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       # taz.de -- Desinformationskampagne Russlands: Die Spin-Docs des Kremls
       
       > Die taz analysiert interne Papiere der russischen Propagandafabrik SDA:
       > Mit massiver Desinformation will sie die deutsche Öffentlichkeit
       > beeinflussen.
       
       Die Autor*innen geben sich [1][nach der Europawahl] zufrieden. In ganz
       Europa hätten die Rechten im Juni Wahlerfolge gefeiert: Marine Le Pens
       Rassemblement National in Frankreich, die PiS in Polen, Giorgia Melonis
       Fratelli d’Italia in Italien. „Noch beeindruckender ist der Erfolg der
       Alternative für Deutschland, die in ganz Deutschland rund 17 Prozent der
       Stimmen erhielt“, in Ostdeutschland gar bis zu 40 Prozent, heißt es weiter
       jubilierend. „Es kann also festgestellt werden, dass die
       Social-Media-Kampagne ein großer Erfolg war.“ So habe sich „die Zahl der
       Wähler für die Rechten und Traditionalisten erhöht“ und die „der Linken,
       Globalisten und Sozialisten verringert“.
       
       Diese Sätze stammen aus Russland und sie sind Teil einer großangelegten
       [2][Desinformationskampagne]. Sie stehen in einem internen Papier, in dem
       ausführlich der Ausgang der Europawahl im Juni 2024 aus russischer
       Perspektive analysiert wird. Der Kreml hat, laut diesem Papier, nach den
       Wahlen genau das, was er wollte: einen Rechtsruck in Europa – und zwar
       einen, an dem er offenbar ganz massiv mitgearbeitet hat.
       
       Der taz liegt ein umfassendes digitales Datenpaket vor, das zeigt, wie
       detailliert russische Kräfte offenbar versuchen, Europa zu ihren Gunsten zu
       beeinflussen. Es geht darin um [3][Propagandaartikel], die in der
       europäischen Öffentlichkeit verbreitet werden sollen, um Videos, Bilder und
       Beiträge, die die sozialen Medien geflutet haben sollen. Es geht darum, wie
       Russland offenbar gezielt Falschinformationen verbreiten will, um
       europäische Politiker*innen und andere Persönlichkeiten in Misskredit
       zu bringen. Wie prorussische Narrative gestreut werden sollen, um Europa
       und den Westen zu spalten.
       
       Die Daten stammen von einer der bedeutendsten Propagandafirmen Russlands:
       der Social Design Agency (SDA). Das IT-Unternehmen mit Sitz in Moskau ist
       eng verbandelt mit der Putin-Regierung. Auf ihrer Webseite bepreisen sie
       ihre „gesellschaftspolitischen Projekte“, werben mit ihrem Können in
       „politischer Kommunikation“, mit „umfangreicher Erfahrung im Wahlkampf“.
       Die Kunden der SDA: das russische Innenministerium, das russische
       Katastrophenschutzministerium oder die Staatsduma, das Unterhaus des
       russischen Parlaments. Von westlichen Sicherheitsbehörden wird die SDA
       inzwischen als zentraler Akteur [4][für russische Desinformationskampagnen]
       verantwortlich gemacht.
       
       Nun aber gelangt die Gruppe unfreiwillig ins Rampenlicht. Eine anonyme
       Hackergruppe gibt an, Ende August umfangreiche interne Daten der SDA
       erbeutet zu haben. Sie liegen der taz vor. Nach unserem derzeitigen
       Recherchestand spricht alles dafür, dass die Dokumente echt sind. Sie
       umfassen Daten aus den Jahren 2022 und 2024, darunter Mitarbeiter*innen-
       und Auftragslisten, eingesetzte Social-Media-Accounts, Sitzungsprotokolle,
       E-Mails, vorbereitete Onlinepostings und Sharepics – insgesamt 2,4
       Gigabyte.
       
       Sie geben ein umfassendes Bild davon, wie russische
       Desinformationskampagnen ablaufen. Sie zeigen, wie zentral Deutschland im
       Visier der russischen Propaganda steht – und wie versucht wird, auch
       deutsche Politiker*innen und Prominente dafür zu instrumentalisieren.
       Und sie geben genau vor, welche Narrative auch in der deutschen Bevölkerung
       festgesetzt werden sollen: die des friedensuchenden Russlands – und des
       kriegsdürstenden Westens.
       
