URI: 
       # taz.de -- Chef von „Jüdische Allgemeine“: Der Zweifel am Zweifel
       
       > Deborah Feldman stellt in der neuen „Weltbühne“ die jüdische Identität
       > von Philipp Peyman Engel infrage. Doch mehrere jüdische Gemeinden
       > widersprechen.
       
   IMG Bild: Hält die Debatte für eine Rufmordkampagne: Philipp Peyman Engel
       
       Berlin taz | Es sollte die Sensationsgeschichte der neuen Weltbühne sein,
       veröffentlicht von Holger Friedrichs Berliner Verlag, zu der auch die
       Berliner Zeitung gehört: Darin wird die jüdische Identität des
       Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen, Philipp Peyman Engel in Frage
       gestellt. Titel des Beitrags: „Die Deutsche Lebenslüge“ – eine Anspielung
       auf Engels Buch zu [1][Antisemitismus], das im vergangenen Jahr erschien.
       Doch an der Darstellung der Recherche, geschrieben von Deborah Feldman,
       gibt es erheblichen Zweifel.
       
       Die originale Weltbühne der Weimarer Republik war ein Forum für
       linksintellektuelle Debatten, bevor sie 1933 von den Nazis verboten wurde.
       Die neue Weltbühne wird von Thomas Fasbender mitherausgegeben, bis zum
       russischen Angriffskrieg auf die Ukraine 2022 noch Kommentator beim
       russischen Staatspropagandasender RT. Verleger Holger Friedrich wird zudem
       für seine Russlandnähe kritisiert.
       
       In ihrem Beitrag für die erste Ausgabe von Friedrichs Weltbühne, erschienen
       am Dienstag, vergleicht Deborah Feldman den Chefredakteur Engel mit dem
       Autor Fabian Wolff, der sich jahrelang fälschlicherweise als jüdisch ausgab
       und darauf eine publizistische Karriere baute. Feldman spricht in einem
       Instagram-Beitrag von „erstaunlichen Parallelen“ zwischen den beiden
       Personen. Zuvor hatte sie in den sozialen Medien mehrfach angedeutet, dass
       Engel ein „Kostümjude“ sei. Einige Beiträge hat Feldman wieder gelöscht,
       nachdem Engels Anwalt ihr eine Unterlassungserklärung geschickt hatte – das
       zeigen Dokumente, die die taz einsehen konnte.
       
       Feldman behauptet in der Weltbühne, mit einem Familienmitglied Engels
       telefoniert zu haben, das „aus Angst vor Repressalien nicht namentlich
       genannt werden möchte“. Engels Familie „sei in der Verwandtschaft immer als
       Angehörige der Bahai-Gemeinde wahrgenommen worden“, einer universalen
       Religion, die Mitte des 19. Jahrhunderts im Iran gegründet wurde, so soll
       Feldmans Quelle ihr es berichtet haben. Damals konvertierten viele
       persische Jüdinnen und Juden zumindest offiziell zum Bahaitum, angesichts
       antisemitischer Diskriminierung. Die Person verstehe nicht, „wie er
       hierzulande als Jude auftreten könne, obendrauf ein so einflussreicher, um
       Positionen zu verbreiten, die auch der Familie unangenehm seien“, schreibt
       Feldman.
       
       ## ,,Rufmordkampagne, die niemand mehr ernst nehmen kann“
       
       Der oder die angebliche Verwandte Engels soll Feldman ausführliche
       Protokolle aus Familienchats zugespielt haben, die Feldman als
       „überzeugend“ und „schockierend“ bezeichnet. Feldman schreibt:
       „Nahestehende Personen im Familienkreis fragen einander irritiert, ob
       irgendjemand je etwas über einen jüdischen Hintergrund von Philipps Mutter
       mitbekommen habe. Alle verneinen und bestehen darauf, dass die Familie
       schon immer als Bahai bekannt gewesen sei.“
       
