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       # taz.de -- Corona in Spanien: Sánchez lässt Madrid abriegeln
       
       > Die Coronafälle in Spaniens Hauptstadt steigen stark. Doch die
       > konservative Lokalregierung zieht gegen die Einschränkungen vor Gericht.
       
   IMG Bild: Madrilenen protestieren am Sonntag gegen die schlechte Covid-19-Vorsorge in ihrer Stadt
       
       Madrid taz | Leere Bahnhöfe und kaum Autos in der Madrider Innenstadt: Die
       wenigen Menschen, die am Wochenende die spanische Hauptstadt verlassen,
       haben alle einen triftigen Grund und können dies mit einem Dokument
       belegen. Arbeit, Ausbildung, Trauerfeier für einen Angehörigen, Rückreise
       an den üblichen Wohnort sind solche Anlässe. [1][Die restliche Bevölkerung
       darf seit Freitagabend, 22 Uhr nicht mehr aus der Stadt.] Und Besucher von
       außerhalb dürfen nur aus wichtigem Grund hinein.
       
       Außerdem dürfen an privaten Treffen nicht mehr als 6 Personen teilnehmen.
       Gotteshäuser, Restaurants und Wettbüros müssen ihre Plätze auf die Hälfte
       reduzieren. Sperrstunde und Ladenschluss wurden vorverlegt.
       
       Neben der spanischen Hauptstadt betreffen diese Maßnahmen des spanischen
       Gesundheitsministers Salvador Illa neun weitere Gemeinden in der Region
       Madrid. Zwar dürfen die 4,8 Millionen Betroffenen sich innerhalb ihrer Orte
       bewegen, aber Illa empfiehlt, „unnötige Ortswechsel zu vermeiden“.
       
       Die Anordnung aus dem Gesundheitsministerium richtet sich an spanische
       Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern, in denen in den letzten 14 Tagen
       mehr als 500 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner registriert wurden,
       mindestens 10 Prozent der Covid-Tests positiv ausfallen und 35 Prozent der
       Intensivbetten bereits belegt sind. Die Einschränkungen, die mehrheitlich
       von einem Treffen der Regionalregierungen abgesegnet wurde, gelten erst
       einmal zwei Wochen.
       
       ## Ayuso geht auf Konfrontation zu Sánchez
       
       Nirgends in Europa steigt die Zahl der Infektionen so schnell wie in
       Spaniens Hauptstadt und ihrem Umland. In den letzten 14 Tagen waren es in
       der Region 648 neue Fälle pro 100.000 Einwohner. Ein Fünftel aller
       Coronatests fällt positiv aus, mehr als 40 Prozent der Intensivbetten sind
       schon wieder mit Covid-Patienten belegt. Rund ein Drittel der knapp 790.000
       spanischen Covid-Fälle und 9.473 der über 32.000 Toten stammen aus der
       Region Madrid. 45 Wohngebiete standen bereits vor den neuen Maßnahmen
       [2][unter einem Lockdown].
       
       Auf den Ausfallstraßen der eingeschlossenen Gemeinden kontrolliert die
       Polizei. Doch bisher werden bei Verstoß keine Bußgelder verhängt. Denn die
       Regionalregierung Madrids, eine Koalition aus der konservativen Partido
       Popular (PP) und den Rechtsliberalen Ciudadanos (Cs), die von der
       rechtsextremen VOX unterstützt wird, hat Klage eingereicht.
       
       Regierungschefin Isabel Díaz Ayuso sieht in den Maßnahmen eine
       „Einmischung in die Zuständigkeiten“ ihrer Regierung und befürchtet
       „schweren wirtschaftlichen Schaden“. Die Klage wurde angenommen. In
       spätestens zwei Wochen muss ein Urteil ergehen. VOX dauert dies zu lange.
       Die Partei zog am Wochenende mit einen Eilantrag auf eine einstweilige
       Verfügung gegen die Einschränkungen vor Gericht. Bis Dienstag haben die
       Richter für ihr Urteil Zeit.
       
       Die Klage Ayusos ist der einstweilige Höhepunkt eines Politikspektakels.
       Sie nutzt die Pandemie für einen harten Konfrontationskurs mit der
       spanischen Linksregierung unter Pedro Sánchez. Erst handelte Ayuso mit
       Sánchez ein gemeinsames Vorgehen aus, um wenige Stunden später alles wieder
       platzen zu lassen. Dann verlangte Ayuso gleiche Maßnahmen für ganz Spanien.
       Als diese ausgearbeitet wurden, sicherte Ayuso ihre Unterstützung zu – um
       dann auf der Konferenz der Regionalregierungen dagegen zu stimmen.
       
       Mittlerweile zeichnen sich erste Risse innerhalb der Regionalregierung ab.
       „Die Einigeit aller Institutionen ist der richtige Weg, um das Virus zu
       besiegen“, mahnte der regionale Sozialminister Alberto Reyero am Freitag
       und legte sein Amt nieder. Die Opposition überlegt derweilen, ein
       Misstrauensvotum gegen Ayuso einzuleiten.
       
       4 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
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