       Dass Russland mit großem Aufwand Desinformation betreibt, ist bekannt.
       Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) spricht von einer „hybriden
       Kriegsführung“ Moskaus. Der [5][Verfassungsschutz] warnt vor russischer
       Desinformation, ebenso das Auswärtige Amt. Zuletzt verschickte auch das FBI
       eine Warnung und schaltete russische Fake-Webseiten ab.
       
       ## SDA wurde bereits 2001 gegründet
       
       Diejenigen, die sich über das Europawahlergebnis vom Frühsommer freuten,
       aber haben Vorsprung. Schon im Jahr 2001 wurde die Social Design Agency
       gegründet. Sicherheitsbehörden haben die SDA deshalb schon länger im
       Visier. Spätestens seit 2022 soll die Gruppe russische
       Desinformationskampagnen steuern, angeführt von Ilja Andrejevitj
       Gambatjidze. Der 47-Jährige ist in der Ukraine geboren, hat einen
       russischen Pass, ist Mitgründer der SDA und pflegt laut US-Behörden enge
       Verbindung zur russischen Regierung. In den USA ist man überzeugt, dass
       Gambatjidzes Agentur auch hauptverantwortlich ist für [6][die sogenannte
       Doppelgänger-Kampagne], die zuletzt für viel Aufsehen sorgte. Mit rund 60
       gefälschten Nachrichtenwebsites wurde in Europa und den USA russische
       Propaganda verbreitet. In Deutschland entstanden so Fake-Seiten des
       Spiegels, der Bild und der Süddeutschen Zeitung. Frankreich und die Schweiz
       verhängten deshalb bereits im vergangenen Jahr Sanktionen gegen die SDA,
       die EU folgte in diesem Jahr.
       
       Die Dokumente, die der taz nun vorliegen, zeigen, dass die Social Design
       Agency mit noch weit mehr Kampagnen aktiv ist. Sie selbst rühmt sich für
       „mehr als 100 erfolgreiche Fälle“ in den vergangenen 15 Jahren – dies
       betreffe die „Unterstützung der Reputation von Führungskräften und
       Organisationen, Wahlkampagnen, Gegenkampagnen“. Auch mit der
       Doppelgänger-Kampagne brüstet sich das Unternehmen intern. In einer
       internen Mitarbeitendenliste werden mehr als 90 Namen aufgeführt, die wohl
       an den Kampagnen beteiligt sind: Nach eigener Auskunft beschäftigt die SDA
       Analysten, Webdesigner, Social-Media- und IT-Experten.
       
       Wie die Agentur vorgeht, zeigt sich exemplarisch an der Europawahl im Juni
       dieses Jahres. Das Ziel sei eine „umfassende Gegenkampagne gegen die
       liberalen Globalisten“, heißt es in einem der internen Dokumente, das
       offenbar vor der Wahl entstanden ist. Die Zielländer: „Deutschland,
       Frankreich, Spanien, Italien, Polen“. Wenn, heißt es weiter, die Fraktion
       „Identität und Demokratie“, die im vergangenen Europaparlament die AfD und
       weitere rechtsextreme Parteien versammelte, in den anstehenden Wahlen den
       dritten Platz belege, könnte das „einen möglichen Kurswechsel hin zu einer
       erneuten Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation“ einläuten.
       
       Einen prominenten Vertreter, auf den Russland offenbar Hoffnung setzt,
       benennen die Urheber des Dokuments auch namentlich: [7][Maximilian Krah],
       damals AfD-Europaspitzenkandidat, heute dort Abgeordneter. Der 47-Jährige
       wurde bereits 2021 vom FBI zu möglichen Geldzahlungen kremlnaher Quellen
       befragt.
       
       ## Narrative, die die Macht Russlands stabilisieren sollen
       
       Die SDA entwickelt als Teil ihrer „Gegenkampagne“ auch konkrete
       „Narrative“, die die EU schwächen und Russlands Macht stabilisieren sollen.
       Sie sollen in vielfältiger Weise im Internet verbreitet werden. Eines
       lautet: „Die liberalen Kräfte säen Angst“, vor der Klimakatastrophe oder
       vor dem russischen Krieg. Oder: Die Liberalen zwängen Werte wie
       Transgenderrechte auf, „die nicht unsere sind“. Sie führten Europa in den
       Ruin, weil sie die Wirtschaft zerstörten, sie verwandelten Europa „in ein
       totalitäres Militärlager“. Vor allem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von
       der Leyen wird dabei ins Visier genommen, als „Inbegriff der korrupten und
       proamerikanischen Politik“ in Brüssel. Was es stattdessen brauche, so der
       Spin der SDA: „einen Friedensplan und Diplomatie“. Rechte Parteien seien
       hier die „der Vernunft“, sie führten zu Frieden und Wohlstand. Und nur sie
       seien in der Lage, „diese Ställe zu säubern“.
       
