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       # taz.de -- Chronologie einer Polizeikontrolle: Überforderung in Dresden
       
       > Seit einer Woche wird über eine Polizeikontrolle von Journalisten
       > diskutiert. Die taz konnte das gesamte Bildmaterial sichten. Ein
       > Protokoll.
       
   IMG Bild: ZDF-Journalist Arndt Ginzel (rechts) bei der Polizeikontrolle in Dresden am 16. August
       
       Berlin/Leipzig taz | Seit der Fernsehjournalist Arndt Ginzel bei Twitter
       ein Video hochgeladen hat, das ihn und seinen Kameramann bei einer
       umständlichen Polizeikontrolle am Rande eines Merkel-Besuchs in Dresden
       zeigt, wird erbittert darüber gestritten: Hat die sächsische Polizei sich
       zum Handlanger von Pegida-Demonstranten gemacht? Oder lief alles korrekt
       ab? Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte schon
       Stunden, nachdem das Video online ging, eine eindeutige Meinung: „Die
       einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten“,
       schrieb er auf Twitter. Wie konnte er das so schnell beurteilen?
       
       Arndt Ginzel und die Redaktion von Frontal 21, in deren Auftrag die
       Aufnahmen entstanden, haben es der taz am wochenende ermöglicht, das
       Filmmaterial in voller Länge zu sichten. Die Aufnahmen zeigen eine
       überforderte Polizei, die die aktuelle Rechtsprechung offenbar nicht kennt,
       Journalisten bei ihrer Arbeit behindert und streitsüchtigen
       Pegida-Demonstranten weit entgegenkommt.
       
       Weil hier grundsätzliche Fragen der Pressfreiheit berührt werden, hat die
       taz am wochenende entschieden, als erste Zeitung ein möglichst genaues
       Protokoll der Ereignisse zu veröffentlichen. Redundante Passagen wurden für
       die bessere Lesbarkeit zusammengefasst. Das Filmmaterial wurde mit der
       Darstellung der sächsischen Polizei abgeglichen, dabei zeigten sich einige
       Widersprüche.
       
       Von der Kontrolle existieren im Rohmaterial elf gefilmte Minuten.
       Allerdings wird die Kamera häufig an- und abgeschaltet, auch auf Verlangen
       der Polizisten. Die tatsächliche Länge der Polizeikontrolle kann daher aus
       den Filmaufnahmen nicht exakt rekonstruiert werden. Ginzel spricht von etwa
       45 Minuten. Die Polizei bestätigt das.
       
       ***
       
       Donnerstag, 16. August, 17.40 Uhr. Der Kameramann Gerald Gerber filmt
       Pegida-Demonstranten, die gegen den Besuch von Angela Merkel in Dresden
       protestieren. Sie kommen vom Sächsischen Landtag und sind auf dem Weg
       Richtung Messegelände. Dort soll die Kundgebung laut Polizeibericht fünfzig
       Minuten später fortgesetzt werden.
       
       Gerald Gerber hat schon 34 Minuten Filmmaterial auf Band, als er seine
       Kamera einschaltet und die Menge filmt, die mit erhobenen Schildern eine
       Straße entlangläuft und „Lügenpresse“ skandiert. „Mach die Kamera aus“,
       hört man aus dem Off.
       
       Nach zwanzig Sekunden sieht man zum ersten Mal, wie ein Mann und eine Frau,
       beide mit schwarz-rot-goldenen Deutschlandhütchen, durchs Bild laufen. „Du
       dicker Mann bist nicht unser Volk“, sagt ein Mann mit Basecap, der am Rand
       steht. „Nie im Leben seid ihr unser Volk.“ Er deutet auf einen Mann im
       schlammfarbenen T-Shirt. Es ist nach taz-Informationen René Seyfried aus
       Freital, der dort die Proteste gegen das Asylbewerberheim mitorganisiert
       hat.
       
