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       # taz.de -- Corona-Soforthilfe in Berlin: Den Zuschuss gebraucht?
       
       > Die Empfänger*innen von Coronahilfen für Soloselbstständige und
       > Kleinfirmen werden aufgefordert, ihre Förderung selbst zu überprüfen.
       
   IMG Bild: Wer sein Geschäft wegen Corona zumachen musste, ist nun womöglich in seiner Existenz bedroht
       
       Berlin taz | Die Berliner Verwaltung steht in dem Ruf, nicht die
       schnellste, effektivste und motivierteste zu sein. Doch Ende März geschah
       das Unglaubliche. Wegen der Coronakrise beantragten 233.000
       Soloselbstständige und Kleinfirmen öffentliche Zuschüsse aus dem
       „Soforthilfeprogramm II“. Und tatsächlich kam das Geld innerhalb weniger
       Tage auf den Konten an. Wie hat die Investitionsbank Berlin (IBB) das bloß
       geschafft?
       
       Nun, zwei Monate später, versendet die Bank Schreiben an die
       Empfänger*innen mit der Überschrift „Belehrung“. Betrüger*innen wird Strafe
       angedroht. Doch die Aufforderung richtet sich an alle: Wer Geld bekommen
       habe, möge bitte überprüfen, ob er und sie es wirklich brauchte. Die
       Kontoverbindung für die Rücküberweisung gibt die IBB gleich mit an.
       
       Über 10.000 Leute hätten bereits mehr als 72 Millionen Euro
       zurückerstattet, sagt IBB-Sprecher Uwe Sachs. So fragen sich viele
       Selbstständige jetzt: Habe ich den Zuschuss zu Recht erhalten, und wie soll
       ich das berechnen?
       
       Die Angelegenheit ist kompliziert, weil es Anträge für mehrere Programme
       und Zuschüsse mit verschiedenen Konditionen gab – alle verteilt von der
       IBB. Zum einen konnten Soloselbstständige und Kleinstfirmen 5.000 Euro aus
       Mitteln des Landes Berlin erhalten.
       
       ## Zum Leben und für Sachkosten
       
       Dieses Geld durfte verwendet werden, um die Lebenshaltungskosten der
       Selbstständigen und Löhne von Beschäftigten weiterzufinanzieren. Außerdem
       konnte es dazu dienen, Sachkosten wie Geschäftsmiete, Versicherungen,
       Zinsen für Kredite und Firmenfahrzeuge bezahlen.
       
       Zusätzlich stellte die Bundesregierung Zuschüsse von bis zu 9.000 Euro für
       Firmen mit maximal fünf Beschäftigten und bis zu 15.000 Euro für Betriebe
       mit höchstens zehn Leuten zur Verfügung. Dabei war es untersagt, die
       Förderung für Personalkosten auszugeben. Ausschließlich Sachkosten waren
       erlaubt. Beide Programme ließen sich kombinieren.
       
       Wer also beispielsweise 9.000 Euro bis zum 1. April beantragt hat, kann
       davon 5.000 Euro für Personal- und 4.000 Euro für Sachkosten einsetzen.
       Plausibel dürfte es erscheinen, sich von den 5.000 Euro drei Monate lang
       jeweils 1.650 Euro Unternehmerlohn auszuzahlen. Und zum Beispiel dreimal
       1.315 Euro Ladenmiete wären durch die 4.000 Euro abgedeckt. Zurückzuzahlen
       gäbe es nichts. Voraussetzung ist jedoch immer, dass ohne die Zuschüsse
       eine existenzbedrohende Wirtschaftslage entstanden wäre.
       
       Allerdings müssen die Antragsteller*innen Umsätze gegenrechnen, die sie
       wider Erwarten doch erwirtschaftet haben. Wenn nach Abzug aller Kosten in
       den Coronamonaten vielleicht 3.000 Euro Einnahmen verbucht wurden, sinkt
       der Zuschuss um diesen Betrag. Die Firma sollte dann 3.000 Euro an die IBB
       zurücküberweisen.
       
       Und die Investitionsbank betont die Bedeutung des Antragsdatums: „Bei einer
       Antragstellung ab dem 6. April sind nur noch Betriebskosten finanzierbar,
       ein Einsatz für die Lebenshaltungskosten ist nicht mehr möglich.“ In jedem
       Fall sollte man genau nachschauen, aus welchem Programm die Mittel
       beantragt und bewilligt wurden. Ob und was zurückzuzahlen ist, richtet sich
       nach den jeweiligen Bedingungen.
       
       ## Spezialproblem Teilselbständigkeit
       
       Ein Spezialproblem tut sich bei sogenannter Teilselbstständigkeit auf. Das
       betrifft etwa Leute, die 60 Prozent ihrer Einnahmen auf Basis eines
       Arbeitsvertrages und 40 Prozent als Selbstständige erwirtschaften.
       „Teilselbstständige waren nur bei Antragstellung bis einschließlich 30.
       März förderbar, danach nicht mehr“, schreibt IBB-Sprecher Uwe Sachs. „Bis
       dahin unterschieden sie sich nicht von Personen im Vollerwerb, konnten also
       auch bis zu 5.000 Euro für Lebenshaltungskosten ansetzen.“
       
       Allerdings durften sie das Geld nur verwenden, um Ausfälle der
       selbstständigen Tätigkeit zu kompensieren. Und das auch nur, wenn sie durch
       diesen Verlust in eine existenzgefährdende Lage kamen – trotz des
       zusätzlichen Arbeitsvertrags. Zu viel erhaltenes Geld sollte man auch hier
       zurücküberweisen.
       
       Ende Juni sind drei Monate rum, seit die Zuschüsse eintrafen. Dann ist es
       Zeit, in sich zu gehen und den Strich unter die erste Coronaphase zu
       ziehen, empfiehlt die IBB. Wobei die Bank keine „flächendeckende
       Überprüfung“ durchführt. Sie beschränkt sich auf Stichproben. Kommen dabei
       Zweifel auf, will sie aber in die Tiefe gehen.
       
       Und auch die Finanzämter können die Zuschüsse noch mal überprüfen, weil
       diese in den Steuererklärungen der Firmen auftauchen müssen. Finden sich da
       quasi normale Umsätze plus öffentliche Hilfe, dürfte das zu Problemen
       führen.
       
       7 Jun 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannes Koch
       
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