       Der taz liegen mehrere Dokumente vor, die die jüdische Identität Philipp
       Peyman Engels und seiner Mutter belegen. Die Israelitische Cultusgemeinde
       Zürich bestätigt in einem offiziellen Schreiben, ausgestellt im April 2025,
       dass beide nach orthodoxem Verständnis jüdisch durch Geburt sind (Engel hat
       zurzeit seinen Wohnsitz in Berlin und Zürich). Auch die Konferenz
       europäischer Rabbiner bestätigt mit einem undatierten Zertifikat, dass
       Engel Sohn einer jüdischen Mutter ist und deshalb als jüdisch anerkannt
       ist. Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz in Deutschland bestätigt in einem
       Schreiben, ebenfalls aus April 2025, dass Engel nach der Halacha, dem
       jüdischen Gesetz, jüdisch ist. Ein Dokument der jüdischen Kultusgemeinde in
       Dortmund, datiert auf das Jahr 1998, bescheinigt, dass Engels Mutter seit
       1994 Mitglied ist.
       
       Gegenüber der taz widerspricht Engel den Vorwürfen und schreibt, die
       wiederkehrenden Behauptungen zeigen, dass Feldman „eine Rufmordkampagne
       gegen mich betreibt, die niemand mehr ernst nehmen kann“. Es sei nicht das
       erste Mal, „dass Frau Feldman solch eine Kampagne mit unwahren
       Unterstellungen gegen eine jüdische Person betreibt, die eine andere
       Meinung als sie vertritt und die sie kritisch hinterfragt“. Er sei
       entsetzt, „dass ihr der Berliner Verlag dafür eine Bühne bietet“, so Engel.
       
       Deborah Feldman wurde durch ihre Bücher „Unorthodox“ und
       „[2][Judenfetisch“] bekannt. Feldman, die in einer ultraorthodoxen Sekte in
       New York aufwuchs, hat bereits in Vergangenheit die jüdische Identität
       diverser Jüdinnen und Juden in Deutschland angezweifelt.
       
       Der Autor dieses Textes hat in der Vergangenheit Texte für die „Jüdische
       Allgemeine“ geschrieben. Zuletzt im Oktober 2024.
       
       22 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Juedische-Studierendenunion/!6086057
   DIR [2] /Buch-ueber-Juedischsein-und-Identitaet/!5960158
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nicholas Potter
       
       ## TAGS
       
   DIR Judentum
   DIR Jüdische Allgemeine
   DIR Jüdische Gemeinde
   DIR Antisemitismus
   DIR Berliner Zeitung
   DIR Antisemitismus
   DIR Lesestück Interview
   DIR Deniz Yücel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Antisemitismus-NGO Rias über Vorwürfe: „Unsere Ergebnisse sollen abgewertet werden“
       
       Ein Bericht der Diaspora Alliance kritisiert die Arbeit der
       Antisemitismusmeldestelle Rias. Ein Sprecher weist die Vorwürfe als
       „bizarr“ zurück.
       
   DIR Legendäre „Weltbühne“ neu verlegt: Kleines Wurstblatt in großen Fußstapfen
       
       Der Berliner Zeitungsverleger Holger Friedrich bringt „Die Weltbühne“ neu
       raus. An das legendäre Blatt der Weimarer Republik kommt sie lange nicht
       ran.
       
   DIR Antisemitismus-Definition: „Wir unterstützen die Linke im Antisemitismus-Streit“
       
       Dokumentation: 55 Wissenschaftler unterstützen die Linkspartei, die sich zu
       der Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus (JDA) bekannt hat.
       
   DIR Sylvia Salomon über Familiengeschichte: „Jüdisch war wie ein unsagbares Wort“
       
       Sylvia Salomon erfuhr erst nach dem Tod ihres Vaters, dass er Jude war und
       die NS-Zeit nur knapp überlebte. Ein Gespräch über Tabus und Glück.
       
   DIR Zerwürfnis beim PEN Berlin: Den Fokus verloren
       
       Hin und her und her und hin: Der Schriftstellerverband PEN Berlin ist
       dabei, sich aufgrund des Konflikts im Nahen Osten selbst zu zerlegen.