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       # taz.de -- Datteln IV geht ans Netz: Letzter Dinosaurier startet früher
       
       > Am Samstag geht Deutschlands letztes Steinkohlekraftwerk in den
       > kommerziellen Betrieb. Klimaschützer*innen empfinden das als Provokation.
       
   IMG Bild: Greenpeace-Aktivisten demonstrieren am 20. Mai vor dem Steinkohlekraftwerk Datteln 4
       
       BOCHUM taz | Trotz massiver Kritik von Klimaschützern und jahrzehntelanger
       Klagen von Umweltverbänden will der der Energiekonzern Uniper sein
       Steinkohlekraftwerk Datteln im nördlichen Ruhrgebiet schon am Samstag in
       den Regelbetrieb nehmen.
       
       „Wir bestätigen die geplante kommerzielle Inbetriebnahme von Datteln 4 am
       30. Mai 2020“, sagte ein Sprecher des Unternehmens am Mittwoch zur taz.
       Bisher war stets vom Sommer die Rede gewesen. Aus Sicht des Unternehmes
       ligt der Termin dennoch „in dem von uns mehrfach kommunizierten
       Zeitrahmen“.
       
       Datteln gilt neben der Braunkohleverstromung an den rheinischen Tagebauen
       Garzweiler und Hambach als Zentrum der Proteste der Klimabewegung: Nach
       Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung dürfte der
       Steinkohleblock mit einer Leistung von 1.050 Megawatt während seiner
       Laufzeit 40 Millionen Tonnen des Klimakillers Kohlendioxid zusätzlich
       ausstoßen – selbst wenn im Gegenzug wie angekündigt ältere
       Steinkohlekraftwerke abgeschaltet werden.
       
       Die Inbetriebnahme gegen die Empfehlung der Kohlekommission sei eine
       „unerhörte, in Stahl und Beton gegossene Provokation“, findet nicht nur der
       Geschäftsleiter des Umweltverbands BUND in NRW, Dirk Jansen. Mit der
       Inbetriebnahme erlösche „der letzte Funken energiepolitischer
       Glaubwürdigkeit“ der Bundesregierung, kritisierte auch die
       Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer auf Twitter. Datteln 4 sei schlicht
       „absurd“ – Deutschland nehme sich jede Möglichkeit, andere Staaten zu mehr
       Klimaschutz zu bewegen.
       
       ## Kritk von Greta Thunberg
       
       Scharfe Kritik kam auch von Greta Thunberg. „Die, die an der Macht sind,
       haben eindeutig gelogen, als sie sagten, dass sie sich um die Zukunft ihrer
       Kinder kümmern“, schrieb die schwedische Initiatorin der Klimaproteste von
       Fridays for Future am Mittwoch. „Wenn es einen Beweis brauchte, dass ihre
       Worte und Versprechen leer sind: Das ist er.“
       
       Der Grund: [1][Datteln wird Energie anderer, umweltfreundlicher
       produzierender Kraftwerke aus dem Netz verdrängen]. So sei Steinkohlestrom
       bei den aktuellen Preisen für Brennstoff und Kohlendioxid-Zertifikate
       einfach günstiger als der aus Gaskraftwerken, die nur etwa halb so
       klimaschädlich sind, sagt Bruno Burger vom Fraunhofer-Institut für Solare
       Energiesysteme.
       
       Schon im Testbetrieb unter Volllast hatte Datteln so viel Strom ins Netz
       gedrückt, dass an Tagen wie dem 21. April, als auch viel Energie aus
       erneuerbaren Quellen zur Verfügung stand, der Strompreis an der Börse stark
       ins Negative fiel.
       
       „Wenn eine solche Situation länger andauert, werden etwa Offshore-Windparks
       abgeregelt“, sagt Burger. „Zur sicheren Energieversorgung brauchen wir das
       Steinkohlekraftwerk Datteln 4 schon heute nicht“, erklärt auch Thorsten
       Lenck vom Thinktank Agora Energiewende. „Es passt auch nicht in das
       klimafreundliche Energiesystem von morgen.“
       
       Dabei schade der Kraftwerksblock nicht nur dem Klima, sagt Dirk Jansen vom
       BUND – das Kraftwerk, das auch viel Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid
       giftiges Quecksilber ausstößt, [2][liegt nur 450 Meter von einer
       Wohnsiedlung und 900 Meter von einer Kinderklinik entfernt], in der auch
       Lungenkrankheiten behandelt werden.
       
       Der BUND hält deshalb an Klagen fest, mit denen der Umweltverband gegen den
       Bebauungsplan und die emissionsschutzrechtliche Genehmigung vorgeht.
       „Sollten wir eine dieser Klagen gewinnen“, hofft Jansen, „dann rückt der
       vom Datteln-Vorbesitzer Eon einst zugesagte entschädigungslose Abriss
       näher“.
       
       27 May 2020
       
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   DIR Andreas Wyputta
       
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