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       # taz.de -- „Compact“-Magazin in der Krise: Unter prüfendem Blick
       
       > Das „Compact“-Magazin wird seit März als rechtsextremer Verdachtsfall
       > eingestuft. Der Verfassungsschutz nennt dafür nun erstmals genaue Gründe.
       
   IMG Bild: Jürgen Elsässer und Björn Höcke bei einer Wahlversammlung der AfD in Thüringen 2017
       
       Es läuft gerade nicht beim Compact-Magazin. Der Umsatz sei wegen fehlender
       Kioskverkäufe in der Pandemie um ein Drittel eingebrochen, klagte
       Chefredakteur Jürgen Elsässer zuletzt. „In dieser Krise braucht Compact
       Ihre Solidarität“, bat Elsässer seine Leserschaft um Neuabos und Spenden.
       
       Obendrein ist das Magazin seit März in den Augen des Verfassungsschutzes
       ein rechtsextremer „Verdachtsfall“. Das erklärte der Geheimdienst im Zuge
       der Einstufung des [1][AfD-„Flügels“] als volles Beobachtungsobjekt.
       Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang sagte in der entsprechenden
       Pressekonferenz: „Wir haben darüber hinaus die Compact-Magazin GmbH zum
       Verdachtsfall erklärt. Das Magazin bedient sich revisionistischer,
       verschwörungstheoretischer und fremdenfeindlicher Motive.“ Somit kann die
       Behörde das Blatt nun auch mit geheimdienstlichen Mitteln in den Blick
       nehmen.
       
       Seit 2010 bedient Compact das AfD-Pegida-Spektrum mit reißerischen Titeln
       und Verschwörungstheorien, sieht fortwährend eine „Asylflut“ auf
       Deutschland zukommen, beklagt historisch einen „Bombenterror“ gegen
       Deutsche und aktuell „Massenvergewaltigungen“, fordert auch mal einen
       Freispruch für Beate Zschäpe. Damit brachte es das 2013 gegründete
       Monatsmagazin zu einer Auflage von rund 40.000 verkauften Exemplaren.
       
       Dass der Verfassungsschutz das Blatt nun zeitgleich mit dem „Flügel“ unter
       Beobachtung stellt, ist kein Zufall. Denn ideologisch trennt beide Lager
       nicht viel. Im Gegenteil: Compact-Chef Elsässer – vor vielen Jahren noch
       ein Linker – hofiert seit Jahren offen „Flügel“-Anführer Björn Höcke.
       
       ## Verbindungen
       
       Das ist auch dem Verfassungsschutz nicht entgangen, der auf taz-Anfrage nun
       erstmals genauere Gründe für die Einstufung von Compact vorlegt. Das
       Magazin, sagt das Bundesamt, pflege Verbindungen zu „eindeutig
       rechtsextremistischen Bestrebungen“, was etwa den „Flügel“ meint. Auch
       verbreite Compact „Pauschalvorwürfe“ gegenüber Migranten und Muslimen. Der
       Islam werde in Beiträgen „unterschiedslos negativ gezeichnet“, als
       „permanente Gefahrenquelle und Bedrohung“. Zuwanderung werde beständig mit
       „Kriminalität, Terror und Islamisierung“ verknüpft.
       
       Das Magazin verbreite zudem Verschwörungstheorien wie die eines „Großen
       Austauschs“ (wonach Migranten gezielt Einheimische zu verdrängen suchten).
       Dazu kämen „diffamierende Beiträge“ etwa über den liberalen Unternehmer
       George Soros, „antisemitische Verschwörungstheorien“ und ein
       „revisionistisches Geschichtsbild“, etwa in Sachen Kriegsschuldfrage beim
       Zweiten Weltkrieg.
       
       Der Verfassungsschutz in Brandenburg, wo Compact seinen Sitz hat, teilt
       diese Einschätzung ausdrücklich – nach eigener Darstellung regte er die
       Einstufung mit an. Auch dort heißt es, Compact verbreite eine Ideologie mit
       „erheblichem Anknüpfungspotenzial für Teile der rechtsextremistischen
       Szene“. Jürgen Elsässer habe „als Chefredakteur die aufgezeigte Entwicklung
       vollumfänglich zu verantworten“.
       
       Elsässer ließ eine taz-Anfrage, wie er und sein Magazin auf die Vorwürfe
       reagieren, unbeantwortet. In einem Onlinebeitrag des Magazins wird nur
       knapp notiert, dass man „en passant“ mit dem „Flügel“ vom Verfassungsschutz
       „abgefrühstückt“ werde.
       
       ## Bund mit Höcke
       
       Es gehe um die „Diffamierung und staatliche Beobachtung des oppositionellen
       Umfelds“. Offenbar sei nun auch der Verfassungsschutz Teil der
       „links-hypermoralischen Haltungsherrschaft“. Ähnlich hatte auch Höcke die
       Einstufung seines „Flügels“ als „Etabliertenschutz“ abgetan. Compact stellt
       sich klar hinter Höcke, dieser werde „völlig zu Unrecht dämonisiert“. Er
       sei „im Unterschied zu den staatlichen Agitatoren, ein echter Demokrat“.
       
