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       # taz.de -- Das Montagsinterview: "Krömer und Buschkowsky, das ist wie Dick und Doof"
       
       > Der Komiker Kurt Krömer zieht die Menschen in seinen Bann. Warum? Die
       > Jury, die ihm im letzten Jahr den Deutschen Kleinkunstpreis verlieh,
       > begründete das so: "Die große Kunst seiner Komik besteht darin, dass sie
       > sich hartnäckig einer analytischen Betrachtung entzieht." INTERVIEW:
       > PLUTONIA PLARRE, FOTO: DETLEF SCHILKE.
       
   IMG Bild: Hornbrille, Silberblick, angeklatschte Haare - das sind Kurt Krömers Markenzeichen. Auch was seine Kleidung angeht, ist Kurt Krömer bekannt für Geschmack. Die Hosen sind zwei Nummern zu groß, das Sakko spannt über der Brust.
       
       taz: Guten Tag, Herr Krömer. Oder möchten Sie lieber mit Ihrem bürgerlichen
       Namen Alexander Bojcan angesprochen werden? 
       
       Kurt Krömer: Bitte sagen Sie Krömer.
       
       Wie bekommt Ihnen der häufige Identitätswechsel? 
       
       Leichte Macke oder was? Dass man nicht mehr weiß, wer man ist? Nee. Ich bin
       Kurt Krömer. Auch in meinem Privatleben vermag ich die Leute zum Lachen zu
       bringen. Wenn ich auf der Bühne stehe, überdrehe ich dann noch ein
       bisschen. Man könnte auch sagen, ich werde zur Rampensau.
       
       Also keine Verwandlung wie bei Doktor Jekyll in Mr. Hyde? 
       
       Wenn damit gemeint ist, dass aus meiner Garderobe Schreie ertönen und an
       der Tür ein Schild hängt: "Pssst, nicht stören, er verzaubert sich gerade",
       muss ich Sie leider enttäuschen.
       
       Von der Akademikerin bis zum Bauarbeiter - Sie ziehen alle Schichten der
       Gesellschaft in Ihren Bann. Wie erklären Sie sich das? 
       
       Ich bin Bauarbeiter mit Akademieabschluss im Geiste. Anscheinend habe ich
       die Gabe, die achtzigjährige Oma genauso zum Lachen zu bringen wie den
       sechzehnjährigen Punk. Ich glaube, es liegt daran, dass ich die Dinge mit
       einer gewissen Einfachheit rüberbringe. Ich stelle mich nicht mit erhobenem
       Zeigefinger hin und sage, ihr seid alle bescheuert. Ich bin ganz
       ausdrücklich kein Kabarettist.
       
       Was sind Sie dann? 
       
       Clown. Wenn ich beim Arzt bin, sage ich immer, ich bin Komiker. Das tue ich
       aber nur, weil sonst die Frage kommt: Was für ein Clown? Der von Roncalli
       mit der roten Nase und den zu großen Schuhen, der ständig hinfällt und ne
       Torte ins Gesicht kriegt? Nee. Ich bin ein moderner Clown, so
       Leo-Bassi-mäßig …
       
       … der spanische Anarchoclown …
       
       … der so aussieht, wie einer von der Stadtsparkasse Brandenburg. Der unter
       uns lebt, sehr bieder ist, aber völlig überdreht.
       
       Sie haben einen kometenhaften Aufstieg vom Kleinkünstler zum Fernsehstar
       hinter sich. Wo hat Ihre Karriere eigentlich angefangen? 
       
       In der Scheinbar. Das ist ein Varieté in Schöneberg mit Open Stage. Da kann
       jeder Bekloppte auftreten. Man kann alles machen. Es darf nur nicht länger
       als acht Minuten dauern. Es war 1993. Es war harte Arbeit. Ich wusste, dass
       ich Talent habe, auch wenn nur wenige Leute an mich geglaubt haben.
       
       Kein brandender Applaus? 
       
       Mitleid. Als ich am Ende der Vorstellung gesagt habe, ich geh jetzt mal,
       hieß es, mach mal. Ich war kurz vorm Heulen. Ich habe damals als
       Hilfsarbeiter auf dem Bau gearbeitet.
       
       Sie hatten mit 16 die Schule geschmissen, keinen Beruf erlernt und mussten
       sich mit Jobs über Wasser halten. 
       
       Wenn ich nachmittags dreckig wie ein Schwein vom Bau nach Hause kam, war
       ich fix und alle. Nur mit Mühe habe ich mich bis abends wach halten können
       - um in der Scheinbar aufzutreten und voll auf die Schnauze zu fliegen.
       
       Wie lange ging das so? 
       
