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       # taz.de -- Celac-Treffen der EU in Brüssel: Zu Gast bei Freunden  
       
       > Das Gipfeltreffen soll die Kooperation zwischen Lateinamerika und der EU
       > voranbringen. Position zur Ukraine unklar.
       
   IMG Bild: Trafen sich schon vorab: Kubas Präsident Diaz-Canel und der von Portugal, de Sousa, in Lissabon
       
       Am Montag treffen sich die Staats- und Regierungschefs aus Lateinamerika,
       der Karibik und der EU in Brüssel zum EU-Celac-Gipfel. Es soll darum gehen,
       Fortschritte bei der „Aufstellung eines multidimensionalen Arbeitsplans zur
       weiteren Stärkung der Beziehungen zwischen Lateinamerika und der
       Europäischen Union“ zu erzielen.
       
       Zur Vorbereitung des Treffens war EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der
       Leyen im Juni eigens durch Lateinamerika gereist. „Ich bin hier, um zu
       sagen, dass Europa zurück in Lateinamerika ist und dass es an der Zeit ist,
       unsere strategische Partnerschaft auf eine neue Ebene zu heben“, [1][hatte
       sie verkündet.]
       
       Die Celac wurde 2011 als Gegeninstitution zur US-dominierten Organisation
       Amerikanischer Staaten (OAS) gegründet. Ihr gehören alle
       OAS-Mitgliedsstaaten außer den USA und Kanada an. Allerdings hat die Celac
       keine institutionellen Organe oder Einrichtungen. Einziges Gremium sind die
       Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der 33 Mitgliedsstaaten, die
       stets [2][mit unverbindlichen Absichtserklärungen] enden.
       
       Konkrete Vereinbarungen sind von dem zweitägigen Treffen kaum zu erwarten.
       Ein Erfolg wäre es bereits, wenn „ein ständiger Koordinierungsmechanismus
       zwischen der EU und der Celac“ vereinbart wird, der „für Kontinuität und
       Folgemaßnahmen“ sorgen soll, wie es in der Anfang Juni von der EU
       vorgestellten [3][„Neuen Agenda für die Beziehungen zwischen der EU und
       Lateinamerika und der Karibik“] heißt.
       
       ## Heftiges Ringen
       
       Dennoch wird um den Wortlaut der Abschlusserklärung umso heftiger gerungen
       werden. Dazu hatten die Celac-Staaten einen [4][21-seitigen Entwurf]
       erarbeitet. Darin wird die EU aufgefordert, ihr Bedauern über die Sklaverei
       zum Ausdruck zu bringen: „Wir erkennen an und bedauern zutiefst das
       unermessliche Leid, das Millionen von Männern, Frauen und Kindern durch den
       transatlantischen afrikanischen Sklavenhandel zugefügt wurde“, heißt es
       unter anderem.
       
       „Wir erkennen an und bedauern zutiefst das unermessliche Leid, das
       Millionen von Männern, Frauen und Kindern durch den transatlantischen
       afrikanischen Sklavenhandel zugefügt wurde“, heißt es in dem Entwurf.
       Gleichzeitig sollen Maßnahmen ergriffen werden, „um die Würde der Opfer
       wiederherzustellen, einschließlich der Wiedergutmachung und der
       Entschädigung, um zu versuchen, unser kollektives Gedächtnis zu heilen.“
       
       Vor dem Hintergrund, dass die Niederlande Ende Juni bei einer Veranstaltung
       zum 150. Jahrestag der Abschaffung der Sklaverei erstmals öffentlich um
       Verzeihung für das während der Sklaverei verübte Unrecht an
       Hunderttausenden Menschen gebeten hatte, wird die EU [5][kaum um eine
       Stellungnahme] herumkommen.
       
       Die Niederlande waren ab dem 17. Jahrhundert eine der größten
       Kolonialmächte. In mehr als 200 Jahren wurden geschätzt 600.000 Menschen
       versklavt und auf niederländischen Schiffen in die überseeischen Kolonien
       verschleppt, darunter auch in den heutigen Celac-Mitgliedsstaat Surinam,
       „Von allen Formen der Unfreiheit ist die Sklaverei die am meisten
       erniedrigende und menschenunwürdige“, sagte der niederländische König
       Willem Alexander.
       
       ## Rein und raus um Selenski
       
       Gerungen wird auch um die Positionierung zum Ukrainekrieg. Das
       Celac-Dokument fordert „eine ernsthafte und konstruktive diplomatische
       Lösung des derzeitigen Konflikts in Europa auf friedliche Weise, die die
       Souveränität und Sicherheit aller sowie den regionalen und internationalen
       Frieden, die Stabilität und die Sicherheit gewährleistet.“ Dies ist nicht
       die klare Aussage gegen Russland als Aggressor und für eine nachhaltige
       Unterstützung der Ukraine, die die EU in der Abschlusserklärung gerne sehen
       würde. Einen Hinweis darauf, wer sich in der Abschlusserklärung durchsetzt,
       könnte ein Auftritt des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski beim
       Treffen in Brüssel geben. Selenski war ursprünglich von der spanischen
       EU-Ratspräsidentschaft eingeladen worden, wurde aber auf Druck einiger
       Celac-Regierungschefs wieder ausgeladen. Es bleibt abzuwarten, ob im
       letzten Moment noch eine Videobotschaft zustande kommt.
       
       Offen ist auch, ob es am Rande des Gipfels ein Treffen zum Thema
       Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur geben wird. Zumindest
       die vier Präsidenten der Mitgliedsstaaten Argentinien, Brasilien, Paraguay
       und Uruguay werden nach Brüssel reisen. Aber es wäre eine Überraschung,
       wenn Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva seinen schon vor Wochen
       angekündigten Gegenvorschlag zu der [6][von der EU geforderten
       Zusatzerklärung] zum Wald- und Klimaschutz aus seiner Reisetasche ziehen
       würde.
       
       Lula spielt nicht nur auf Zeit, weil sich die mächtige Agrarlobby im
       brasilianischen Parlament gegen neue Umweltstandards wehrt. Im Oktober wird
       in Argentinien ein neuer Präsident gewählt, und derzeit deutet alles darauf
       hin, dass ein Marktliberaler in den Präsidentenpalast in Buenos Aires
       einziehen wird. Dann werden die Karten im Mercosur in Bezug auf
       Umweltschutz und Freihandel neu gemischt.
       
       16 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Von-der-Leyen-in-Suedamerika/!5940685
   DIR [2] /Gipfeltreffen-in-Lateinamerika/!5911417
   DIR [3] https://www.eeas.europa.eu/eeas/gemeinsame-mitteilung-das-europ%C3%A4ische-parlament-und-den-rat-eine-neue-agenda-f%C3%BCr-die_de
   DIR [4] https://www.euractiv.de/section/finanzen-und-wirtschaft/news/lateinamerikanische-staaten-verpassen-eu-einen-daempfer/
   DIR [5] /Aufarbeitung-der-Sklaverei/!5944481
   DIR [6] /Mercosur-Gipfel-zum-Handelsvertrag/!5945591
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Vogt
       
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