# taz.de -- Corona-Silvester in Hamburg: Ungewöhnlich gewöhnlich
> Jahreswechsel unter Pandemiebedingungen: Haben die Menschen trotzdem
> gefeiert wie sonst? Ein Silvesterspaziergang.
IMG Bild: Rauch und Reifen: In den Seitenstraßen kam em ehesten so etwas wie Silvesteratmosphäre auf
Hamburg taz | Um halb zwölf ist es – leise: Ganz vereinzelt bollert es,
aber da ist jedes Begleitfeuerwerk für jungfernfahrende Kreuzfahrtschiffe
spektakulärer. Sollten die Menschen tatsächlich die [1][besonderen Regeln]
beachten zu diesem Jahreswechsel? „90 Prozent halten sich dran“, das hatte
Polizeichef Ralf Martin Meyer spät im alten Jahr [2][dem NDR gesagt]: Diese
Leute blieben zu Hause, tränken vielleicht ein Glas Sekt. Aber zehn Prozent
seien eben unbelehrbar. „Mit denen werden wir zu tun haben.“
Auf der Straße riecht es wie Silvester: rauchig, nach verbranntem Papier.
Zwei Häuser weiter sind ein Mann und einige Kinder zugange, hantieren mit
ein paar harmlosen Feuerwerkskörpern, Funken sprühen, aber es knallt nicht.
Es sind kaum Autos unterwegs, dafür ist Vogelgezwitscher zu hören, mitten
in der letzten Nacht des Jahres.
Auf dem Weg die Wallanlagen entlang Richtung Stephansplatz, zum
Jungfernstieg, werde ich von drei, vier Polizei-Kleinbussen, sogenannten
„Halbgruppen-Kraftwagen“ überholt. Bis zu 5.000 Menschen hatte die Polizei
[3][im Vorjahr] rund um die Binnenalster gezählt. Das Mitführen und
Abbrennen von Feuerwerkskörpern war hier auch damals schon untersagt worden
– und größtenteils war das auch beachtet worden.
Diesmal ist schon von weiter weg eine Lautsprecherstimme zu hören: Die
Polizei umrundet das Gewässer und sagt immer wieder durch, dass kein
öffentliches Feuerwerk zu sehen sein werde – und dass verboten sei, selbst
welches zu zünden.
## Vor allem Schiffstuten
Es ist vor allem Polizei da. Wer kaum da ist: Feierfreudige, die ermahnt
werden müssten. Auf „in der Spitze bis zu 1.000 Personen“ werden tags
darauf die Anwesenden in der Innenstadt beziffert werden, und dass ein paar
Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden seien, und vereinzelt
Feuerwerkskörper sichergestellt. „Bereits ab 0.15 Uhr verließen die
Besucher größtenteils den Bereich“, stellt die Polizei fest.
Um Mitternacht ist dann doch vermehrt fernes Knallen zu hören, und ein paar
Raketen steigen auf in den leicht nieseligen Nachthimmel. Vor allem aber
signalisiert Schiffstuten vom Hafen her, dass es nun wohl so weit sein
muss. Auf einer Dachterrasse stehen vier Menschen – soweit also
regelkonform. Mit Wunderkerzen scheinen sie etwas ins Dunkel zu schreiben,
„2021“ vielleicht – für irgendeinen Social-Media-Feed?
Auf dem Tschaikowskyplatz, am Rand des Karoviertels, hängt gehörig Rauch in
der Luft: Hier scheinen die Leute das mit dem verbotenen Feuerwerk nicht
ganz so eng zu sehen. Auf der Glacischaussee nähert sich ein halbes Dutzend
Polizeiautos, aber sie biegen ab in die Feldstraße.
Unbehelligt bleiben auch die Jungs, vielleicht eben so Teenager, die auf
dem Heiligengeistfeld funkensprühendes Zeug zünden. Ab und zu knallen,
weiter weg, Schreckschusspistolen. Auf Höhe des Bunkers mahnt wieder eine
Lautsprecherstimme: Bis zu 150 Euro könne es kosten, die Regeln nicht zu
befolgen.
## Joggen in Neon
Es ist gegen halb eins, als am Neuen Kamp zwei Joggende vorbeikommen, in
Neongelb und -pink – gute Vorsätze, frühestmöglich umgesetzt? Oder das ganz
normale Selbstoptimierungsprogramm, das in dieser ungewöhnlich gewöhnlichen
Nacht nicht unterbrochen werden muss?
Aus Richtung Schanzenviertel ist Getrommel zu hören: eine
Ein-Mann-Marchingband auf dem Weg in Richtung Kiez. In der Wohlwillstraße
treffen der Trommler und seine Begleitung auf eine beinahe professionell
wirkende Partygesellschaft: 30, 40 Menschen vielleicht, manche den Abstand
beachtend, verstärkte Musik und etwas buntes Licht. Er stimmt trommelnd
ein, erntet Johlen.
Definitiv in Hörweite stehen gleich ums Eck Polizeibeamt:innen in der
Otzenstraße. Sie könnten gerade eine Wohnungsparty kontrolliert haben. Die
Feiernden auf der Straße aber lassen sie gewähren – ob sich einfach niemand
beschwert hat darüber?
## Madonna zu laut?
Reeperbahn, Helgoländer Allee, Landungsbrücken: überall nur vereinzelte
Menschen, kein Vergleich mit dem Aufkommen in anderen Jahren. Um kurz nach
eins stehen im Portugiesenviertel zwei Peterwagen auf der Straße. Aus einem
Wohnhaus kommt Musik, die vier Uniformierten scheinen sich zu beraten: Ist
Einschreiten nötig? Dann fahren sie wieder weg – Madonnas „La isla bonita“
war auf Zimmerlautstärke gestellt worden, oder einfach die Balkontür wieder
geschlossen.
Auf „eine im Vergleich ruhige Silvesternacht“ wird die Polizei am
Neujahrstag zurückblicken: nicht ganz ohne Aktivität, aber eben in ganz
anderen Dimensionen; [4][auch die Feuerwehr] vermeldet insgesamt ruhige
Stunden für „Kameradinnen und Kameraden“.
1 Jan 2021
## LINKS
DIR [1] /!5735512/
DIR [2] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/coronavirus/Hamburger-Polizei-will-Feuerwerksverbot-ueberwachen,silvester1222.html
DIR [3] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/6337/4481175
DIR [4] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/82522/4802611
## AUTOREN
DIR Alexander Diehl
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