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       # taz.de -- CSU-Klausur in Oberbayern: Der neue Geist von Seeon
       
       > Der künftige Parteichef Markus Söder will die CSU „durchlüften“ und setzt
       > auf grüne Themen. Alle scheinen einig: Jetzt bloß zusammenhalten!
       
   IMG Bild: Der Schnee rieselt und die CSU mahnt zur Harmonie auf ihrer Landesgruppen-Klausur im Kloster Seeon
       
       Seeon taz | Es ist kurz vor eins, als Horst Seehofer am Donnerstag [1][vor
       dem Kloster Seeon] aus dem Auto steigt. Hier, in Oberbayern, trifft sich
       die CSU-Landesgruppe zu ihrer Klausur. Der künftige Ex-CSU-Chef wird von
       Gastgeber Alexander Dobrindt und seinen beiden Generalsekretären begrüßt.
       Rund zwanzig Meter sind es bis zu der Stelle, wo die Kamerateams ihre
       Mikrofone aufgebaut haben. Seehofer lässt sich Zeit, immer wieder bleibt er
       auf dem Weg dorthin stehen, scherzt mit seinen Begleitern, dann wieder ein
       paar Schritte, endlich steht Seehofer vor den Mikrofonen.
       
       Zeit für ein paar famous last words? Der Mann, den man zu den größten
       Verlierern des Jahres 2018 zählen darf, wirkt gelöst. Er erinnert an
       insgesamt 49 Winterklausuren, die er schon mitgemacht habe, 39 der
       Landesgruppe, 10 der Fraktion. Seehofer spricht von einem „besonderen
       Moment“, zum letzten Mal sei er nun in Kloster Seeon als Parteichef bei
       einer CSU-Klausur. Da setzt im Hintergrund Glockengeläut ein. Es ist ein
       Uhr.
       
       Dann spricht er noch von der Geschlossenheit und Entschlossenheit, die die
       CSU im Speziellen und die Union im Allgemeinen jetzt an den Tag legen
       müssten. Geschlossenheit, sagt Seehofer, sei das höchste Gut. Sosehr der
       Politiker in seiner Partei in Ungnade gefallen ist, so sehr spricht er ihr
       damit aus dem Herzen.
       
       Ruhe ist seit der Niederlage bei der Landtagswahl im Oktober die erste
       CSUler-Pflicht. Beobachter sprechen wahlweise von einem besonders großen
       Harmoniebedürfnis oder von Heuchelei. „Wir wollen zurück zu alter Stärke“,
       wiederholt Generalsekretär Markus Blume mantraartig, und eines scheint den
       Christsozialen inzwischen klar zu sein: Präsentiert man sich dem Wähler
       weiterhin als zerstrittener Haufen, rückt dieses ohnehin sehr ehrgeizige
       Ziel vollends in unerreichbare Ferne.
       
       So gibt es auch fast kein Störfeuer. Dass ausgerechnet am Freitag
       CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer die Schwesterpartei CDU via Bild-Zeitung
       wissen lassen möchte, es gebe keinen Automatismus [2][für eine
       Kanzlerkandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer] – geschenkt!
       
       „Streit lähmt, Streit langweilt, Streit nervt“, hat kurz vor Seehofers
       Ankunft der bayerische Ministerpräsident Markus Söder gesagt und vor
       Profilstreit nur um des Profils willen gewarnt. Man solle doch bitte den
       gemeinschaftlichen Geist in den Vordergrund rücken, er selbst sei
       „konstruktiv beseelt“.
       
       In der Tat standen die Chancen für einen Neubeginn seit Beginn dessen, was
       man in der Union gern als Flüchtlingskrise bezeichnet, noch nie so gut.
       
       ## Neues Jahr, neues Glück
       
       Mit der Ablösung Horst Seehofers als Parteivorsitzenden auf dem
       CSU-Parteitag am 19. Januar fallen künftig gleich zwei Sollbruchstellen
       weg: die zwischen ihm und der ebenfalls abgetretenen CDU-Chefin Angela
       Merkel sowie die zwischen ihm und Söder, seinem engsten Feind.
       
       Die drei Parteivorsitzenden der Großen Koalition, Kramp-Karrenbauer, Söder
       und Andrea Nahles, gehören nun allesamt nicht dem Kabinett an.
       Landesgruppenchef Dobrindt macht daher einen „Club der Parteivorsitzenden“
       als neues Machtzentrum aus. So ist es natürlich auch ein klares Signal,
       dass Dobrindt die neue CDU-Chefin Kramp-Karrenbauger nach Kloster Seeon
       eingeladen hat. Auf ihren [3][künftigen Kollegen Söder] wird sie indes
       nicht treffen, nur auf die ihr aus Berlin schon leidlich vertrauten
       Gesichter. Söder reiste nach seinem Bericht am Donnerstag gleich wieder ab.
       
       Jetzt also alles noch mal auf Start: neues Jahr, neues Glück. Der
       konstruktiv beseelte Söder hat in den vergangenen Wochen schon mehrfach
       skizziert, wie er sich das vorstellt: „Jünger, weiblicher, offener“ solle
       die CSU werden. Es sei wichtig, dass sich die Partei breit aufstelle,
       „durchlüften“ will er sie.
       
       Auch thematisch besinnt sich Söder neu. In seiner ersten Neujahrsansprache
       als Ministerpräsident kommt er zwei Tage vor Seeon schon ganz ohne
       CSU-Klassiker wie innere Sicherheit aus.
       