       Jahre. Alle paar Wochen bin ich hin. Die Leute haben schon verschämt
       weggeguckt: Da isser wieder. Die haben gedacht, dass ist unfreiwillige
       Komik. Ich war extrem aufgeregt und habe gestottert. Ich habe meinen
       Auftritt sehr ernst genommen. Schon damals habe ich mich mit dem Satz
       vorgestellt: Mein Name ist Kurt Krömer. Ich komme aus Neukölln.
       
       In Wirklichkeit wohnen Sie gar nicht in Neukölln. 
       
       Damals habe ich noch in Neukölln gewohnt. Und wenn ich sage, ich komme aus
       Neukölln, ist das keine Lüge. Ich bin im Neuköllner Krankenhaus geboren
       worden. Ich habe mir das Geburtenbuch angeguckt. Alexander Bojcan. Der
       Arzt, der mich entbunden hat, hieß Wunderlich. Man hat mich mit der
       Saugglocke rausgeholt. Passt gut, weil ich schwer aus dem Bett komme.
       
       Ihre Mutter war Schneiderin, Ihr Vater Tischler. Durch ihn haben Sie den
       französischen Komiker Louis de Funès lieben gelernt. 
       
       Mein Vater und ich haben zusammen Videos von Louis de Funès geguckt, auf
       "Stopp" gedrückt und die Szenen nachgespielt. Da war ich acht, neun. Das
       war aber mehr ein Gesellschaftsspiel. Damals wusste ich noch nicht, dass
       ich das Talent habe.
       
       Ihre Shows wirken ausgesprochen spontan. Ist das wirklich so? 
       
       Das kommt aufs Publikum an. Wenn die Leute gut drauf sind und mitmachen,
       sind 30 bis 40 Prozent improvisiert. Ansonsten arbeite ich nach dem
       Prinzip, dass ich einen Chaosplan habe. Im tiefsten Innern meines Herzens
       bin ich Anarchist.
       
       Chaosplan? 
       
       Struktur, Dramaturgie, roter Faden- das finde ich alles nicht wichtig. Mein
       Chaosplan besteht aus Themen und Leuten. Alles, was sich gut durch den
       Kakao ziehen lässt. Johannes Heesters und seine Nazi-Vergangenheit, Ben
       Becker und seine Bibelshow im Tempodrom. Ich habe ja bereits angekündigt,
       dass ich im nächsten Jahr im Tempodrom aus dem Koran vorlesen werde. Meine
       momentane Lieblingsnummer ist "Carol Ann trifft das Böse". Da spreche ich
       mit zwei Stimmen.
       
       Das klingt aber einstudiert. 
       
       Am Anfang ist die Nummer anderthalb Minuten lang. Jeden Abend kommt was
       dazu. Irgendwann bin ich bei acht Minuten. Das ist wie bei "Dinner for
       One". Die Nummer würde heute auch zwei Stunden dauern, ohne dass Langeweile
       aufkäme, wenn Miss Sophie und ihr Butler James noch leben würden.
       
       Schreiben Sie Ihre Texte alle selbst? 
       
       Ja. Ich habe aber jemanden, mit dem ich Brainstorming mache, wo man noch so
       Scheiße bauen kann. Hans Borghorst ist ein ziemlicher Querschießer. Mit ihm
       plane ich auch die Einspielfilmchen fürs Fernsehen.
       
       Wie kommen Sie auf den ganzen Quatsch, den Sie so verzapfen? 
       
       Indem ich Menschen belausche. Am Hermannplatz beim Pommesessen, in der
       U-Bahn. Auch Taxifahrer sind super. Am besten sind Leute, die unfreundlich
       sind. Typisch Berlin eben.
       
       Also nix von wegen Weltstadt mit Herz? 
       
       Doch, aber die funktioniert anders: Erst mal rumblöken. Revier markieren:
       Det hier is alles meins. Aber dann, nach fünf Minuten, kannste den Berliner
       fragen: Leihste mir mal 10 Euro? Und der würde glatt sagen: Ja.
       
       Wo treten Sie lieber auf, im Theater oder im Fernsehstudio? 
       
       Für mich ist die klassische zweistündige Soloshow im Theater nach wie vor
       das Größte. Im Fernsehen hat man immer diese Kameraeinstellung. Man muss
       aufs Licht achten. Alles hat seinen festen Ablauf. Aber das versuche ich
       den Fernsehfritzen gerade abzugewöhnen.
       
       Wie machen Sie das? 
       
       Anfangs hat die Redakteurin verlangt, dass ich ihr vor dem Auftritt meine
       Texte vorlege. Ich hab immer gesagt: Hab ich vergessen. So wie in der
       Schule. Ich hatte keine Lust, dass man in meinen Nummern rumstreicht. Ich
       will machen, was ich denke, und nicht, was andere meinen. Beim RBB ist das
       inzwischen angekommen. Die lassen mich jetzt machen.
       
       In Ihren Fernsehshows spielen Studiogäste eine wichtige Rolle. Wie bereiten
       Sie sich auf die Leute vor? 
       