       Das Durchsetzen von „Narrativen“ im öffentlichen Diskurs, es scheint die
       Leitlinie der SDA zu sein. Immer wieder taucht diese Maßgabe in den
       geleakten Dokumenten auf. Nicht nur der Europawahlkampf wird darauf
       abgeklopft, auch internationale Medienberichterstattung wird auf
       „antirussische Narrative“ hin systematisch analysiert. Und auch in der
       Ukraine sollen prorussische Narrative verbreitet werden.
       
       In einem Dokument werden auf fünf Seiten 17 Narrative entwickelt, die
       ausschließlich in Deutschland gestreut werden sollen. „Linke“ Beamte in der
       Regierung zeigten „eklatante Unprofessionalität und
       Verantwortungslosigkeit“, sie schadeten dem Ansehen Berlins im Ausland,
       lautet eines. Oder: Deutsche Verbraucher müssten wegen der
       Russlandsanktionen mit „massiven Heizungsausfällen“ rechnen. Deutsche
       Waffen würden zur Begehung von Kriegsverbrechen in der Ukraine verwendet.
       Und: Die Ukraine sei eine europäische Basis für die Produktion von Drogen,
       die über Geflüchtete nach Deutschland gelangen.
       
       Ausführlich wird jedes dieser Narrative mit vermeintlichen Fakten
       unterfüttert, wie etwa, dass Bundeskanzler Olaf Scholz „von Zeit zu Zeit
       Anweisungen von seinen amerikanischen Vorgesetzten“ erhalte. „Russland
       hingegen hat über viele Jahre hinweg nachhaltige Entwicklung der deutschen
       Wirtschaft gesichert“, heißt es an anderer Stelle. In Ostdeutschland wisse
       man das – und werde verstärkt die AfD wählen. Und der Vorteil, so die SDA:
       „Die AfD wird bestimmt auch weiterhin zwei Sachen konsequent fordern –
       antirussische Sanktionen aufzuheben und Nord Stream 2 zu starten, was ihre
       Position noch mehr festigen wird.“
       
       Auch die „Zielgruppen“ dieser Erzählungen werden mitbedacht. Erreichen will
       man mit den Narrativen etwa „Arbeitnehmer der großen Industrieunternehmen“,
       „breite Teile der konservativen deutschen Wählerschaft“ oder
       „Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose und Personen, die um ihren Arbeitsplatz
       fürchten“. Das Ziel all dessen, so zitiert das FBI aus einem SDA-Dokument:
       „Interne Spannungen in den Ländern zu eskalieren, die mit den USA verbündet
       sind, um die Interessen der Russischen Republik in der internationalen
       Arena zu stärken.“
       
       Wie akribisch und intensiv die SDA an der Verbreitung dieser Narrative
       arbeitet, auch das wird durch die internen Daten klar. Alle denkbaren
       Onlinekanäle sollen bedient werden: Kommentare, Memes, also Bilder mit
       ironischer Kritik, Videos, Karikaturen, Social-Media-Inhalte, auch
       „Fälschungen“ oder Graffiti-Kampagnen.
       
       ## Auch taz-Berichte abgespeichert
       
       Für jedes Aufgabengebiet werden genaue Arbeitsberichte verfasst. So werden
       automatisiert Medienberichte über Russland und die Ukraine gescannt und
       abgespeichert, auch deutsche und auch welche der taz. Gleiches gilt für
       Social-Media-Postings, etwa auf X oder Facebook.
       
       Doch es bleibt nicht bei der Beobachtung. Eine Arbeitsgruppe soll täglich
       auch selbst Onlinememes erstellen, allein für Deutschland und Frankreich
       lautet die Zielvorgabe 180 Stück im Monat. Eine andere Gruppe soll
       monatlich 60 Karikaturen erstellen, eine weitere 400 Kommentare zu
       Artikeln, die Diskussionen „einleiten“ sollen. Dazu kommen offenbar
       automatisiert erstellte Kommentare – in einem SDA-Papier ist von
       intentional 120.000 Kommentaren pro Monat die Rede.
       
