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       # taz.de -- Demonstrationsverbot in Hongkong: Vergesst es
       
       > Erstmals ist auch in Hongkong jedes Erinnern an das Tiananmen-Massaker
       > 1989 zur Straftat erklärt worden. Die Behörden wollen hart vorgehen.
       
   IMG Bild: „Säule der Schande“: Mahnmal für das Tiananmen-Massaker, das Ende 2021 abtransportiert wurde
       
       Seoul taz | Hongkong war stets der einzige Ort in China, an dem auch an die
       dunklen Kapitel in der Geschichte des Landes erinnert werden durfte. Doch
       die Bastion der Freiheit wurde längst von der Zentralregierung geschlossen:
       Wenn sich am Samstag die blutige Niederschlagung der Studentenbewegung vom
       [1][Tiananmen-Platz] zum 33. Mal jährt, werden die Behörden radikal gegen
       jegliche Form des Gedenkens im öffentlichen Raum vorgehen.
       
       Während in Festlandchina der 4. Juni 1989 von der Zensur vollständig aus
       dem kollektiven Gedächtnis ausradiert wurde, fand in Hongkong nämlich stets
       eine traditionelle [2][Mahnwache] im Victoria Park statt. Dort marschierten
       die Demonstranten mit brennenden Kerzen, um die mehreren tausend Menschen
       zu betrauern, die Chinas Volksbefreiungsarmee in Peking massakrierte.
       
       Seit 2020 wurden die Gedenkmärsche [3][unter dem Vorwand der Pandemie
       verboten], wobei schon damals deutlich war, dass es sich um einen
       vorgeschobenen Grund handelte. Nun argumentieren die Behörden ganz offen:
       Selbst Menschen, die alleine in den Victoria Park ziehen, würden die
       Straftat einer „unrechtmäßigen Versammlung“ begehen, sagte der ranghohe
       Polizeivertreter Liauw Ka-kei am Donnerstag. Die Polizei werde aktiv nach
       „Beweisen suchen“, wenn sie den Eindruck habe, dass jemand „mit seinem
       Erscheinungsbild andere anstiften“ wolle.
       
       Grundlage für das Verbot ist das sogenannte nationale Sicherheitsgesetz,
       das Pekings Parteiführung der ehemals britischen Kronkolonie im Sommer 2020
       aufgezwungen hat. Seither steht praktisch sämtliche Form politischer Kritik
       unter Strafe. Jene NGOs, die die Gedenkmärsche organisierten, wurden
       bereits etwa als „ausländische Agenten“ gebrandmarkt und zur Auflösung
       gezwungen.
       
       ## Kritische Stimmen sind nur noch im Ausland zu hören
       
       Dass selbst das bloße Erinnern von den Behörden verboten wird, hatte sich
       längst abgezeichnet. Fast alle kritischen Medien mussten bereits ihre
       Pforten schließen, die führenden Demokratie-Aktivisten sind im
       [4][Gefängnis] und die Oppositionspolitiker haben sich zurückgezogen.
       
       Selbst die katholische Diözese Hongkongs wird dieses Jahr erstmals auf ihre
       traditionelle Gedenkmesse verzichten, um an die Toten von 1989 zu erinnern.
       Nur wenige Wochen zuvor wurde ihr Kardinal Joseph Zen als vermeintliche
       „Bedrohung für die nationale Sicherheit“ vorübergehend festgenommen: Der
       Geistliche, der bereits 90 Jahre alt ist, hatte Demokratie-Aktivisten
       rechtlichen Beistand gegeben. Im Sprech der Behörden Hongkongs heißt dies:
       „Verschwörung mit ausländischen Kräften“.
       
       Der gesamte öffentliche Raum Hongkongs wurde bereits von sämtlichen Zeichen
       gesäubert, die an die Verbrechen der Kommunistischen Partei erinnern. Im
       letzten Dezember ließen die Behörden in der Universität von Hongkong die
       sogenannte „Säule der Schande“ entfernen: eine Skulptur des dänischen
       Künstlers Jens Galschiot, die zuvor ein Vierteljahrhundert auf dem Campus
       installiert war. Galschiot bezeichnete den Vorgang als „Verbrechen gegen
       die Demokratie“.
       
       Doch solch kritische Stimmen sind längst nur mehr im Ausland zu vernehmen.
       Innerhalb Hongkongs ist die Zivilgesellschaft – aus Angst vor langen
       Haftstrafen – längst verstummt.
       
       3 Jun 2022
       
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   DIR Fabian Kretschmer
       
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