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       # taz.de -- Coronabeschlüsse von Bund und Ländern: Volles Risiko
       
       > Bei Inzidenzwerten bis 100 sollen die Coronaregeln gelockert werden.
       > Begründet wird das mit Tests und Impfungen – doch genau da stockt es.
       
   IMG Bild: Müde von der Arbeit als Bremserin: Angela Merkel nach dem Bund-Länder-Gipfel am 4.3.2021
       
       Es war eine veränderte Angela Merkel, die am Mittwoch eine halbe Stunde vor
       Mitternacht vor die Kameras trat. [1][Nach den neunstündigen Beratungen mit
       den Ministerpräsident*innen] wirkte die sonst stets hoch
       konzentrierte Kanzlerin etwas fahrig und blickte mehr als üblich auf ihre
       Sprechzettel. Auch was sie sagte, klang anders als bei den vorherigen
       Treffen. Hatte Merkel dort stets die Mahnerin gegeben, die die Gefahren
       betonte und vor zu schnellen Lockerungen warnte, machte sie diesmal vor
       allem Mut. „Wir können heute von Hoffnung und dem Übergang in eine neue
       Phase sprechen“, leitete sie ihr Statement ein.
       
       Grundlage für diese Hoffnung seien, so die Kanzlerin, erstens die
       gesunkenen Infektionszahlen, zweitens die verbesserten Testmöglichkeiten
       und drittens die voranschreitenden Impfungen. Dass die Realität nicht ganz
       so gut aussieht – die Infektionszahlen steigen seit knapp zwei Wochen
       wieder, [2][Selbsttests und kostenlose Schnelltests sind noch immer nicht
       erhältlich] und beim Impfen kommen die Länder langsamer voran als möglich –
       spielte dabei offenbar keine Rolle. Die Coronabeschränkungen sollen
       trotzdem gelockert werden.
       
       Entscheidendes Kriterium bleibt dabei die 7-Tage-Inzidenz, also die Zahl
       der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner*innen innerhalb einer Woche.
       Als Grenzwert gilt ab jetzt wieder eine Inzidenz von 50. Der Wert von 35,
       der beim letzten Bund-Länder-Gipfel auf Druck von Merkel wegen der
       zusätzlichen Gefahr durch die Mutation festgelegt worden war, ist damit
       hinfällig. Auch bei Inzidenzen, die zwischen 50 und 100 liegen und nicht
       steigen, sollen Lockerungen möglich sein, aber mit mehr Auflagen. Ob
       einzelne Kreise als Maßstab gelten, größere Regionen oder ganze
       Bundesländer, lässt der Beschluss offen.
       
       Unabhängig von den Inzidenzen dürfen nächste Woche Buchhandlungen und
       Gartenmärkte wieder öffnen; sonstige Geschäfte sowie Museen dürfen ab dann
       bei einer Inzidenz unter 50 generell öffnen und bei Werten zwischen 50 und
       100 mit vorheriger Terminbuchung. Auch Sport im Freien soll von nächster
       Woche an wieder begrenzt möglich sein.
       
       ## Schule ist auf einmal kein Thema mehr
       
       Danach sehen die Pläne zwei weitere Öffnungsschritte vor, doch ob diese
       Realität werden, ist offen. Denn sie sind an sinkende oder stabile
       Inzidenzen gekoppelt, und die scheinen angesichts der Verbindung aus dem
       wachsenden Anteil der Mutationen und den vorherigen Öffnungen wenig
       wahrscheinlich. Sollten die Zahlen aber tatsächlich nicht steigen, dürfen
       dann ab 22. März Gastronomie im Freien sowie Theater, Konzerthäuser, Kinos
       und Sporthallen wieder öffnen – in Regionen mit Inzidenz unter 50 generell,
       bei stabiler Inzidenz zwischen 50 und 100 mit tagesaktuellem Test. Ab
       Ostern könnte dann der Einzelhandel auch bei Inzidenzen zwischen 50 und 100
       wieder ohne Terminpflicht öffnen.
       
       Unabhängig von den Inzidenzen dürfen sich zudem ab sofort wieder bis zu
       fünf Personen aus zwei Haushalten privat treffen. Und anders als bisher
       zählen Kinder unter 14 dabei nicht mit. In Regionen mit einer Inzidenz
       unter 35 sollen sich bis zu zehn Personen aus drei Haushalten treffen
       dürfen.
       
       Keinerlei Angaben finden sich im Abschlusspapier zur weiteren Öffnung der
       Schulen, die eigentlich Vorrang vor allen sonstigen Öffnungen haben sollte.
       Hier können die Länder demnach selbst entscheiden, für welche weiteren
       Klassenstufen, wann und in welcher Form der Präsenzunterricht wieder
       aufgenommen wird. Auch von der Ankündigung, dass weitere Öffnungen mit
       einem umfassenden Testangebot verknüpft werden, bleibt nur wenig übrig:
       Angekündigt wird gerade mal ein kostenloser Schnelltest pro Woche.
       
       Während es bei den Öffnungen offenbar wenig Konflikte gab, soll es beim
       Thema Geld zu einem heftigen Wortgefecht zwischen Finanzminister Olaf
       Scholz (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gekommen
       sein. Der Streit drehte sich um die Frage, inwieweit sich die Länder
       finanziell am Härtefallfonds für die Wirtschaft beteiligen müssen. Die
       Details wurden schließlich vertagt.
       
       Etwas von Merkels bisheriger Vorsicht findet sich übrigens doch noch im
       Abschusspapier: Sie hat eine sogenannte Notbremse durchgesetzt. Wann immer
       die regionale Inzidenz für drei Tage über den Wert von 100 steigt, werden
       alle Öffnungen wieder zurückgenommen und die derzeitigen Regeln gelten
       wieder. Zumindest sofern nicht auch dann wieder anders entschieden wird,
       als zuvor angekündigt.
       
       4 Mar 2021
       
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