       ## Mitarbeiter des sächsischen Landeskriminalamts
       
       Seyfried schimpft zurück. Neben ihm steht der Mann mit Deutschlandhut, er
       zeigt mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den Kameramann und skandiert:
       „Lügenpresse!“ Später wird sich herausstellen: Er ist ein Mitarbeiter des
       sächsischen Landeskriminalamts. Er heißt Maik G., ist 43 Jahre alt, aus
       Dresden und im Ermittlungsdezernat für Wirtschaftskriminalität tätig.
       
       Plötzlich löst er sich aus der Menge und geht auf den Kameramann zu. Er
       stellt sich vor die Kamera und sagt: „Hören Sie auf, mich zu filmen. Sie
       halten die Kamera direkt auf mich zu. Sie begehen eine Straftat.“ Die Sätze
       wiederholt er mehrere Male.
       
       „Gehen Sie doch weiter“, sagt der Kameramann.
       
       „Sie haben mich ins Gesicht gefilmt, das dürfen Sie nicht“, sagt der
       LKA-Mann mit dem Deutschlandhütchen. „Frontalaufnahme. Sie haben eine
       Straftat begangen. Wir klären das jetzt polizeilich.“
       
       Die Frau, die mit ihm unterwegs ist, hält die Kamera zu. Der Mann sagt:
       „Wir warten jetzt, bis die Polizei kommt oder ich setze Sie vorläufig fest;
       das Recht habe ich als Bürger.“ „Wollen Sie mich festnehmen oder was?“,
       fragt der Kameramann. „Nein, nicht festnehmen. Ich setze Sie vorläufig
       fest. Weil wir jetzt die Polizei holen. Und die Polizei, der Einsatzleiter,
       schaut sich an, was Sie für Aufnahmen gemacht haben. Ich untersage Ihnen
       hier öffentlich, mich zu filmen. Wenn eine Aufnahme irgendwo auftaucht, im
       Netz oder in den Medien, werde ich Sie verklagen.“
       
       Schnitt. Als die Kamera wieder angeht, hört man den Kameramann, wie er mit
       dem Journalisten Arndt Ginzel telefoniert. Er hat sich dazu ein Stück von
       den Demonstranten entfernt. Ginzel ist noch nicht vor Ort. Er fährt gerade
       im Auto zur Veranstaltung und hat die Diskussion über seine
       Freisprechanlage verfolgt.
       
       Der Hütchen-Mann kommt nun wieder direkt auf den Kameramann zu. „Sie filmen
       frontal ins Gesicht“, sagt er. „Das ist eine Straftat. Bitte gehen Sie mit
       zur Polizei, ich habe Sie offiziell aufgefordert.“ Er zeigt auf die
       Polizisten, die wenige Meter entfernt stehen.
       
       Ein jüngerer Mann in einem grünen T-Shirt kommt dazu, er macht eine
       aggressive Bewegung Richtung Kamera. „Mach die Kamera weg“, ruft er.
       „Lassen Sie mich in Ruhe“, sagt der Kameramann.
       
       „Es wurde Ihnen untersagt und Sie kommen jetzt mit zur Polizei. Ich habe
       Sie mehrmals aufgefordert“, sagt der Hütchen-Mann.
       
       Der Kameramann nähert sich der Polizei. Schnitt.
       
       In der nächsten Aufnahme sieht man, wie ein blonder Polizist auf den
       Kameramann zugeht. „Gehen Sie mal her“, sagt er und deutet nach rechts.
       Drei Polizisten gehen mit dem Kameramann ein Stück zur Seite. „Haben Sie
       den Presseausweis mit?“ „Ja, hab ich“, sagt der Kameramann. Der Polizist
       nickt auffordernd. „Geben Sie den.“ Ein Mann in kariertem Hemd kommt und
       filmt den Kameramann mit seinem Smartphone. „Ich will doch mal wissen, wer
       das ist hier.“ Die Polizei schiebt den Mann im Hemd zur Seite.
       
