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       # taz.de -- Dickenfeindlichkeit in sozialen Medien: Ich bin fett und arrogant
       
       > Gier, Faulheit, Exzess, Dummheit, Ungepflegtheit – viele negativ
       > konnotierte Attribute werden fetten Menschen zugeschrieben. Doch warum
       > nie Arroganz?
       
   IMG Bild: Wer dick ist, ist ein minderbemitteltes Opfer, so die Annahme
       
       Die hohe Anzahl an „OMG, ich werd nach Corona so fett sein“-Beiträgen auf
       Social Media ist ein Virus für sich. Selbst in Zeiten einer Pandemie
       scheint die größte Angst schlanker Menschen zu sein, fett zu werden. Für
       Menschen mit Essstörungen ist es beschissen, solche Postings zu sehen.
       [1][Für dicke Leute sowieso], klar, offensichtlich ist mein Körper euer
       Albtraum. Ich würde die skinny Karens und Sörens dieser Welt gern fragen,
       was genau sie davon abhält, einfach zu Hause Sport zu machen und die Fresse
       zu halten, anstatt uns ihren belastenden Gedanken auszusetzen. Schließlich
       sagen sie doch selbst immer so gern: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
       Also heult mich bitte nicht voll.
       
       Sobald eine dicke Person über etwas anderes als Gewichtsverlustvorhaben
       spricht, [2][wollen schlanke Leute Scheindebatten über Gesundheit führen].
       Nicht mit mir. Sie können dazu Bücher lesen, zum Beispiel von Magda
       Albrecht, Virgie Tovar oder Friedrich Schorb. Oder schlanke Menschen wollen
       das Gespräch zu sich lenken und erzählen, dass auch sie schlimme Dinge
       erlebt haben. Das bestreite ich nicht, aber heute geht es um mich. Denn ich
       bin fett und arrogant. Ein Widerspruch in sich?
       
       Gier, Faulheit, Exzess, Dummheit, Ungepflegtheit – viele negativ
       konnotierte Attribute werden fetten Menschen zugeschrieben, Arroganz jedoch
       nie. Ganz so, als hätten fette Menschen den Blick von außen so sehr
       verinnerlicht, dass sie sich automatisch als minderwertig betrachten. Rege
       ich mich über schlanke Leute auf, heißt es direkt: „Gerade von DIR hätte
       ich das nicht erwartet …“ Weil du denkst, dass ich mein Dicksein durch
       übermäßige Freundlichkeit, großzügige Empathie und scharfen Intellekt
       kompensieren muss? Oder denkst du, fette Menschen seien die Letzten, die
       sich über Äußerlichkeiten anderer zu Wort melden dürfen, während schlanke
       Leute – auch linke, queere, feministische – oft am laufenden Band
       Dickenfeindlichkeit reproduzieren?
       
       ## Warum kann ich kein Arschloch sein?
       
       Wer dick ist, ist ein minderbemitteltes Opfer, so die Annahme. Doch was,
       wenn dicke Personen in Wirklichkeit auf andere herabschauen? Etwa, weil
       schlanke Leute ihr Leben lang auf Genuss und Glück verzichten, weil sie
       meist vergeblich einem Versprechen von Lebensqualität hinterherjagen, das
       eigentlich nur eine Lüge der neoliberalen, kapitalistischen,
       dickenfeindlichen Gesellschaft ist?
       
       Hübschen schlanken Frauen unterstellt man häufig Arroganz, ohne jemals mit
       ihnen gesprochen zu haben. Warum unterstellt man es mir nicht? Warum könnte
       ich nicht auch ein Arschloch sein?
       
       Bezeichne ich mich selbst als fett, dauert es keine zwei Sekunden, bis
       jemand einwirft, ich sei doch hübsch. Bitch, das weiß ich und ich habe nie
       Gegenteiliges behauptet. Was genau an mir lässt dich glauben, ich sei
       bescheiden oder nicht selbstbewusst? Schlanke Menschen projizieren ihre
       Filme auf mich, als wäre ich eine Leinwand, aber ihr RTL können sie
       woanders spielen gehen.
       
       25 May 2020
       
       ## LINKS
       
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