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       # taz.de -- Debatte um Abgabe auf CO2: Klimaschutz ist sozial
       
       > Kritiker warnen, eine CO2-Steuer würde Ärmere benachteiligen. Was für ein
       > Unsinn – das Gegenteil ist der Fall.
       
   IMG Bild: Kritikern geht es nicht um die Armen – sondern um die, die mit Öl und Benzin gute Geschäfte machen
       
       Wenn man sich in der Klimadebatte auf etwas verlassen kann, dann darauf:
       Wann immer ein sinnvoller Vorschlag gemacht wird, kommt sofort jemand und
       erklärt, dass er unsozial sei. Aktuell ist das wieder bei der CO2-Abgabe zu
       beobachten, über die – endlich! – [1][ernsthaft diskutiert wird].
       
       Die meisten ExpertInnen sind sich einig, dass die Klimaschutzziele sich nur
       erreichen lassen, wenn es dafür ökonomische Anreize gibt. Eine CO2-Abgabe
       wäre dafür eine einfache wie wirksame Lösung. Denn: Sie macht
       klimaschädliche Energieträger im Vergleich zu klimafreundlichen teurer.
       
       Für die Idee, die von den Grünen schon lange vertreten wird, hat sich in
       Deutschland zuletzt auch SPD-Umweltministerin Svenja Schulze starkgemacht.
       Auf europäischer Ebene findet sie jetzt Unterstützung beim
       sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Frans Timmermans, der eine
       CO2-Steuer jetzt ebenfalls als notwendig bezeichnete.
       
       Gegenwind kommt in beiden Fällen von konservativer Seite: Im CDU-Vorstand
       stieß eine neue Abgabe auf klimaschädliche Energieträger gerade auf
       Ablehnung – [2][gern mit Verweis auf die Gelbwesten-Proteste in
       Frankreich]. Und auch der von der CSU gestellte EU-Spitzenkandidat Manfred
       Weber stellte sich sofort gegen die Forderung – mit dem Hinweis, es dürfe
       nicht sein, dass „die sozial Schwächeren den Preis zahlen“.
       
       ## Alle Modelle könnten BürgerInnen entlasten
       
       Dass ist nicht nur deswegen erstaunlich, weil viele Konservative, die sich
       beim Klimaschutz plötzlich um soziale Folgen sorgen, sich in der
       Sozialpolitik meist deutlich weniger dafür interessieren. Die Sorge um die
       soziale Ausgewogenheit einer CO2-Abgabe ist zudem schlicht unbegründet.
       Denn wenn sie richtig umgesetzt wird, werden ärmere Haushalte dadurch nicht
       belastet, sondern sogar entlastet.
       
       Denn alle Modelle, die derzeit im politischen Raum ernsthaft diskutiert
       werden, sehen vor, dass der Staat die Einnahmen aus der CO2-Abgabe nicht
       behält, sondern an die Bevölkerung zurückgibt. Das kann entweder in Form
       einer „Klimadividende“ geschehen, die jedeR BürgerIn am Ende des Jahres
       überwiesen bekommt.
       
       Oder die Einnahmen werden dafür genutzt, klimafreundliche Energieträger
       günstiger zu machen – vor allem den zunehmend aus erneuerbaren Energien
       erzeugten Strom –, was einen zusätzlichen Anreiz dafür geben würde, zum
       Heizen und Autofahren verstärkt Strom statt Öl und Benzin einzusetzen.
       
       ## Individuelle Last hängt vom CO2-Ausstoß ab
       
       In beiden Modellen, das zeigen Berechnungen (z.B. [3][vom Mercator-Intitut
       (pdf)], [4][dem Verein CO2-Abgabe (pdf)] oder dem [5][Forum
       Ökologisch-Sozilale Marktwirtschaft]), profitieren einkommensschwache
       Haushalte, während Reiche stärker zur Kasse gebeten werden. Denn wenn durch
       die CO2-Abgabe keine zusätzlichen Einnahmen erzielt werden, bleiben die
       durchschnittlichen Kosten pro Person gleich.
       
       Die individuelle Belastung hängt allein vom CO2-Ausstoß ab: Teurer wird es
       für alle, die dickere Autos fahren, größere Häuser bewohnen und mehr
       fliegen als der Durchschnitt. Und das sind in der Regel nicht die
       Hartz-IV-EmpfängerInnen und GeringverdienerInnen. Diese hätten nur dann ein
       Problem, wenn sie sehr weite Strecken mit dem Auto pendeln müssen – und das
       ließe sich mit Ausnahmeregeln verhindern.
       
       Wer trotzdem aus angeblicher Sorge um die sozial Benachteiligten gegen eine
       CO2-Abgabe argumentiert, hat sich also im besten Fall noch nie ernsthaft
       mit den vorliegenden Modellen beschäftigt. Oder die Armen sind nur
       vorgeschoben – und es geht in Wahrheit um die Interessen derer, die mit Öl
       und Benzin derzeit gute Geschäfte machen. Je mehr das falsche Argument
       verfängt, desto größer dürfte bei denen die Freude sein.
       
       Hinweis der Redaktion: Im zweiten Absatz hieß es in einer früheren Version
       des Textes fälschlicherweise preiswerter statt teurer. Wir haben das
       korrigiert.
       
       29 Apr 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ausstoss-von-Treibhausgasen/!5587850
   DIR [2] /Gelbwesten-Proteste-in-Frankreich/!5587837
   DIR [3] https://www.mcc-berlin.net/fileadmin/data/B2.3_Publications/Working%20Paper/2018_MCC_Working_Paper_1_CO2-Preisreform.pdf
   DIR [4] https://co2abgabe.de/wp-content/uploads/2019/01/Wirkungen_CO2_Abgabekonzept_2019_01_24.pdf
   DIR [5] http://www.foes.de/pdf/2017-11-Energiesteuerreform.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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