       ## Der Kameramann zeigt seinen Ausweis
       
       Die Aufnahme bricht ab. Als es weitergeht, hört man den Kameramann, wie er
       sagt: „Wir können auch rübergehen, dann zeige ich Ihnen meine Papiere, da
       ist mein Auto.“ Der Kameramann filmt den Mann im Hemd, der zwischen zwei
       Polizeifahrzeuge geführt wird. Jemand hält seine Linse zu. „Lassen Sie mich
       doch jetzt mal arbeiten, bitte“, sagt der Kameramann. „Solange die Papiere
       nicht da sind, bleibt die Kamera aus“, sagt der Polizist.
       
       Die Aufnahme bricht wieder ab. Der Kameramann geht nun mit den Polizisten
       zu seinem Auto und zeigt seinen Ausweis – davon gibt es keine Bildaufnahme.
       In der nächsten Einstellung ist der Journalist Arndt Ginzel zu sehen, wie
       er neben dem Kameramann auf dem Parkplatz steht. „Personalausweis zurück“,
       sagt einer der Polizisten, der eine Sonnenbrille trägt. „Presseausweis
       behalte ich noch.“ Er hält ihn locker in der Hand.
       
       „Ich möchte gerne, dass Sie ihm den Presseausweis wieder zurückgeben“, sagt
       Ginzel. „Ja, der wird noch überprüft“, sagt der Polizist. „Warum müssen Sie
       ’nen Presseausweis überprüfen?“, fragt Ginzel. Der Polizist schweigt. „Steh
       ich auf der Fahndung oder was?“, fragt der Kameramann. Der Polizist nickt
       und schaut weg. Er schweigt.
       
       „Warum kontrollieren Sie hier in Sachsen einen Presseausweis eines
       Journalisten, der sich ausgewiesen hat beziehungsweise der sich gar nicht
       ausweisen muss?“, fragt Ginzel.
       
       „Äh“, sagt der Polizist. Es klingt wie ein Stöhnen.
       
       „Bitte?“, fragt Ginzel.
       
       „120 von 151 kommen“, sagt der Polizist in sein Funkgerät.
       
       Ginzel sagt zum Kameramann: „Ist doch so, dass sie letzten Endes den Willen
       des Pegida-Demonstranten exekutieren.“
       
       Ginzel sagt zum Polizisten: „Also, die Polizei in Sachsen lässt sich
       Presseausweise auf Anforderung von Pegidanten auf der Straße zeigen.
       Sympathisieren Sie mit denen?“
       
       Der Kameramann zoomt auf das Gesicht des Polizisten: Es ist ausdruckslos,
       er hat immer noch seine Sonnenbrille auf. „Warten Sie mal ganz kurz“, sagt
       er.
       
       „Warum weisen Sie sich nicht aus uns gegenüber?“, fragt der Kameramann.
       
       „Ja“, sagt der Polizist. Er dreht langsam den Kopf zum Kameramann.
       
       „Was ja?“, fragt der Kameramann.
       
       „Nach welchem Gesetz, aus welchem Grund beschlagnahmen Sie hier einen
       Presseausweis?“, fragt Ginzel.
       
       „Sie bekommen ihn gleich wieder, er wird nur überprüft“, sagt der Polizist.
       
       „Was wollen Sie denn da überprüfen?“, fragt Ginzel. „Wollen Sie beim
       Deutschen Journalistenverband nachfragen?“
       
       „Die Tatsache war ja jetzt – Sie hatten keinen bei sich, als Sie gefilmt
       haben“, sagt der Polizist. „Und die Person, die Sie gefilmt haben, hat auch
       gesagt, dass sie nicht gefilmt werden möchte.“
       
       „Niemand muss seinen Presseausweis in Sachsen auf Demonstrationen zeigen“,
       sagt Ginzel. „Warum hier?“
       
       „Ich frag gerade ab“, sagt der Polizist. „Aber es ist alles voll. Ich komm
       nicht raus.“
       