       Und auch hier findet sich viel Material zu Deutschland. Viele der Bilder
       richten sich gegen die Grünen oder die Ampelregierung. In einem Cartoon
       liegt ein Totenkopf vor zwei umkippenden Windrädern, darunter steht „Grüne
       Zukunft“. In einem weiteren wird eine Ampel vom Blitz getroffen. Klar wird
       auch, auf wen sich die Hoffnung richtet. In einem Bild zersticht der Pfeil
       des AfD-Logos einen grünen Luftballon. Auf einem anderen schwenkt ein Arm
       eine Deutschlandfahne, auf dem Ärmel steht „Sahra“ – offensichtlich eine
       Anspielung auf [8][Sahra Wagenknecht].
       
       Auf einem weiteren Bild fällt ein Mann mit Ukraineflagge vor einer großen
       Deutschlandflagge um, auf der steht: „Sahra hilf uns!“ Zentral für die SDA
       sind dabei Personen, die sie in den jeweiligen Ländern als Meinungsführer
       ausgemacht haben. In internen Datenbanken werden diese gelistet, laut FBI
       sind es insgesamt 2.800 Menschen aus 81 Ländern.
       
       ## Etliche Deutsche unter den Namen
       
       Und darunter finden sich auch etliche Deutsche: Sahra Wagenknecht,
       AfD-Chefin Alice Weidel, ihr Parteikollege Petr Bystron oder Sachsens
       Ministerpräsident Michael Kretschmer. Aber auch die
       Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, Aktivistin Alina Lipp, Publizist
       Jürgen Todenhöfer oder Entertainer Dieter Bohlen. Allesamt Personen, die
       sich „zugunsten der RF“, also der Russischen Förderation aussprechen, wie
       es in den internen Dokumenten heißt.
       
       Tatsächlich äußerten sich die Gelisteten ablehnend zu Waffenlieferungen in
       die Ukraine oder forderten Friedensverhandlungen mit Russland. Für die SDA
       machen sie den entscheidenden Unterschied: Weil sie Botschaften „von einem
       Deutschen zu einem Deutschen“ vermittelten, wie es in einer internen Notiz
       heißt. Weil sie also eine besondere Glaubwürdigkeit besäßen. Auf der
       SDA-Liste finden sich aber auch SPD-Chef Lars Klingbeil oder Linken-Chefin
       Janine Wissler. Personen, welche die SDA als russlandkritisch einordnet.
       Explizit wird angewiesen, online nach weiteren Informationen zu diesen zu
       suchen – nach E-Mails oder Social-Media-Accounts. Man müsse hier
       „diskreditierende Aussagen“ finden und „Angriffsmöglichkeiten“.
       
       Den Erfolg ihrer Internetkampagnen analysieren die Mitarbeiter*innen
       genau. Die Clips bei Tiktok kämen langsam voran, heißt es in einem
       Sitzungsprotokoll von Ende Juni 2024. Bei Twitter hänge man hinterher,
       seitdem die Plattform den Algorithmus geändert habe. „Wir pumpen neue
       Konten“, heißt es in dem Protokoll.
       
       ## Nicht der ganz große virale Hit
       
       Inwieweit die Bilder und Grafiken aber tatsächlich Wirkung entfalteten,
       lässt sich schwer nachvollziehen. Vereinzelt finden sie sich in sozialen
       Medien oder auf anderen Webseiten wieder. Der ganz große virale Hit, der
       möglicherweise sogar Menschen in die Arme der AfD getrieben hat, ergibt
       sich aus den Dokumenten allerdings nicht. Der bayerische Verfassungsschutz
       aber schätzt in einer aktuellen Analyse, dass zumindest die
       Doppelgänger-Kampagne rund eine Dreiviertelmillion Deutsche erreichte.
       
       Und die Social Design Agency nimmt auch die Ukraine ins Visier. Die Ziele
       werden hier ebenfalls klar festgehalten. Es gehe um das Erkennen und
       Unterdrücken antirussischer Narrative, heißt es in den Dokumenten. Die
       öffentliche Meinung soll so gedreht werden, dass es für die „weitere
       zwischenstaatliche Zusammenarbeit zwischen Russland und der Ukraine günstig
       ist“. Zugleich sollen die ukrainischen Streitkräfte demoralisiert werden.
       Demnach soll etwa die Frage nach der Zahl der getöteten Soldaten offensiv
       gestellt und es sollen Zweifel an der Autorität von Präsident Wolodymyr
       Selenskyj gegenüber der Militärführung gesät werden. Auch
       Korruptionsvorwürfe gegen Selenskyi versucht die SDA zu befeuern.
       
