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       # taz.de -- Debatte Künstliche Intelligenz im Krieg: Der Google-Militär-Komplex
       
       > Das Pentagon setzt für zukünftige Einsätze zunehmend auf künstliche
       > Intelligenz. Dafür engagiert es unter anderen den IT-Konzern Google.
       
   IMG Bild: Hilft Ihre Internetnutzung, eine Drohne zu steuern? – Graffiti im Jemen, wo die USA seit Jahren einen Drohnenkrieg führen
       
       Das Google-Postfach war schon zum Greifen nahe, da sprang das verhasste
       Fenster wieder auf. „Bitte bestätigen Sie, dass sie kein Roboter sind“.
       Alle Bildchen aus der Matrix mit Straßen- oder Straßenschildanteil
       anklicken – schon verschwindet das Dialogfeld wieder. Das klingt bekannt?
       Glückwunsch, dann haben auch Sie Googles künstliche Intelligenz trainiert.
       Und damit indirekt dem US-Außenministerium bei seinen Drohneneinsätzen in
       Kriegsgebieten geholfen. Mit dem Beweis ihrer Menschlichkeit helfen Sie der
       Technologie, Bilder immer präziser ohne menschliches Auge zu analysieren.
       Maschinenlernen heißt das im Fachjargon. Google verkauft die Technologie an
       die US-Einsatzkräfte, die wiederum sie zur Terrorismusbekämpfung nutzen.
       Bisher sind fast nur Googles eigene Mitarbeiter entsetzt.
       
       Während also über Facebook eine Empörungswelle hereinbricht, verschwinden
       andere Tech-Giganten wie Google in deren Windschatten. Dabei entwickeln sie
       Technologie für das US-Militär, die gezielt in der Terrorabwehr eingesetzt
       wird. Die Kunden sind, meist unwissentlich, die Versuchskaninchen. Es
       greift deshalb zu kurz, Facebook als das schwarze Schaf des Silicon Valley
       herauszugreifen und zur Verantwortung zu ziehen. Wir brauchen eine breitere
       und öffentlichere Debatte über die moralischen Grenzen der gesamten
       Branche, besonders wenn es um die Verwertung von Kundendaten für politische
       oder, wie im Fall Google, gar militärische Zwecke geht.
       
       Öffentlich sollte Googles Arbeit für das Pentagon nicht werden. Das
       amerikanische Onlineportal Gizmodo zwang das Unternehmen zu einer
       Stellungnahme, bevor die New York Times das Thema aufgriff. Auch das
       US-Außenministerium bekannte sich öffentlich zu Googles Beteiligung am
       „Maven Project“, das die Verquickung von Big Data und Maschinenlernen für
       das Pentagon ausbauen soll. Laut Wall Street Journal gab das Pentagon 2017
       7,4 Milliarden US-Dollar für Künstliche-Intelligenz-Projekte aus. Das
       Forschungsfeld boomt. Google, dessen Aktienkurse seit Bekanntwerden der
       Kooperation stiegen, ist nicht das einzige Technikunternehmen mit
       Verbindungen zum US-Militär: Microsoft etwa stellt Systeme zur
       Speicherplatzverwaltung bereit, Amazon bietet ebenfalls eine
       Bilderkennungssoftware an.
       
       Laut Google handelt es sich bisher um Technologie, die lediglich bei der
       Erkennung von bewegten und unbewegten Objekten auf Drohnenbildern helfe –
       so können Militärangestellte ihre Zeit besser nutzen, als Tausende Stunden
       lang Bildmaterial zu durchsuchen. Nicht angewendet werde die Technologie
       auf Menschen und in Kriegshandlungen, erklärt das Unternehmen. Man wolle
       mit dem Militär erst noch Richtlinien für den Einsatz der Technologie
       erarbeiten. Sonderbar, denn das Department of Defense erklärte im Juli 2017
       in einer Pressemitteilung, die Technologie ab „Ende des Jahres“ in
       Kriegsgebieten einsetzen zu wollen, um Antiterrorismusoperationen zu
       unterstützen.
       
       Googles Argument, dass die Technologie nicht direkt für Kriegshandlungen
       und zur gezielten Tötung genutzt werde, empfinden knapp 3.100 der 70.000
       Angestellten als scheinheilig. In einem offenen Brief wandten sie sich
       Anfang April 2018 gegen die Firmenführung: „Einmal geliefert, kann die
       Technologie für alles Mögliche eingesetzt werden“, argumentieren sie. „Wir
       können die moralische Verantwortung für unsere Technologie nicht an Dritte
       weitergeben, besonders weil uns unsere Kunden mit ihren Daten vertrauen.“
       Dass die enge Verquickung der Branche mit dem Militär auch intern zunehmend
       für Entrüstung sorgt, zeigt, wie konkret die Unterstützung bereits geworden
       ist.
       
       Die Unternehmensspitze zeigt sich davon eher unbeeindruckt. Bereits im
       November 2017 sprach der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt (2001 bis 2011)
       am Center For a New American Security darüber, wie Google langfristig das
       Pentagon mit künstlicher Intelligenz bei seiner Arbeit unterstützen wolle.
       Er sei sich bewusst, dass es Bedenken in der Tech-Community gebe, dass ihre
       Kreativität vom Militär zur gezielten Tötung missbraucht werden würde.
       Letztlich, sagte der eingetragene Demokrat und
       Hillary-Clinton-Unterstützer, ginge es aber um die nationale Sicherheit –
       da sei es genau richtig, die neusten Möglichkeiten auszuschöpfen. Solcher
       Patriotismus scheint derzeit besonders im Weißen Haus gut anzukommen.
       
       Das moralische Problem ist nicht nur, dass Google künstliche Intelligenz
       für das US-Militär zur Verfügung stellt. Es ist auch problematisch, dass
       dies ohne das Wissen der Nutzer passiert – deren Nutzung des Systems die
       Technologie überhaupt erst ermöglichte. Die Diskussion über Facebook und
       Cambridge Analytica ist nur eine Facette der weitaus größeren Frage, wo die
       moralischen Grenzen der Happy-Family-Unternehmen aus dem Silicon Valley
       liegen. Bisher wird diese Debatte hauptsächlich von ein paar Spezialisten
       und US-Senatoren geführt. In der Mitte der Gesellschaft ist sie nur in Form
       von resignierter Wut angekommen. Das ist fatal, da jetzt der Zeitpunkt ist,
       um die Spielregeln festzulegen. Die am 25. Mai 2018 in Kraft tretende
       Datenschutz-Grundverordnung ist da nur der Anfang.
       
       ## Google ändert schon mal sein Motto
       
       Was Schmidt angeht, so verließ er seinen Posten als Vorstandsvorsitzender
       bei Google-Mutterkonzern „Alphabet“ noch im Herbst 2017 – obwohl er im
       Aufsichtsrat verbleibt. Eine bessere Position als Vorsitzender des Defense
       Innovation Board war freigeworden, direkt im Herzen des Pentagons. Auch
       Milo Medin, Vizepräsident bei Google, ist jetzt Teil der Gruppe. Sie
       arbeiten nun an der Entwicklung des Waffenarsenals der Zukunft und beraten
       die Trump-Administration in militärischen Fragen; gerade der Syrienkrieg
       erfordert immer mehr technische Expertise.
       
       Dass es sich dabei um eine republikanische und keine demokratische
       Regierung handelt, scheint den Demokraten Schmidt wenig zu stören –
       schließlich geht es ja um die nationale Sicherheit. Googles Motto wurde
       derweil von „Don’t be evil“ in „Do the right thing“ umgeändert.
       
       28 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Paul Ostwald
       
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