       Der erste Kontakt, den ich mit meinen Gästen habe, ist, wenn die Tür zur
       Bühne aufgeht. Ich gucke mir vorher ihre Vita an, das ist alles. Kein
       Vorgespräch. Ich war mal bei Johannes B. Kerner im ZDF eingeladen. Davor
       hat mich ein Redakteur stundenlang ausgequetscht. So kann man auch den
       letzten Rest von Spontaneität töten.
       
       Sie essen auf der Bühne Popel, rotzen ins Glas und trinken die Suppe dann
       aus, reißen Polen- und Schwulenwitze. Gibt es für Sie eine Grenze? 
       
       Die Pointen müssen gut sein und vertretbar. Judenwitze und Krankheiten sind
       tabu. Ich habe ein ziemlich gutes Gespür dafür, wie viel ein Gast vertragen
       kann. Bei Lilo Wanders habe ich mich zurückgehalten. Sie wirkte sehr
       schüchtern auf mich. Aber wenn so einer wie Walter Momper auf die Bühne
       poltert, ist das eine Steilvorlage. Politiker braucht man nicht zu schonen.
       Da trete ich gerne nach.
       
       Wie hat sich Renate Künast als Gast gemacht? 
       
       Die Elli war toll. Sie war entspannt und hat gezeigt, dass sie lachen kann.
       Wenn sie bei Anne Will in der Talkshow ist, wirkt sie eher trocken. Was ich
       überhaupt nicht leiden kann, sind Gäste, die denken, sie müssten sofort
       lustig sein. Zum Beispiel Claudia Roth, gleiche Partei. Sie hat sich selbst
       in die Scheiße geritten. Ich brauchte gar nichts zu sagen. Sie kam im
       Dirndl an und hat mir ein Geschenk mitgebracht, das in Cellophanpapier
       eingewickelt war …
       
       … jeder Studiogast ist verpflichtet, Ihnen ein Geschenk mitzubringen.
       
       Bei Claudia Roth waren es Weißwürste in der Dose zum Aufmachen. Dirndl,
       Grüne, Umweltschutz - und ich werd immer gefragt, warum ich die Leute
       verscheißere.
       
       Welcher Gast war das Highlight? 
       
       Uta Ranke-Heinemann …
       
       … Tochter des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann.
       
       Sie war göttlich. Die Frau ist über 80, wirkt aber wie 22. Ihr ging es nur
       darum, ihre Thesen über Theologie rüberzubringen. Mich hat sie überhaupt
       nicht ernst genommen. Es war so wie Oma und Enkel. Einmal hat sie mir fast
       eine geknallt: Hör jetzt auf. Irgendwann hat sie sich weggedreht und sich
       eine eigene Kamera gesucht.
       
       Apropos Geschenke. In zwei Tagen ist Weihnachten. Haben Sie schon alles
       zusammen? 
       
       Nein. Ich habe Kaufhemmungen. Ich weiß, was ich will, aber ich gehe erst
       auf den letzten Drücker los. Am 23., 24. Vorletzten Sonntag war ich in der
       Alexa. Da fehlt nur noch das Pferd und der Morgenstern. Dann reiten die da
       ein und schlagen sich tot. Am besten war die Eröffnung.
       
       Was steht auf Ihrem eigenen Wunschzettel ganz oben? 
       
       Ich hätte gern einen Schlafanzug. Früher hab ich immer gesagt: Oma, schenk
       mir bloß keinen Schlafanzug mehr mit dem doofen Alf drauf. Sie wissen
       schon, der sprechende Außerirdische - eine Stoffpuppe aus den USA. Mit 14
       hab ich immer noch so einen bekommen.
       
       Feiern Sie mit Ihren Eltern? 
       
       Habt ihr ne Gans?
       
       Wie bitte? 
       
       Nee. Wir machen Strauß.
       
       Okay, okay, lassen wir das Private. Sprechen wir lieber über Ihr Verhältnis
       zu dem umstrittenen Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky. 
       
       Der Mann ist einfach sympathisch. Er bläht sich gern ein bisschen auf, aber
       was seinen Bezirk angeht, kann ihm keiner was vormachen.
       
       Buschkowsky hat Ihnen vor laufender Kamera eine Sahnetorte ins Gesicht
       geklatscht. War das seine Idee? 
       
       Nein, meine. Ich habe Buschkowsky in meinen Shows schon oft verarscht. Da
       sollte man die Größe besitzen, ihn auch mal zurücktreten zu lassen. Dafür
       werde ich jetzt aber …
       
       … sollen wir das Aufnahmegerät abschalten?
       
       Nicht nötig. Krömer und Buschkowsky, das ist wie Dick und Doof. Ich habe
       schon eine Schweinerei vorbereitet. Mehr sage ich nicht.
       
       21 Dec 2008
       
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