       ## „Staat mit Stärke“
       
       Stattdessen macht er Klimawandel, Artensterben, Nachhaltigkeit und Europa
       zu seinen Themen, kündigt an, den Klimaschutz in die Bayerische Verfassung
       aufnehmen zu wollen. Er habe gelernt, spricht er zum bayerischen Volk,
       „dass wir uns in der Politik besser zuhören sollten“. Dass er überhaupt
       dazugelernt habe – das kann man getrost als die eigentliche Kernbotschaft
       verstehen.
       
       Söder, heißt es in der Partei, habe tatsächlich Konsequenzen aus seinen
       Fehlern im Landtagswahlkampf gezogen. Damals ließ er ohne Not das
       Migrationsthema noch einmal hochköcheln, sprach von „Asyltourismus“. Am
       Ende stand das Wahldesaster. Diese Fehler will Söder nicht noch einmal
       machen.
       
       Natürlich äußert sich Söder in Kloster Seeon auch zu den Prügelattacken von
       Asylbewerbern in Amberg. Und er ist noch CSU-Mann genug, um zu fordern,
       dass Abschiebehindernisse beseitigt werden müssen, um zu betonen, dass „wer
       das Gastrecht missbraucht, natürlich keine Perspektive in unserem Land“
       haben dürfe. Aber fast im selben Atemzug verurteilt er, dass rechtsextreme
       Gruppen versuchten, das Thema für ihre Zwecke zu missbrauchen. Und auf
       keinen Fall dürfe es eine neue [4][Grundsatzdebatte über das Thema Asyl]
       geben.
       
       Die Landesgruppe lässt es sich zwar nicht nehmen, nach den Gesprächen mit
       Seehofer und Söder ein vierseitiges Papier mit dem Titel „Staat mit Stärke
       – für mehr Sicherheit und geordnete Migration“ zu beschließen, in dem sie
       etwa ein europäisches Überwachungssystem für Gefährder, das Ende
       sogenannter Kettenbewährungen und eine konsequentere Abschiebepraxis
       fordert. Das Thema, darauf legen die Abgeordneten Wert, stehe aber
       keineswegs im Zentrum der Klausurtagung.
       
       ## Grüne sind „destruktive Kräfte“
       
       Am zweiten Tag steht dann beispielsweise schon ein Papier auf der Agenda,
       das ganz Söders Wunsch entspricht, den Grünen auf ihrem Höhenflug den Wind
       aus den Segeln zu nehmen. Um Klima und Umweltschutz geht es darin. „Unser
       Anspruch als CSU ist es, im Bereich der Umwelt- und Klimapolitik eine
       Vorreiterrolle zu übernehmen“, heißt es im Entwurf.
       
       Landesgruppenchef Dobrindt setzt mit einem [5][Gastbeitrag in der Welt ]
       noch einen eigenen Akzent. Darin stemmt er sich nicht nur dem Abgesang auf
       die Volksparteien entgegen, den Grüne und AfD nur allzu gern anstimmten.
       Die Grünen wirft Dobrindt in seiner Argumentation in einen Topf mit AfD und
       Linken, diese Parteien seien „destruktive Kräfte“, die das Ziel verfolgten,
       das Land mit Drohkulissen und Ängsten zu destabilisieren.
       
       Eines scheint die CSU am Erfolg der Grünen bei den vergangenen beiden
       Landtagswahlen und in den Umfragewerten besonders zu wurmen: dass die
       frühere Ökopartei zunehmend als bürgerliche Vollpartei wahrgenommen und
       wohl auch gewählt wird – ein Etikett, das die Union für sich beansprucht.
       Die Unionsparteien, so Dobrindt, seien der „parlamentarische Arm der
       bürgerlichen Mehrheit“. Ihr Anspruch müsse es sein, „allen Bürgern von der
       Mitte bis zur demokratischen Rechten eine politische Heimat zu bieten“.
       
       Inwieweit die Wähler der CSU abnehmen, dass sie wirklich ein neues Kapitel
       aufschlagen will, wird sich schon im Mai zeigen – bei der Europawahl. Auch
       beim Thema Europa schlägt die Partei mittlerweile neue Töne an.
       
       ## Neues Jahr, neue Gäste
       
       Während Söder noch im Sommer das Ende des „geordneten Multilateralismus“
       ausgerufen hatte, spricht er mittlerweile wieder von Europa als der
       Zukunft. Längst hat man in der Parteiführung auch eingesehen, dass es 2014
       keine gute Idee war, im Europawahlkampf zweigleisig zu fahren – mit dem
       Pro-Europäer Manfred Weber auf der einen und dem EU-Skeptiker Peter
       Gauweiler auf der anderen Seite.
       
       Eine aktuelle Sat1-Umfrage prognostiziert der CSU bei der Europawahl in
       Bayern trotzdem gerade einmal 36 Prozent der Stimmen. Und dass der Weg zum
       EU-Kommissionspräsidenten für Weber ein Selbstläufer werden könnte, glauben
       auch in der Partei die wenigsten. „Weber wird auf keinen Fall
       Kommissionspräsident werden“, sagt einer, der schon sehr lange dabei ist.
       Aber an mangelnder Unterstützung soll es nicht liegen.
       
       Den neuen Geist der CSU spiegelt auch die Seeoner Gästeliste wieder.
       Während vor einem Jahr noch Viktor Orbán nach Seeon kam, wurden dieses Mal
       der griechische Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis und der irische
       Premier Leo Varadkar eingeladen – und Manfred Weber.
       
       4 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Winterklausur-CSU/!5559925
   DIR [2] /Annegret-Kramp-Karrenbauer/!t5202319
   DIR [3] /Markus-Soeder/!t5022389
   DIR [4] /Diskussion-um-Merkels-Nachfolge/!5549995
   DIR [5] https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus186434336/Alexander-Dobrindt-Volksparteien-gegen-Angstparteien.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominik Baur
       
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