# taz.de -- Deutschland - Ghana (Gruppe G): Deutscher Kontrollverlust
> Nach der ghanaischen Führung musste das DFB-Team Taktik und
> Konzeptfußball über Bord werfen. Dann besann man sich auf alte Tugenden.
IMG Bild: Auch ohne Kontrolle: Miroslav Klose beim missglückten Jubel-Salto.
FORTALEZA taz | Dieses Spiel hatte eine Geschichte: Es war die eines
Kontrollverlusts. „Wir hatten gar keine Chance, unser Spiel souverän
auszuspielen“, sagte Toni Kroos nach dem 2:2 gegen Ghana. „Wenn es hin und
her geht“, ergänzte Philipp Lahm, „dann kann man taktisch nicht gut
spielen. Das ist nicht das, was wir wollen.“ Unordnung, Chaos, wilde Szenen
und einen Zerfall der taktischen Ordnung versucht Löws Mannschaft zu meiden
wie der Teufel das Weihwasser.
Spektakulär darf's schon sein, wenn man selber der Urheber des Spektakels
ist. Doch es war die Elf Ghanas, die das deutsche Team zur Aufgabe des
üblichen Ansatzes zwang – mit Aggressivität, Zweikampfhärte und großer
Laufbereitschaft. „So offen wollen wir das Spiel eigentlich nicht
bestreiten“, sagte denn auch Lahm. Aber was sollte man machen, wenn man auf
einen Gegner trifft, „der unbedingt gewinnen will“, wie Löw nachher
bemerkte.
Dabei ging es eigentlich wie gehabt los. Die DFB-Elf lief in der aus dem
Portugal-Spiel bewährten Formation auf den Platz im Estadio Castelao zu
Fortaleza. Doch es entwickelte sich nicht das zwingende Offensivspiel des
Auftakts von Salvador. Sie schoben sich die Bälle zu. Steilpässe,
Überraschendes gelang kaum. Vor allem die Mitte stellte Ghana gekonnt zu.
Wenn sich Chancen der Deutschen ergaben, dann meist über die Flanken.
So entwickelte sich zunächst eine ziemlich zähe Partie, bei der man den
Eindruck gewann, die DFB-Elf wolle ihre Kräfte für ein spätes Finale
aufsparen. „Wir haben es in der ersten Halbzeit nicht geschafft, den Ball
anzubringen“, sagte Mats Hummels. Und auch er fand klare Worte für das, was
sich dann nach der torlosen ersten Halbzeit vor 59.000 Zuschauern
ereignete: „Es ist das passiert, was wir vermeiden wollen, was nicht unser
Ziel ist.“ Das taktische Drunter-und-drüber.
## Ein echter Härtetest
Nach dem Führungstreffer der Deutschen durch Mario Götze in der 51. Minute
schien das Konzept der Kontrolle und des Ballbesitzes noch einigermaßen
aufzugehen, aber nach dem Ausgleich durch André Ayew – Hummels hatte zuvor
den Ball verloren – war es vorbei mit dem deutschen Dominanzfußball
Löw'scher Prägung. Ghana ahnte, was in dieser Partie möglich sein kann,
konterte, rannte, und setzte alles auf eine Karte. Erfolgreich. Asamoah
Gyan sorgte in der 63. Minute für die Führung: 1:2. Jetzt war die Frage:
Zerfällt die deutsche Mannschaft oder findet sie eine Antwort? Letzteres
war der Fall, und die Antwort lautete: Wir halten mal dagegen mit den eher
älteren deutschen Tugenden, Konzeptkick hin oder her.
Miroslav Klose kam rein, ein echter Stürmer, der ein echtes Tor erzielte:
Ausgleich zum 2:2-Enstand und mithin Kloses 15. Weltmeisterschaftstor;
damit ist er jetzt WM-Bester, zusammen mit dem Brasilianer Ronaldo. „Schön
für mich, dass ich gleich die richtige Nase gehabt habe“, freute sich
Klose. „Es hat mich gejuckt, ich wollte Erster sein in dieser Statistik.“
So toll war es wohl nicht auf dem Platz, denn: „Zwei Sprints und du suchst
das Sauerstoffzelt.“
Auch Schweinsteiger wurde eingewechselt (für Sami Khedira). Aber im Grunde
war es egal, wer von der Bank in diese Partie kam. Es ging nur darum,
dagegen zu halten – mit allem, was die DFB-Truppe hatte. Den ersten
Härtetest hat sie bestanden, halbwegs. Trotzdem könnte dieses Match wie
eine gute Imprägnierung gegen künftige Unbilden wirken.
