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       # taz.de -- Corona in der EU: Völlig unvorbereitet
       
       > In Sachen Corona-Bekämpfung agiert jedes EU-Land für sich. Eine
       > gemeinsame europäische Strategie fehlt. Das könnte sich jetzt ändern.
       
   IMG Bild: Menschen gehen zum Evakuierungsflug für EU-Bürger*innen aus Wuhan Anfang Februar
       
       Brüssel taz | Was unternimmt die Europäische Union eigentlich gegen die
       Ausbreitung des [1][Coronavirus]? Bisher herzlich wenig, kritisiert der
       CSU-Europapolitiker Manfred Weber.
       
       Jedes EU-Land ergreife nationale Schutzmaßnahmen, doch es fehle eine
       gemeinsame Strategie, findet Weber, der die konservative EVP-Fraktion im
       Europaparlament führt. Seine Fraktion schlug vor, dass jeder bei der
       Einreise in die EU einen Fragebogen ausfüllen muss, um einer weiteren
       Verbreitung des Virus vorzubeugen.
       
       Vor dem Krisentreffen der EU-Gesundheitsminister am Donnerstag in Brüssel
       forderte der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) derweil Mittel
       aus dem EU-Haushalt für die Forschung im Kampf gegen das Virus.
       
       Dass dieses Krisentreffen überhaupt nötig wurde, zeigt, wie schlecht es um
       die gemeinsame Gesundheitspolitik bestellt ist. Die EU hinkt den USA und
       Großbritannien hinterher, die bereits frühzeitig Alarm geschlagen haben.
       Sogar auf der Ebene der G7 – der sieben größten Industrieländer – ging die
       Abstimmung schneller als in Brüssel. Dabei hatte EU-Gesundheitskommissarin
       Stella Kyriakides schon Ende Januar behauptet, die EU sei auf die
       Ausbreitung des Coronavirus vorbereitet.
       
       ## Alles im Alleingang unter Kontrolle
       
       Dass es dennoch so schleppend vorangeht, liegt an den fehlenden
       Zuständigkeiten. Nach EU-Recht sind allein die Mitgliedstaaten für die
       Gestaltung und Finanzierung ihres Gesundheitswesens verantwortlich. Der
       EU-Kommission kommt nur eine ergänzende und koordinierende Rolle zu. Zwar
       legte die EU in den 1990er Jahren eigene Programme auf, um spezifische
       Erkrankungen zu bekämpfen – darunter Krebs, Aids sowie andere ansteckende
       und seltene Krankheiten. Doch wirklich effizient waren diese Programme
       nicht. Erst vor Kurzem erinnerte sich die EU-Kommission wieder an den Kampf
       gegen Krebs – nachdem Weber die Volksseuche zum Thema beim Europawahlkampf
       2019 gemacht hatte.
       
       Überhaupt gehen die meisten gesundheitspolitischen Initiativen vom
       Europaparlament aus. Ein Beispiel sind die [2][Schockbilder auf
       Zigaretten-Packungen]. Den Anstoß gab ein britischer Europaabgeordneter –
       er hatte sich ein Vorbild an Australien genommen. Die EU-Kommission folgt
       meist nur zögerlich. Denn sie ist bei allen Vorschlägen auf die Zustimmung
       der Mitgliedstaaten angewiesen, die eifersüchtig über ihre nationalen
       Kompetenzen wachen. So war es auch beim Coronavirus.
       
       Als die ersten Fälle in Bayern bekannt wurden, erklärte Spahn, Deutschland
       habe alles unter Kontrolle. Auch Italien reagierte im Alleingang, als
       Corona-Verdacht auf einem Kreuzfahrtschiff gemeldet wurde. Die europäische
       Abstimmung kam immer erst hinterher – wenn überhaupt.
       
       Doch das soll sich nun ändern. Es dürfe keine nationalen Alleingänge mehr
       geben, erklärte Spahn in Brüssel. Aufgrund der offenen Grenzen in Europa
       mache es keinen Sinn, wenn nur Deutschland Reisebeschränkungen erlasse oder
       verschärfte Kontrollen an den Flughäfen einführe.
       
       ## Beginn einer gemeinsamen Initiative?
       
       Das ist richtig – führt in der Praxis aber oft dazu, dass Entscheidungen
       verschleppt werden. Solange sich nicht alle 27 EU-Staaten für
       Schutzmaßnahmen aussprechen, geht es nicht voran. Immerhin wollen die
       nationalen Gesundheitsminister die EU-Kommission nun auffordern,
       „Vorschläge für abgestimmte Maßnahmen für die nächste mögliche Phase des
       Ausbruchs“ zu unterstützen. Auch ein engerer Informationsaustausch über die
       Lage an Flughäfen ist geplant.
       
       Die Gesundheitsminister wollen sich auch endlich um die „Verfügbarkeit von
       Medikamenten in der EU“ kümmern. Die nationalen Gesundheitsbehörden sollen
       dabei eng mit Brüssel zusammenarbeiten. Vielleicht ist das ja der Beginn
       einer gemeinsamen europäischen Gesundheitsoffensive.
       
       16 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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