# taz.de -- Die EM im Zeichen des Regenbogens: Bunte Gründe
> Ordner konfiszieren in Baku eine Regenbogenfahne, Sponsoren dürfen nicht
> in LGBTIQ-Farben werben. Die Uefa wird das Thema Vielfalt nicht los.
IMG Bild: Ordner in Baku kurz bevor sie eine LGBTIQ-Fahne einkassieren
München taz | Die Farben der Uefa sind wieder die alten. Auf ihren
Social-Media-Kanälen präsentiert sich die Europäische Fußballunion nun
wieder in ihren traditionellen Farben Blau und Rot. Zuvor hatte sich der
Verband kurz mal in Regenbogenfarben gekleidet, um zu zeigen, dass er gar
nicht so schlimm ist, wie zu befürchten war, als er der [1][Beleuchtung des
Münchner EM-Stadions zum Spiel der deutschen Mannschaft gegen Ungarn] nicht
zugestimmt hatte.
Jetzt steht die Uefa schon wieder im Verdacht, ihren in Werbekampagnen mit
dem Titel „Respect“ oder „Equal Game“ zur Schau getragenen
Menschenfreundlichkeit zuwider zu handeln. In den Spielorten St. Petersburg
und Baku, wo am Wochenende jeweils ein Viertelfinalspiel stattgefunden hat,
wurde es den Sponsoren untersagt, die Werbebanden, so wie sie es in anderen
Stadien getan haben, regenbogenfarben zu unterlegen. In Baku wurde zudem
ein dänischer Fan vor Ordern im Stadion dazu gezwungen, die
Regenbogenfahne, die er gezeigt hatte, gefälligst abzugeben.
Einmal mehr steht also der Regenbogen über der Kritik an der Uefa. Hatte
die nicht gesagt, Regenbogenfahnen im Publikum zu zeigen, sei kein Problem?
Zu einem Spiel in Ungarn, dessen homophobe Gesetzgebung für die Stadt
München der Anlass war, [2][ein regenbogenfarbenes Stadion präsentieren zu
wollen], hatte der Verband noch festgestellt, dass er nichts gegen die
bunten Fähnchen im Stadion habe. In München hätte sich ein solches sowieso
auch nur schwer durchsetzen lassen, nachdem Tausende deutsche Fans zum
Spiel nach Ungarn mit Regenbogenfähnchen ins Stadion gekommen waren.
Auch die regenbogenfarbene Kapitänsbinde, [3][mit der der deutsche
Spielführer Manuel Neuer aufgelaufen war], hat die Uefa für zulässig
erklärt, nachdem sie zunächst dagegen ermittelt hatte. Am Ende konnte der
DFB mitteilen, dass die Uefa die bunte Binde „als Zeichen der Mannschaft
für Vielfalt“ anerkannt habe, was einen „good cause“ darstelle, einen guten
Grund. Ein politisches Statement, wie es die Regeln der Uefa verbieten,
stellen die Farben demnach nicht dar. Zumindest nicht überall.
## Homophobe Landesgesetze
Denn am Wochenende hatte der Volkswagen-Konzern mitgeteilt, ihm sei
verboten worden, seine Reklamebanden in Russland und Aserbaidschan mit den
Farben der LGBTQI-Bewegung zu hinterlegen. Was für VW, Heineken,
booking.com oder tiktok in anderen EM-Stadien möglich war, sei in den
beiden östlichen Austragungsstädten nicht gestattet. Die jeweilige
Landesgesetzgebung würde das verbieten, erklärte die Uefa. Wenn es die
Gesetze nicht erlauben, dann ist ein Zeichen für Vielfalt ganz schnell kein
„good cause“ mehr.
Wie die Uefa sich zum Fall der einkassierten Regenbogenfahne von Baku
verhält, bleibt spannend. Sie werde den Fall untersuchen, hieß es. „Die
Uefa hat zu keinem Zeitpunkt Ordner angewiesen, Regenbogenflaggen zu
konfiszieren – in Baku nicht und auch nicht in einem anderen Stadion“,
teilte der Verband mit.
Die betroffenen Fans seien stark betrunken gewesen, haben die
Verantwortlichen aus Baku der Uefa berichtet. Sie hätten für Ärger gesorgt,
sogar trotz ihres Zustand im Stadion bleiben dürfen. Der dänische Verband
dementiert, dass die Fans betrunken waren. Eigentlich sei es auch egal, was
die Untersuchungen noch so alles zutage fördern, ist zu hören. Die EM ist
nach dem Viertelfinale aus Baku weggezogen. Alle weiteren Spiele,
Halbfinale und Finale, finden nur noch in London statt.
Wie vergiftet die Diskussion in den Ländern mit LGBTIQ-feindlicher
Gesetzgebung ist, zeigt ein Blick nach Russland. Dort gab es heftige
Diskussionen um Manuel Neuers Armbinde. Der [4][Duma-Abgeordnete Witali
Milonow] von der Kreml-Partei Einiges Russland forderte, die Übertragung
von Deutschlandspielen auszusetzen. Sie würden dem Gesetz gegen
„homosexuelle Propaganda“ widersprechen.
## Andauernde Scharfmacherei
Dieses ist einst auf Initiative Milonows hin formuliert worden. Der
Scharfmacher fühlt sich wohl gut in seiner Rolle als Schwulenhasser. Vor
den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi hatte er gesagt, man solle
Sportler wegsperren, die sich der sogenannten Schwulenpropaganda schuldig
machten. Beim Thema Regenbogen und Fußball ist er ein in vielen Medien gern
zitierter Gesprächspartner.
Scharfmacher in den Redaktionen schüren traditionell die Stimmung gegen
Schwule und Lesben. Gerade hat die russische Biosupermarktkette VkusVill
einen [5][Werbebeitrag auf ihrer Seite] veröffentlicht, in dem sie gesunde
Familienrezepte präsentiert. Eine Familie, die da vorgestellt wird, besteht
nur aus Frauen. Ein Unding für den bewährten Wutkommentator der russischen
Boulevardpostille Komsomolskaja Prawda, Sergej Mardan.
Der bedauerte [6][in seinem jüngsten Beitrag] das Fehlen einer
Zivilgesellschaft in Russland, die die Läden boykottieren und zum Streik
unter den Beschäftigten aufrufen würde. So müsse es eben ein starker Staat
regeln. Dass es keine Regenbogenbanden im russischen EM-Stadion gab, hat er
geregelt. Die Uefa hat sich den Regeln unterworfen.
4 Jul 2021
## LINKS
DIR [1] /Uefa-Entscheidung-zur-Allianz-Arena/!5780259
DIR [2] /Toleranz-im-Sport/!5777618
DIR [3] /EM-Spiel-Deutschland-gegen-England/!5783416
DIR [4] /Nach-der-Absage-der-Eishockey-WM/!5743070
DIR [5] https://vkusvill.ru/articles/retsepty-semeynogo-schastya.html
DIR [6] https://www.kp.ru/daily/28299.5/4438626/
## AUTOREN
DIR Andreas Rüttenauer
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erleuchtet. Ein typischer Uefa-Skandal und ein Image-Desaster.