Am kommenden Donnerstag geht's gegen die USA und Jürgen Klinsmann. Wieder
so ein Endspiel, fand Lahm. Er hatte schon mal errechnet, dass ein
Unentschieden gegen die Amis reichen würde, um ins WM-Achtelfinale
einzuziehen. Sein Kollege in der Defensive, der in diesem Spiel eher
schwache Per Mertesacker, konnte dem turbulenten 2:2 gegen die Afrikaner
immerhin etwas Gutes abgewinnen: „So ein Ergebnis hält die Spannung in der
Mannschaft hoch.“ Wozu ein Kontrollverlust doch alles gut sein kann.
22 Jun 2014
## AUTOREN
DIR Markus Völker
## TAGS
DIR Deutschland
DIR Ghana
DIR WM 2014
DIR Ghana
DIR Deutschland
DIR Ghana
DIR Schwerpunkt Rassismus
DIR Schwerpunkt Rassismus
DIR USA
DIR WM 2014
DIR WM 2014
DIR Deutschland
DIR Nigeria
DIR Deutschland
DIR WM 2014
DIR Lukas Podolski
DIR Deutsche Fußball-Nationalmannschaft
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Ghana ohne Boateng und Muntari: „Fuck off“
Ghanas Trainer schmeißt Kevin Prince Boateng und Sulley Muntari aus dem
Kader. Die Vorwürfe: Beleidigungen und körperliche Angriffe.
DIR Kolumne Fußball-Wissenschaft: Warum nicht die Besten?
Einfach mal die stärkste Elf aufstellen? Die Spieler auf der Position
spielen lassen, die ihnen am besten liegt? Kommt deutschen Trainern nicht
in den Sinn.
DIR Ghana vor dem letzten Gruppenspiel: Drei Millionen in kleinen Scheinen
Weil die Antrittsprämien fehlten, drohten die Black Stars gegen Portugal
mit Streik. Ghanas Regierung reagierte prompt und charterte ein
Geldflugzeug.
DIR Fifa will „Blackfacing“ untersuchen: Rassismus ins Gesicht geschrieben
Deutsche Fans malten sich vor dem WM-Spiel gegen Ghana schwarz an. Der Fall
löste weltweit Empörung aus. Die Fifa verspricht, Ermittlungen aufzunehmen.
DIR Rassistische WM-Tweets: Hass von der virtuellen Tribüne
Das WM-Spiel Deutschland gegen Ghana war ein rauschendes Fußballfest.
Rassistische Kommentare bei Twitter trüben das Bild.
DIR USA - Portugal (Gruppe G): Kampf in der Waschküche
Gegen verletzungsgebeutelte Portugiesen erkämpfen sich die USA ein
Unentschieden. Klinsmanns Mannschaft reicht jetzt ein Punkt gegen
Deutschland.
DIR Kolumne Fußball-Wissenschaft: Garantieschein abgelaufen
Das Ghana-Spiel offenbart die derzeit größte Schwachstelle im deutschen
Spiel: das defensive Mittelfeld mit Sami Khedira und Philipp Lahm.
DIR Presseschau Deutschland – Ghana: Ein „elektrisierendes Spiel“
Ghanas Nationalteam erhält in den heimischen Medien viel Lob. Die
brasilianischen Medien betrachten das Spiel gegen Deutschland
differenziert.
DIR Kommentar Deutschland – Ghana: Disparater Stoff
Das deutsche Team ist derzeit im Grenzbereich zwischen Genie und Wahnsinn
heimisch. Kreative Kontrolle kann jederzeit ins blanke Chaos führen.
DIR Nigeria – Bosnien-Herzegowina (Gruppe F): Kraft setzt sich durch
Dank des 1:0-Sieges gegen Bosnien-Herzegowina hat Nigeria weiterhin Chancen
aufs Achtelfinale. Die Jungs vom Balkan müssen heimfahren.
DIR Ticker Deutschland - Ghana: Unentschieden im Herzschlagspiel
Nach einer unspektakulären ersten Hälfte drehen beide Teams richtig auf.
Ghana führte schon 2:1, doch dann kam Miro Klose.
DIR Deutschland gegen Ghana: „Die deutsche Offensive ist brutal gut“
Der ghanaische Ex-Kicker Hans Sarpei spricht über Ghanas Stärken und
Schwächen, über Kevin-Prince Boateng und über Jogi Löws Garten.
DIR Lukas Podolski abseits des Platzes: Prinz Scherzkeks
Lukas Podolski gibt in Brasilien den Gute-Laune-Bär. Er scherzt, blödelt
und albert, wo es nur geht. Poldi will Spaß haben – und wieder richtig jung
sein.
DIR Was das DFB-Team braucht: Eine Klatsche würde guttun
Die Deutschen sind fast schon Weltmeister? Wie vor vier Jahren – und dann
kam das Aus. Warum eine Niederlage in der Vorrunde wachhält.