       Auch noch nach der Einstufung des Verfassungsschutzes titelt Compact düster
       mit Geflüchteten auf seiner Aprilausgabe, warnt vor einer angeblich neuen
       „Asylflut“: „Sie kommen!“ Elsässer selbst schreibt über eine angebliche
       „Corona-Diktatur“, bei der es in Wahrheit darum gehe, „unproduktives
       Kapital zu vernichten“ wie früher in den Weltkriegen – und Armin Laschet
       spreche „wie Adolf Hitler zum letzten Volkssturm-Aufgebot“. Parallel kürt
       das Magazin den bei RTL wegen rassistischer Ausfälle geschassten [2][Sänger
       und Verschwörungstheoretiker Xavier Naidoo] als „Helden“.
       
       Und auch Höcke und sein „Flügel“ bekommen weiter ihr Podium. So
       veröffentlichte das Magazin nochmals eine frühere Höcke-Rede, in der dieser
       den Verfassungsschutz den „Erfüllungsgehilfen des Establishments“ nennt und
       „Feindzeugen“ in den Reihen der AfD angeht. Dann ließ Compact in einem
       Video eine Stunde lang den sächsischen Flügel-Obmann Jens Maier mit
       Elsässer über die Zukunft der AfD plaudern. Und als zuletzt auch die
       AfD-Spitze eine Auflösung des „Flügels“ einforderte, nannte das Blatt das
       einen „Putsch gegen Höcke“, gar einen „parteiinternen Krieg“.
       
       Dieser Bund mit Höcke war schon lange geknüpft. Schon vor Monaten widmete
       Compact dem Thüringer eine Sonderausgabe („Interviews, Reden, Tabubrüche“).
       [3][Höckes Auftritt im Februar bei Pegida in Dresden] streamte das Magazin
       live. Und zur Thüringer Ministerpräsidentenwahl im März gab Höcke dem
       Magazin per Video ein „Exklusivinterview“, knapp 320.000 Aufrufe erzielte
       dieses im Netz.
       
       ## Der Weg nach rechts
       
       Es geht wohl nicht allein darum, mit Höckes Namen Geld zu machen. Das
       Magazin preist den AfD-Rechtsaußen als „Hoffnungsträger für eine politische
       Wende“. Compact hat sich damit im extrem rechten Medienmarkt eindeutig
       verortet. So macht zwar auch die neurechte Junge Freiheit um Dieter Stein
       keinen Hehl aus ihrer Nähe zur AfD, geht mit dem „Flügel“ aber durchaus
       hart ins Gericht, weil dieser die gesellschaftliche Akzeptanz der Partei im
       Gesamten gefährde. Auch das rechtsextreme Magazin Zuerst!, das seit
       Monaten diversen AfD-Politikern eine Plattform bietet, hält sich in
       parteiinternen Konflikten mit eigenen Positionierungen zurück. Elsässers
       Redaktion tut das Gegenteil.
       
       Und das hat offenbar auch inhaltliche Gründe. Auffällig ist, wie Compact
       den „Flügel“ als „sozialpatriotische“ Kraft preist. Tatsächlich
       präsentierte Höcke sein „sozialpatriotisches“ Konzept erstmals auf einer
       Compact-Konferenz im November 2017 in Leipzig. Mit Zitathappen von Lenin
       und Mao beklagte der AfD-Mann die „Vergötzung des Kapitals“ und griff
       „neoliberale Gedankenmodelle“ an, die blind seien für die „sozialen
       Folgen“. Die Linke hätte längst die „kleinen Leute“ verraten. Nun
       verteidigten die Rechten die sozialen Errungenschaften von 150 Jahren
       Arbeiterbewegung.
       
       Das ist eine Position, die Compact-Chef Elsässer schon vor vielen Jahren
       vertrat – womöglich war er selbst der Impulsgeber für Höckes Vorstoß. Denn
       Elsässer, einst Anhänger des Kommunistischen Bunds und konkret-Autor,
       begann bereits vor mehr als zehn Jahren seinen Weg nach rechts mit der
       Vorhaltung, dass „die Linke“ sich nicht mehr für das Proletariat
       interessiere. Schon 2006 hielt er dieser vor: „Mit Staatsknete wird
       Multikulti, Gendermainstreaming und die schwule Subkultur gefördert,
       während die Proleten auf Hartz IV gesetzt werden.“ Dagegen rief Elsässer
       damals zu einer neuen „Volksfront“ auf.
       
       Heute nun steht Elsässer mit Höcke auf einer Bühne, hat selbst schon bei
       Pegida gesprochen. Mit beider Verankerung in Ostdeutschland scheint der
       63-Jährige seine „Volksfront“ langsam aufkommen zu sehen. Wenig überrascht
       also, dass Compact nach den jüngsten, auch parteiinternen Angriffen gegen
       den „Flügel“ warnte, dies könne die Partei „erheblich schwächen“. Und
       herausstellte, wo die AfD zuletzt ihre Wahlerfolge einholte: im Osten –
       „überall dort, wo sie unter starkem Einfluss des Flügels steht“.
       
       Für den Verfassungsschutz machte es diese Nähe zum „Flügel“ fast
       unumgänglich, auch Compact zumindest zum „Verdachtsfall“ zu erklären.
       Elsässer wähnt sich dagegen bereits wieder im Aufwind. Nach seinem
       Corona-Hilfsappell an die Leserschaft vermeldete er einen angeblich
       „reißenden“ Absatz der Aprilausgabe. Und verkündete: „An unserer Rolle
       (...) wird sich nichts ändern. Wir halten stand.“ Wie es ausschaut, ist der
       Schritt vom „Verdachtsfall“ zum vollen Beobachtungsobjekt nur eine Frage
       der Zeit.
       
       15 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Speit
   DIR Konrad Litschko
       
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