# taz.de -- Dekolonisierung in der Republik Moldau: Ende des historischen Sprachkampfes
> In der Verfassung Moldaus wird jetzt die Bezeichnung „moldauische
> Sprache“ durch „rumänische Sprache“ ersetzt. Das ist eine politische
> Entscheidung.
IMG Bild: Proteste gegen die Änderung der moldauischen Sprache in rumänische Sprache vor dem Verfassungsgericht in Chisinau Anfang März
Chisinău taz | Es ist ein historischer Moment für die Republik Moldau:
Rumänisch ist jetzt offizielle Amtssprache geworden. Es hat damit die
moldauische Sprache in dieser Rolle abgelöst. Dabei existiert „Moldauisch“
eigentlich gar nicht, sondern ist eine Bezeichnung, die sich die
sowjetischen Machthaber ausgedacht haben und die nach 1991 von
prorussischen Politikern am Leben gehalten wurde. Zwischen 1941 und 1989
wurde in der „Moldauischen Sowjetrepublik“ die Sprache sogar mit
kyrillischen Buchstaben geschrieben, um klarzumachen, dass sie eben nicht
mit dem Rumänischen gleichzusetzen sei.
Ich selber hatte nie Zweifel daran, welche Sprache ich spreche, nämlich
Rumänisch. Das ist die Sprache, die ich zu Hause, mit meinen Freunden und
den Menschen in meinem Land spreche. Die ich in der Schule gelernt habe.
Auf politischer Ebene [1][war die Sprache allerdings seit drei Jahrzehnten,
also seit Moldau 1991 seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion erklärte,
immer wieder Anlass für Streitereien] und wurde von moskautreuen Politikern
zur Spaltung der Bevölkerung instrumentalisiert.
So leben wir seit 32 Jahren mit dieser Absurdität, dass die Sprache dieses
Landes immer Rumänisch war, aus politischen Gründen aber „Moldauisch“
genannt wurde. Vergangene Woche nun stimmte das moldauische Parlament mit
den Stimmen von 58 proeuropäischen Abgeordneten dafür, dass Rumänisch
offizielle Amtssprache unseres Landes wird.
Tatsächlich war die Abstimmung über dieses Gesetz der Abschluss eines seit
200 Jahren währenden Sprachkampfes, den unser Land nach der Trennung von
Rumänien unter russischer Vorherrschaft und einem umfassenden Prozess der
Entnationalisierung durchlaufen hat. Die moldauische Sprache wurde
angeblich [2][in der Region Transnistrien erfunden] und anschließend von
den sowjetischen Behörden benutzt, um uns eine falsche Identität
aufzuzwingen.
Auch nach der Unabhängigkeitserklärung des Landes war es Moskau immer
wichtig zu erklären, dass Sprache und Volk hier eben nicht rumänisch seien.
In der jungen, unabhängigen Republik Moldau kamen bald Kommunisten ans
Ruder, die, wie auch Russland, die Staatlichkeit des Landes erhalten
wollten und um dieses Ziel zu erreichen, stets von „moldauischem Volk“ und
„moldauischer Sprache“ redeten. Und so fanden sich diese Bezeichnungen dann
1994 auch in der Verfassung wieder.
Das neue Gesetz symbolisiert für uns die Rückkehr zur historischen
Wahrheit, auf die die Mehrheit der Bevölkerung seit der
Unabhängigkeitserklärung wartet. Das Ablegen der sowjetischen Kleidung und
die Rückkehr zu den wahren Werten des Volkes machen den Weg dorthin frei,
wohin die Republik Moldau strebt: [3][in die europäische Familie,] von der
die rumänische Sprache ein Teil ist.
Aus dem Russischen von [4][Gaby Coldewey]
Finanziert wird das Projekt von der [5][taz Panter Stiftung]
Einen Sammelband mit den Tagebüchern hat der [6][Verlag edition.fotoTAPETA]
im September 2022 herausgebracht.
24 Mar 2023
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## AUTOREN
DIR Daniela Calmis
DIR Daniela Calmîș
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