       Es geht hin und her. Der Polizist bleibt einsilbig. Ginzel sagt zum
       Kameramann: „Was Schönes für ,Zapp' (das Medienmagazin des NDR, Anmerkung
       der Redaktion). Das wird lustig.“
       
       „Die Presseausweise hab ich überprüft“, sagt der Polizist in sein
       Funkgerät. „Sehen richtig aus. Würde ich jetzt wieder zurückgeben,
       Presseausweis, und zurückkommen.“
       
       Der Polizist gibt dem Kameramann seinen Presseausweis zurück. „Ihr
       Presseausweis. Alles in Ordnung.“
       
       Laut dem Sprecher der sächsischen Polizei, Thomas Geithner, dauerte dieser
       Teil 15 Minuten und lief unter „Gefahrenabwehr“ – wegen der verbalen
       Auseinandersetzung zwischen dem Mann mit dem Deutschlandhut und den
       Journalisten. „Dass das etwas länger gedauert hat, lag auch daran, dass
       einer der Journalisten seinen Presseausweis nicht bei sich trug, sondern
       ihn erst aus dem Auto holen musste. Aber mehr als 15 Minuten ist schon
       lang, eigentlich geht so etwas schneller“, sagt Geithner.
       
       ## Arbeitsrechtliche Schritte
       
       Allerdings musste Geithner einräumen, dass nur die Journalisten
       kontrolliert wurden, nicht der Hütchen-Mann vom LKA. „Um die Situation zu
       deeskalieren, haben die Kollegen ihn gebeten, einfach weiterzugehen“, sagte
       er der taz.
       
       Da die Personalien nicht festgestellt wurden, bekam das LKA dann auch erst
       am Montag einen Tipp, dass es sich bei dem Mann um einen LKA-Mitarbeiter
       handelte. Es dauerte etwas, bis sie ihn ans Telefon bekamen, da der Mann im
       Urlaub war. Er habe sich nicht strafbar gemacht und es liege auch keine
       Anzeige gegen ihn vor, betont Tom Bernhardt, Sprecher des LKA.
       
       Man prüfe arbeitsrechtliche Schritte. „Möglicherweise greift die
       Wohlverhaltenspflicht aus dem Arbeitsrecht.“ Weitere Angaben wollte er
       nicht machen. „Was die Angestellten des LKA in ihrer Freizeit tun, habe ich
       überhaupt nicht zu bewerten.“
       
       Auf dem Videomaterial ist zu sehen, wie die Journalisten zu ihrem Auto
       laufen. Plötzlich kommt wieder der blonde Polizist auf die Journalisten zu,
       der den Kameramann ganz am Anfang angesprochen hatte. „Ich bräuchte noch
       mal Ihre Personalien“, sagt er. „Wieso?“, fragt Ginzel. „Ich soll sie mir
       notieren“, sagt der blonde Polizist. „Warum?“, fragt Ginzel. Der blonde
       Polizist macht eine unbestimmte Geste und schweigt. Zwei weitere Polizisten
       kommen dazu.
       
       „Das ist jetzt eine polizeiliche Maßnahme“, sagt ein Polizist mit Bart.
       „Die sich gegen einen Kameramann richtet, ja?“, sagt Ginzel. „Das ist ja
       erst mal vollkommen egal“, sagt der Polizist mit Bart. „Wir machen hier
       kein Interview. Sie packen das Mikrofon weg.“ „Entschuldigung, ich bin
       Journalist“, sagt Ginzel. „Sie sind ja zu uns gekommen“, sagt der
       Kameramann. Ein dritter Polizist setzt sich eine Sonnenbrille auf und packt
       seine Videokamera aus. Er stellt sie auf ein Stativ und filmt die Szene.
       