       Und die SDA belässt es nicht bei Narrativen. Ersonnen werden auch konkrete
       Aktionen. Man könne ja eine Onlineplattform aufbauen, die Korruption in der
       Ukraine anprangere, mit „Nummer 1 Selenskyj“, heißt es in den Papieren.
       Diese Plattform könne man dann später wieder offline nehmen, damit es so
       aussehe, als gehe die ukrainische Regierung gegen die Kritiker vor. An
       anderer Stelle wird der Aufbau der Bewegung „Andere Ukraine“ geplant:
       Angeführt werden soll diese von Viktor Medwetschuk, einst Anführer einer
       prorussischen Oppositionspartei in der Ukraine, heute ein Putin-Vertrauter
       in Russland.
       
       Medwetschuk ist als Betreiber russischer Desinformation bekannt. Er gilt
       als Finanzier der [9][prorussischen Propagandaplattform „Voice of Europe“].
       Die EU hat die Plattform mittlerweile sanktioniert. Die SDA will
       Medwetschuk nach internen Plänen als „konsequenten Kämpfer für eine
       friedliche Zukunft der Ukraine“ inszenieren. Ziel sei es, Ukrainer*innen
       innerhalb und außerhalb ihres Landes zu finden, die für einen Frieden mit
       Russland eintreten. Skizziert wird auch hier die Einrichtung von
       Social-Media-Kanälen und Webseiten.
       
       Dass die Arbeit der SDA dabei eng mit der russischen Regierung verknüpft
       ist, lässt sich kaum bestreiten. Bei SDA-Chef Gambatschidse sind
       US-Behörden überzeugt, dass dieser „direkt oder indirekt für die russische
       Regierung handelt“, hier gebe es „engste Verknüpfungen“. Auf einer internen
       SDA-Mitarbeiterliste taucht auch Alexei Olegowitsch Goltjajew auf, ein
       langjähriger Mitarbeiter im russischen Außenministerium. Oder Sofia
       Sacharowa, Teil der Kommunikationsabteilung des Kremls. Auf mehrmalige
       Anfragen der taz reagierte weder die Social Design Agency, noch deren Chef
       Ilja Andrejewitsch Gambatschidse.
       
       ## Überraschte Promis und Politiker
       
       Die von der SDA gelisteten deutschen Politiker und Prominenten zeigten sich
       auf taz-Nachfrage überrascht und erklärten alle, sie kennen die Agentur und
       die Liste nicht. Sahra Wagenknecht sagte der taz, sie habe keinen Einfluss
       darauf, „wer aus welchen Motiven unsere Positionen unterstützt oder
       weiterverbreitet“. Auch AfD-Chefin Alice Weidel oder SPD-Chef Lars
       Klingbeil ließen über ihre Sprecher erklären, sie kennen weder die SDA noch
       die Liste.
       
       Publizist Todenhöfer sagte ebenso, er habe von der SDA noch nie gehört.
       „Sie interessiert mich auch nicht wirklich. Meine Beiträge zum
       Ukrainekonflikt sind Beiträge des gesunden Menschenverstandes und der
       Ablehnung aller Kriege.“ Ein Sprecher von Sachsens Ministerpräsident
       Kretschmer erklärte, dieser verurteile „jegliche Art von
       Desinformationskampagnen aufs Schärfste“. Und Linken-Chefin Wissler
       erklärte sich ihr Auftauchen auf der Liste damit, dass sie „immer
       unmissverständlich klargemacht hat, dass ich die russische Aggression gegen
       die Ukraine scharf verurteile“.
       
       Die deutsche Politik hätte erst später erkannt, wie massiv der russische
       Staat Desinformation hierzulande betreibt. [10][Die Regierung habe die
       „Tragweite nicht erkannt“], kritisierte zuletzt der Grünen-Politiker
       Konstantin von Notz in der taz. Auch die Allgemeinheit sei „in der Frage,
       wie aggressiv Russland vorgeht, immer noch sehr naiv“. Inzwischen aber
       justiert die Politik nach: Seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine tagt im
       Bundesinnenministerium dazu eine Arbeitsgruppe, die AG Hybrid. Und die
       Sicherheitsbehörden haben in diesem Bereich ihre Experten aufgestockt.
       
       Dass Russland zuletzt auch die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen
       sowie die in Brandenburg zu manipulieren versuchte, dafür haben die
       Behörden nach taz-Informationen bisher keine konkreten Hinweise. Aber ein
       „Grundrauschen“ sei permanent da, heißt es. Und die Ergebnisse in Thüringen
       und Sachsen dürften Moskau gefallen: Mit der AfD und dem BSW feierten dort
       genau die Parteien Erfolge, die in der Gunst Russlands stehen.
       
