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       # taz.de -- Debatte um Mindestlohnerhöhung: Viel Luft um 15 Euro Mindestlohn
       
       > Arbeitsminister Heil unterstützt eher vage den Vorstoß des Kanzlers.
       > Kevin Kühnert erinnert an die zuständige Kommission. Die FDP macht nicht
       > mit.
       
   IMG Bild: Klingt wie der Chef: Arbeitsminister Heil am Mittwoch im Bundestag
       
       Berlin taz | Hubertus Heil ist am Mittwochmittag zur Regierungsbefragung in
       den Bundestag geladen. Aber noch bevor die Abgeordneten dem Arbeitsminister
       die erste Frage stellen können, möchte der SPD-Minister selbst etwas
       loswerden: „Es ist richtig, Erwartungen an die Mindestlohnkommission zu
       stellen“, sagt der SPD-Mann von der Regierungsbank aus in seinem
       Eingangsstatement.
       
       Erstens: Wenn das Gremium 2025 über die nächste Erhöhung des Mindestlohns
       berät, müsse die Entscheidung wieder einheitlich fallen – anders als beim
       letzten Mal. Zweitens: „Es ist Zeit, dafür zu sorgen, dass es einen
       deutlichen Anstieg des Mindestlohns im nächsten Jahr gibt.“
       
       Heil ist damit ganz [1][auf dem Kurs seines Kanzlers, der die Debatte am
       Dienstag angestoßen] hatte. In einem Interview mit dem Stern sagte Olaf
       Scholz am Montag: „Ich bin klar dafür, den Mindestlohn erst auf 14 Euro,
       dann im nächsten Schritt auf 15 Euro anzuheben.“ Auch er mahnte an, dass
       die Kommission zu einem „einheitlichen Verfahren“ zurückkehren sollte.
       Offen ließ er, ob er andernfalls erneut politisch eingreifen will.
       
       ## Das Statement als einziges Druckmittel
       
       Seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2015 ist eine
       Kommission dafür zuständig, die Höhe festzulegen. Arbeitnehmer und
       Arbeitgeber entsenden je drei Mitglieder, die sich in den Anfangsjahren
       stets einvernehmlich einigten. Zuletzt gab es aber zwei Ausnahmen: 2022
       setzte die Ampel-Koalition selbst per Gesetz die bis heute stärkste
       Erhöhung (um 1,55 Euro auf 12 Euro) durch. Im Koalitionsvertrag war das als
       einmalige Ausnahme vereinbart. 2023 war dann wieder die Kommission dran und
       beschloss trotz der hohen Inflation eine Erhöhung um nur je 41 Cent in
       diesem und dem kommenden Jahr.
       
       Für Ärger sorgte [2][neben den Beträgen auch der Weg dorthin]: Die
       Arbeitgeberseite drückte den Mini-Betrag gegen die Arbeitnehmer durch. Den
       Ausschlag gab in der Abstimmung, dass sie die unabhängige Vorsitzende der
       Kommission auf ihrer Seite hatten. Olaf Scholz versucht mit seinem
       Interview nun offensichtlich, für die nächste Runde den Druck auf das
       Gremium zu erhöhen.
       
       Mehr Möglichkeiten hat er kurzfristig aber auch gar nicht: Einen zweiten
       Eingriff per Gesetz würde die FDP als Koalitionspartner kaum mitmachen. Sie
       verwehrt sich jetzt schon gegen die rhetorische Einmischung des Kanzlers:
       Fraktionschef Christian Dürr sagte, er halte es für richtig, „dass die
       Mindestlohnkommission das Ganze macht und es kein politischer Spielball
       wird.“
       
       ## Kühnert: Die Kommission ist „prädestiniert“
       
       Scholz’ Generalsekretär Kevin Kühnert stellte dann auch im Tagesspiegel
       klar, dass für die SPD ebenfalls die Kommission der „prädestinierte Ort“
       für die Entscheidung bleibe – obgleich auch er einen politischen Eingriff
       nicht explizit ausschloss. Schon im Dezember hatte Kühnert gesagt, es sei
       nicht Ziel der SPD, „immer neue Mindestlohnhöhen auf Wahlplakate zu
       drucken“.
       
       Die anderen Parteien des linken Spektrums wollen schon länger einen höheren
       Mindestlohn. Die Linke bezeichnet das Scholz-Interview als
       „Wahlkampfgetöse“ und fordert von ihm, sofort mit einem Gesetz ernst zu
       machen. In der [3][Grünen-Fraktion ist es Beschlusslage, der Kommission für
       die Zukunft eine Untergrenze von 60 Prozent des Medianlohns] vorzuschreiben
       – das entspräche für 2025 auch rund 15 Euro.
       
       Auf der anderen Seite des Spektrums sprach sich am Mittwoch der
       AfD-Abgeordnete René Springer gegen eine Anhebung aus, da ungelernte
       Arbeiter seiner Meinung nach mit 15 Euro zu gut bezahlt wären. Es gäbe dann
       „ein Millionenheer an Facharbeitern, die genauso viel am Ende des Monats
       haben wie jemand, der nichts gemacht hat“, sagte er in der
       Regierungsbefragung.
       
       15 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Scholz-und-Lindner-im-Haushaltsstreit/!6010712
   DIR [2] /Erhoehung-des-gesetzlichen-Mindestlohns/!5940120
   DIR [3] /Klausur-der-Gruenenfraktion-in-Leipzig/!5992158
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schulze
       
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