstalter:innen angemeldet. Die Polizei spricht auf taz-Anfrage von
       „mehreren Hunderttausend Menschen“. Eine genaue Zahl sei wegen der weit
       auseinandergezogen Demo schwer zu schätzen.
       
       ## Nur in eine Regenbogenflagge gehüllt
       
       Während des Umzugs geraten die politischen Forderungen in den Hintergrund.
       Vereinzelt sind Plakate zu sehen, auf denen „Viva la vulva“ oder „Fuck the
       patriarchy“ steht. Die friedliche Stimmung und die Freude der Teilnehmenden
       sind dafür umso stärker zu spüren. Schillernde Seifenblasen fliegen durch
       die Luft, Menschen küssen und umarmen sich, jede Menge Pride-Flaggen wehen.
       Neben Dragqueens, Männern in Fetishwear oder auch mal komplett nackt und
       nur in eine Regenbogenflagge gehüllt sind auch einige Familien mit kleinen
       Kindern dabei. Die Menge ist vielfältig und gut drauf.
       
       Politisch wird es dann wieder beim Abendprogramm an der Hauptbühne. Der
       Leiter der Berliner Aids-Hilfe, Blaise Feret Pokos, hält eine flammende
       Rede über Zivilcourage. Wenn in der U-Bahn, an der Supermarktkasse oder
       sonst im Alltag Menschen diskriminiert und angefeindet werden, dürfe
       niemand wegschauen. „Wir müssen uns einmischen“, lautet die Botschaft
       seiner Rede.
       
       Die Band Tokio Hotel und die Panoramabar-Resident-DJs Steffi und Virginia
       runden den Abend musikalisch ab. Bis Mitternacht wird am Brandenburger Tor
       gefeiert.
       
       23 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Leonel Steinbrich
       
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