       ## Polizeiliche Maßnahmen
       
       „Wir gehen nicht gegen die Presse vor“, sagt der Polizist mit Bart. „Doch,
       Sie gehen gerade gegen einen Kameramann vor, ohne dass es irgendeinen
       belastenden Grund gibt“, sagt Ginzel. „Das stimmt doch gar nicht“, sagt der
       Polizist mit Bart. „Na ja, was ist denn der Grund?“, fragt Ginzel. „Was ist
       denn der Verdacht?“ Der Polizist mit Bart macht eine Geste mit der Hand, er
       stammelt, schaut zu Boden, sagt nichts, aber der Ton läuft weiter. „Wollen
       Sie uns verprügeln oder verhaften?“, fragt Ginzel. „Filmen einstellen“,
       sagt der Polizist mit der Kamera. Die Aufnahme bricht ab.
       
       In der nächsten Aufnahme sagt der blonde Polizist: „Ich bräuchte mal Ihren
       Presseausweis.“ „Den habe ich gerade eben doch schon gezeigt“, sagt der
       Kameramann. „Wollen Sie mich veralbern oder was?“ Ginzel trägt seinen
       Ausweis um den Hals, er hält ihn dem blonden Polizisten hin. „Und was ist
       denn jetzt die polizeiliche Maßnahme?“, fragt Ginzel. „Wir kontrollieren
       den Presseausweis“, sagt der Polizist mit Bart. „Und mit welcher
       Berechtigung?“, fragt Ginzel. „Dass Sie Leute abfilmen“, sagt der Polizist
       mit Bart. „Wir filmen Leute ab auf einer Demonstration. Das ist verboten?“,
       fragt Ginzel. „Da drüben ist keine Demonstration“, sagt der Polizist mit
       Bart. „Das waren aber Demonstrationsgänger“, sagt Ginzel. „Aber die
       Demonstration wurde doch beendet, die wurde doch aufgelöst“, sagt der
       Polizist mit Bart. „Die sind gerade da rübergegangen“, sagt Ginzel, „um
       dann weiter zu demonstrieren, falls Ihnen das entgangen ist. Und das wollen
       Sie verhindern, ja? Sie wollen uns unsere Arbeit schwermachen, dass wir
       nicht rechtzeitig dort sind.“
       
       Auftritt René Seyfried, es ist inzwischen 18 Uhr. „Ich würde gerne gegen
       den Mann Anzeige erstatten. Der hat uns als Hartz-IV-Empfänger beschimpft.“
       René Seyfried ist ein Transportunternehmer aus einem Nachbarort von
       Freital, ehemaliger Bürgermeisterkandidat der Bürgerinitiative „Freital
       steht auf“ und führte im Jahr 2015 die Proteste vor der
       Asylbewerberunterkunft an. Aus diesen Protesten heraus gründete sich die
       Terrorzelle „Gruppe Freital“, deren Mitglieder Anfang dieses Jahres wegen
       Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte und linke Politiker zu langen
       Haftstrafen verurteilt wurden. Mit Leuten aus der Gruppe Freital war
       Seyfried zumindest bekannt, erzählen Beobachter der Szene. Anfang 2016
       gedachte er der Verhafteten bei einer öffentlichen Kundgebung: Er wünschte
       sich, dass „sie bald wieder unter uns sind und mit uns kämpfen“.
       
       Nun steht er in Dresden und zeigt einen Journalisten wegen Beleidigung an.
       „Alles gut“, sagt ein Polizist zu Seyfried. „Kommen Sie erst mal mit.“ Der
       blonde Polizist nimmt immer noch die Personalien der Journalisten auf.
       „Dann können Sie gleich mal meine Strafanzeige aufnehmen“, sagt Ginzel.
       „Gegen den Herrn. Dass der ’ne üble Nachrede, Verleumdung durchführt.“
       