       Die SDA ließ indes nach der Europawahl keinen Zweifel, dass sie ihre Arbeit
       fortsetzen wird. Auch nach der Wahl sei es so, dass das Europäische
       Parlament „weder als kriegsgegnerisch noch als prorussisch bezeichnet
       werden kann“, wird intern eingeräumt. Das Parlament werde vorerst weiter
       „den Fluss der Hilfe an die Ukraine nicht stoppen“. Und dennoch geben sich
       die Macher zuversichtlich. Alles in allem stimme die „panische
       Einschätzung“ des Westens, dass Russland auf die Wahlen Einfluss genommen
       habe, überein „mit den Aktivitäten, die im Rahmen unseres Projekts gezeigt
       wurden“.
       
       Neue Themen jedenfalls hatte die Social Design Agency nach den Europawahlen
       auch direkt gefunden. Man brauche Artikel zu Olympia, heißt es in einer
       internen Nachricht. Außerdem soll eine Infografik „zu den Sanktionen und
       deren Schaden für Deutschland“ angefertigt werden. Denn das neue Narrativ
       für Deutschland steht da schon fest: Der Krieg gegen die Ukraine zerstöre
       die Wirtschaft Deutschlands. Deutschland müsse aus der EU und Nato
       austreten, als „Weg zu sich selbst“.
       
       16 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR [5] https://www.verfassungsschutz.bayern.de/mam/anlagen/baylfv_vollanalyse_doppelgaenger.pdf
   DIR [6] /Putins-Propaganda-in-Europa/!6032846
   DIR [7] /Geheime-Abstimmung-in-AfD-Delegation/!6016721
   DIR [8] /Sahra-Wagenknecht/!t5013304
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       Krieg.
       
   DIR RT-nahes Medium „Red“: Hybrider Krieg in Berlin
       
       Das Berliner Medienportal „Red“ wird mutmaßlich aus Russland finanziert.
       Die Spur führt zu einer Briefkastenfirma in der Türkei.
       
   DIR Vorwürfe gegen AfD-Politiker Dornau: Zwiebelmann beutet Häftlinge aus
       
       AfD-Politiker Jörg Dornau hat mutmaßlich in Belarus politische Gefangene
       auf seiner Gemüsefarm schuften lassen. Die AfD-Spitze schweigt zu den
       Vorwürfen.
       
   DIR Kultur als Widerstand in der Ukraine: Wörter wie ausgebrannte Panzer
       
       In Zeiten des Krieges ist Kultur in der Ukraine ein Medium der
       Selbstbehauptung. Ein Besuch beim Czernowitzer Literaturfestival und einem
       Punkkonzert.
       
   DIR Wahlkampf der AfD Brandenburg: Brandenburgische Stichwerkzeuge
       
       Die extrem rechte AfD Brandenburg tritt für ein Parlament an, das sie von
       innen bekämpfen will. An Infoständen verteilte eine Kandidatin sogar
       Waffen.
       
   DIR Linken-Chefin zu Russland-Desinformation: „Wir sind nicht gut gewappnet“
       
       Die russische Social Design Agency betreibt Desinformation in Deutschland.
       Eine Betroffene: Janine Wissler. Die Linken-Chefin fordert mehr Gegenwehr.
       
   DIR Desinformation auf Social Media: Meta sperrt russische Staatsmedien
       
       Der Digitalkonzern verbannt zum Beispiel den Propagandasender RT von seinen
       Plattformen wie Instagram und Facebook. Der Rausschmiss gilt weltweit.
       
   DIR Putins Propaganda in Europa: Die Klone des Kreml
       
       Das russische Propagandaprogramm „Doppelgänger“ imitiert bekannte
       Medienwebsites. Laut Verfassungsschutz setzt es aber auch auf etablierte
       Medien.
       
   DIR Ermittlungsverfahren gegen Telegram-Chef: Härteres Vorgehen
       
       Die Telegram-Devise lautet: keine Moderation, keine Regeln. Nun wird gegen
       den Chef ermittelt. Wird es auch für andere Plattformbetreiber ungemütlich?
       
   DIR Angriff auf Journalistin: Fäuste gegen Fakten
       
       Die Klimajournalistin Melita Vrsaljko arbeitet für die NGO Faktograf, die
       Fake News überprüft. Nun wurde sie in Kroatien attackiert.