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       # taz.de -- DFB-Team in WM-Laune: Stimmungsaufheller Italien
       
       > Der berauschende 5:2-Erfolg gegen Italien erzeugt bei der deutschen Elf
       > beste WM-Gefühle. Und die zähe Remisserie zuvor? Soll vergessen sein.
       
   IMG Bild: Der Kapitän freut sich: Torwart manuel Neuer nach dem Sieg gegen Italien
       
       Es kommt nicht so häufig vor, dass die Menschen rund um das Stadion in
       Mönchengladbach in lautes Gekreische verfallen, allein weil aus der
       Dunkelheit plötzlich Kevin Trapp auftaucht. Aber selbst der erneut keine
       Minute eingesetzte Ersatztorhüter der deutschen Nationalmannschaft wurde an
       diesem lauen Sommerabend beim Einsteigen in den Bus von den Fans in
       Mönchengladbach am Gitterzaun wie ein Popstar gefeiert. Die gute Stimmung
       konnte auch das Verkehrschaos rund um den Borussia-Park nicht trüben. Die
       44.144 Zuschauer ohne italienische Wurzeln waren zu glücklich, bei einem
       fast schon historischen 5:2 gegen die derangierte Squadra Azzurra dabei
       gewesen zu sein.
       
       Die Deutschen, sagte Italiens Nationaltrainer Roberto Mancini, hätten eine
       „enorme Qualität“. Der nicht für die WM qualifizierte [1][Europameister]
       hat sich schnell verzwergt, während der vierfache Weltmeister Deutschland
       langsam auf dem Weg zurück zu alter Stärke scheint. Die DFB-Auswahl hatte
       mit Blick auf die WM in Katar (21. November bis 18. Dezember) einen starken
       Eindruck hinterlassen. Der erste Sieg gegen Italien in regulären 90 Minuten
       in einem Pflichtspiel – wenn die neue erfundene Nations League in diese
       Kategorie fällt – stimmte Bundestrainer Hansi Flick zufrieden wie
       zuversichtlich. Den „kleinen Stresstest“ (O-Ton Flick) [2][nach einer
       eigenartigen 1:1-Serie] habe man bestanden. Sogar teilweise brillant und
       bravourös.
       
       Der 57-Jährige sprach ein „riesiges Kompliment“ an seine Mannschaft aus,
       „für die Art und Weise, wie sie Fußball gespielt hat: Sie hat alles, was
       wir uns vorgenommen haben, umgesetzt.“ Ganz nebenbei baute der Heidelberger
       sogar Sorgenkind Leroy Sané wieder eine Brücke ins Team. Für solche Spieler
       sei es „einfach wichtig, dass sie Vertrauen spüren“, bekundete Flick.
       Fördern und fordern hat dieser Fußballlehrer zum Grundprinzip erhoben, das
       schon beim FC Bayern gezogen hat. Nun bleibt vom
       Regenerationstrainingslager in Marbella über das Camp in Herzogenaurach und
       die Stationen Bologna, München, Budapest vor allem dieses Spiel in
       Mönchengladbach haften; gleichzeitig ist die Leistung der Anspruch, wenn
       man Weltmeister werden will.
       
       In dieser Form sollte die Vorrundengruppe mit Japan (23. November), Spanien
       (27. November) und das gerade qualifizierte Costa Rica (1. Dezember)
       machbar sein. Bis dahin will Flick in den letzten beiden
       Nations-League-Partien gegen überraschend die Gruppe anführende Ungarn (23.
       September) und in England (27. September) an der „einen oder anderen
       Stellschraube“ drehen. Viel Zeit bleibt nicht: Erst nach dem für den 11.
       bis 13. November angesetzten 15. Spieltag wird die Bundesliga unterbrochen
       – dann folgt ein Kurzaufenthalt in Dubai mit einem Testspiel, ehe die WM
       startet.
       
       ## Überragender Taktgeber Gündoğan
       
       Lästige Grundsatzdebatten wie Jürgen Klinsmann vor der Heim-WM 2006 oder
       Löw vor den WM-Turnieren 2010 und 2014 muss Flick nicht moderieren. Joshua
       Kimmich (10.), İlkay Gündoğan (45.+4/Foulelfmeter), Thomas Müller (51.) und
       Timo Werner (68. und 69.) sorgten dafür, dass die Tor-Jingle vom
       Dancefloor-Stampfer „Kernkraft 400“ gefühlt in Endlosschleife aus den
       Lautsprechern dröhnte.
       
       Die Ergebniskosmetik durch zwei Treffer von Wilfried Gnonto (78.) und
       Alessandro Bastoni (90.+4) störte am Ende kaum. „Wenn wir es so machen,
       dann werden es ganz, ganz viele Mannschaften schwer gegen uns haben“, sagte
       der überragende Taktgeber Gündoğan. Er war neben Manuel Neuer, Antonio
       Rüdiger und Müller einer der Garanten des gelungenen Auftritts.
       
       Dieser Sieg gebe nicht nur „ein gutes Gefühl“ für die Sommerpause, sagte
       der Bundestrainer, man gehe sogar mit „einem Supergefühl in den Urlaub“.
       [3][Flicks größtes Verdienst i]n einer ungeschlagenen Premierensaison ist
       es, in den Heim-Länderspielen das Publikum bestens unterhalten zu haben.
       Egal, gegen wen es geht: Heim-Länderspiele sind seit seinem Amtsantritt
       wieder Feiertage.
       
       Allein Thomas Müller schien der Überschwang nicht ganz geheuer, als er im
       ZDF-Interview sagte: „Wir haben ein gutes Projekt am Laufen, aber noch
       allerhand Defizite.“ Einerseits „haben wir alles, um an einem guten Tag
       jeden schlagen zu können“, erklärte der 32-Jährige, andererseits schickte
       er aus seinen wechselvollen WM-Erfahrungen – Dritter 2010, Weltmeister
       2014, Vorrundenaus 2018 – hinterher, dass „wir bei den fußballschlauen
       Dingen was draufpacken“. Eine perfekte Mannschaft sei man noch nicht. Mit
       dieser Botschaft verabschiedete sich Müller in den verdienten Urlaub.
       
       15 Jun 2022
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Hellmann
       
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