       ## Videomaterial und Polizeibericht stimmen nicht überein
       
       Hier brechen die Aufnahmen ab. Ginzel erzählt, dass der Kameramann einen
       Schritt in Richtung Seyfried macht und sagt: „Ich kann das aufklären.“
       Immerhin hat er den Mann mit dem roten Basecap auf Band, der Seyfried
       tatsächlich beschimpft hat. Das scheint die Polizisten aber nicht zu
       interessieren. Ein Polizist nimmt Ginzel beiseite, um mit ihm unter vier
       Augen zu sprechen – so erzählt es Ginzel. Er sagt ihm, dass er einer
       Straftat verdächtig ist. Da die Polizisten daran zweifeln, dass die
       Journalisten fürs ZDF arbeiten, ruft Ginzel schließlich die Redaktion an.
       Der Pressesprecher der Polizei kommt und telefoniert mit dem
       Redaktionsleiter. Durch seinen Anruf in der Redaktion ist keine Verzögerung
       entstanden, sagt Ginzel. Während des Gesprächs mit dem Pressesprecher wurde
       die Anzeige noch aufgenommen.
       
       Die Polizei stellt das anders dar: Das Gespräch zwischen dem Pressesprecher
       und den Journalisten soll 15 Minuten gedauert haben. „Die eigentliche
       polizeiliche Maßnahme war da aber schon beendet“, sagt der Sprecher
       Geithner.
       
       Er gibt außerdem an, dass der Grund für die zweite Kontrolle die Anzeige
       von Seyfried war. Allerdings geht aus dem Videomaterial hervor, dass
       Seyfried erst nach der zweiten Kontrolle dazukam. Auch auf Nachfrage bleibt
       die Polizei bei ihrer Version. Als die Polizisten die Anzeige von Seyfried
       aufgenommen haben und die Journalisten gehen dürfen, bleibt für Ginzels
       Anzeige wegen Verleumdung keine Zeit mehr, erzählt er: Wenn sie an diesem
       Tag noch drehen wollen, müssen sie schleunigst los. Auch vor diesem
       Hintergrund erscheint es unplausibel, dass sie 15 Minuten mit dem
       Pressesprecher geplaudert haben.
       
       Einige Tage später zieht Seyfried seine Anzeige gegen Ginzel zurück. Am
       Mittwoch entschuldigt er sich öffentlich bei Facebook auf der Seite der
       „Bürgerinitiative Freital“. Er habe den Mann mit dem Basecap
       fälschlicherweise für Ginzel gehalten. Ob es wirklich eine Verwechslung gab
       oder ob er absichtlich vor der Polizei gelogen hat, um die Journalisten zu
       behindern, bleibt unklar.
       
       Das Video der Journalisten hat in dieser Woche weite Kreise gezogen und in
       Sachsen eine Regierungskrise ausgelöst. Sachsens SPD-Chef und
       stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig warf dem Koalitionspartner
       CDU nach Kretschmers Äußerungen eine Verharmlosung rechter Tendenzen vor.
       An diesem Donnerstag hat das Video den Innenausschuss des Landtags
       beschäftigt – vor allem wegen des LKA-Mitarbeiters. Seither wollen alle mit
       Ginzel sprechen. Seyfried will es; das Polizeipräsidium hat die
       Journalisten ebenfalls eingeladen.
       
       Ginzel hat das Angebot von Seyfried ignoriert. „Soll ich mich mit dem an
       einen Tisch setzen und sagen: Alles ist dufte?“ Er ist am Donnerstag schon
       wieder auf Recherche gefahren und war den ganzen Tag unterwegs. Er will
       mehr über den Mann mit Deutschlandhut herausfinden, der beim
       Landeskriminalamt angestellt ist.
       
       Dass Menschen aus der rechten Szene Polizisten auffordern, die Personalien
       von „angeblichen Journalisten“ zu überprüfen, hat Ginzel jetzt schon öfter
       gehört und auch erlebt. Und auch, dass Polizisten sich instrumentalisieren
       lassen. Er fürchtet, dass sich das pressefeindliche Klima weiter aufheizt.
       Deshalb, sagt er, war es wichtig, dass sie an die Öffentlichkeit gegangen
       sind.
       
       Bleibt die Frage: Was wäre gewesen, wenn niemand die Polizeikontrolle
       gefilmt hätte? Ob man Ginzel geglaubt hätte?
       
       Mitarbeit: Konrad Litschko
       
       24 Aug 2018
       
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