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       # taz.de -- Deutsche Botschaft in Teheran: Gefährlicher Bearbeitungsstau
       
       > Der Afghane Faheem Majidi hofft, dass Frau und Kind zu ihm nach
       > Deutschland kommen können. Doch sie bekommen keinen Termin in der
       > Botschaft. Wie so viele.
       
   IMG Bild: Bangt um seine Familie: Faheem Majidi, hier mit einer Unterstützerin bei einer Protestaktion
       
       Hamburg taz | Dass er am liebsten als engagierter Politiker sein Heimatland
       Afghanistan wieder aufbauen möchte, merkt man, wenn man mit Faheem Majidi*
       spricht. Er und seine Ehefrau Sakina* mussten mit ihrem Sohn Ali* nach
       deren Machtübernahme im August 2021 vor den Taliban fliehen. Faheem floh
       nach Deutschland. Die Reise auf dem Landweg war schwierig und dauerte ein
       Jahr. Weil die Reise nicht so beschwerlich ist, flohen seine Ehefrau und
       der gemeinsame Sohn in den Iran. Seitdem warten die beiden dort auf die
       Möglichkeit, nach Deutschland zu kommen.
       
       Faheem ist im August vor einem Jahr hergekommen. Er lebt im Kreis Storman
       in Schleswig-Holstein. Hier sei nun sein Zuhause, beteuert er. Das möchte
       er mit seiner Familie teilen.
       
       Seit Kurzem haben seine Frau und sein Kind für den Iran keine
       Aufenthaltserlaubnis mehr und sind nun akut gefährdet, nach Afghanistan
       abgeschoben zu werden. Eine gefährliche Situation, die Faheem merklich
       mitnimmt. Einen Termin in der deutschen Botschaft in Teheran haben sie
       jedoch bis heute nicht bekommen.
       
       Im Iran ist das Leben der Familie prekär. Afghanische Geflüchtete gelten
       dort als Problem und sind Diskriminierungen ausgesetzt. „Unser Ziel ist,
       sie so schnell wie möglich hierher zu bekommen“, hofft auch Adrian Borowski
       von „Für Dich Stormarn e. V.“.
       
       ## Auswärtiges Amt kennt die „unbefriedigende Situation“
       
       Mit verschiedenen Aktionen habe der Verein schon auf die Situation der
       Familie Majidi aufmerksam gemacht. Seit einigen Tagen gebe es eine
       [1][Petition auf der Internetplattform change.org]. Mehrfach hätten sie
       Politiker*innen unterschiedlicher Parteien kontaktiert. Das Problem
       sei, wie lange der bürokratische Prozess dauert. Der Verein kritisiert vor
       allem das Auswärtige Amt.
       
       Nach der [2][Machtübernahme der Taliban 2021] sollte eigentlich eine zügige
       Ausreisemöglichkeit für [3][gefährdete Personen] garantiert werden. Doch
       noch immer warten nach Informationen der Organisation „Kabul Luftbrücke“
       über 14.000 Afghan*innen auf einen Termin in einer deutschen Botschaft,
       „um ihr Recht auf Familiennachzug zu ihren Ehepartner*innen, Eltern oder
       minderjährigen Kindern in Deutschland wahrzunehmen“, so Kabul Luftbrücke.
       
       Das Visum für den Familiennachzug könne, so das Auswärtige Amt, nach
       Anmeldung über eine Warteliste beantragt werden. So solle der Terminhandel
       verhindert werden und sichergestellt werden, dass „alle Antragstellerinnen
       und Antragsteller eine faire Chance auf eine Terminbuchung bekommen“.
       Derzeit gebe es eine Wartezeit von über einem Jahr, die
       „[4][unbefriedigende Situation] ist dem Auswärtigem Amt und der Botschaft
       Teheran bewusst“. An einer Erhöhung der Bearbeitungskapazitäten werde
       gearbeitet.
       
       In Afghanistan war Faheem Vorsitzender des Kulturausschusses einer
       politischen Partei und arbeitete für das Innenministerium. Deshalb ist er
       heute bedroht und misstrauisch auch gegenüber seinen Landsleuten. Er könne
       sich nicht sicher sein, wer Verbindungen zu den Taliban hat, sagt er. Die
       Abwesenheit seiner Familie wirke sich auch auf sein Ankommen in Deutschland
       aus. Es falle ihm schwer, zur Ruhe zu kommen, um beispielsweise die neue
       Sprache zu lernen. Auch sein Sohn leide unter der Belastung, er habe fünf
       Kilo an Gewicht verloren.
       
       Das derzeit größte Problem in Afghanistan sei die fehlende Trennung von
       Religion und Politik, ist sich Faheem sicher. Die Taliban zerstörten eine
       ganze Kultur, sagt er. Das für die Dichtung bedeutende Farsi werde durch
       andere Sprachen verdrängt. Menschen müssten zwangsweise umziehen, vom Süden
       in den Norden. „Dort sind die Leute, die sich den Taliban entgegenstellen.“
       
       Mädchen und Frauen werden unterdessen [5][immer weiter marginalisiert].
       „Sie sollten zur Schule gehen können wie jeder sonst auch, wie ein Mensch“,
       sagt Faheem energisch. Politisch gehe es ihm darum, Extremismus und
       Unsicherheit zu bekämpfen. Nun ist seine eigene Familie von dieser
       Unsicherheit bedroht.
       
       *Namen geändert
       
       29 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.change.org/p/werde-lebensretter-in-hilf-sakina-und-ali-vor-dem-sicheren-tod?source_location=search
   DIR [2] /Praesident-Ghani-hat-Afghanistan-verlassen/!5793771
   DIR [3] /Menschenrechte-in-Afghanistan/!5950970
   DIR [4] /Flucht-aus-Afghanistan/!5949936
   DIR [5] /Afghanistan-unter-den-Taliban/!5951215
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jonas Frankenreiter
       
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