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       # taz.de -- Die EU nach der Österreich-Wahl: Das rechte Lager jubelt
       
       > Viktor Orbán und Marine Le Pen gratulieren der FPÖ zum „historischen
       > Sieg“. Die Folgen könnten sich bald auch in Brüssel bemerkbar machen.
       
   IMG Bild: Auch Alice Weidel (AfD) gratuliert Herbert Kickl, FPÖ-Chef, zu dem Erfolg seiner Partei
       
       Brüssel taz | Europaweite Proteste und bilaterale Sanktionen: So hatte die
       EU 2000 auf die erste Regierungsbeteiligung der FPÖ in Österreich reagiert.
       Vierundzwanzig Jahre später ist davon keine Rede mehr.
       EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) war es nicht einmal
       eine Erwähnung wert, dass die FPÖ in Wien nach der Macht greift.
       
       Man kommentiere grundsätzlich keine Wahlen, erklärte von der Leyens
       Sprecher Eric Mamer am Montag in Brüssel. Auf Nachfrage einer
       österreichischen Journalistin, ob [1][der FPÖ-Sieg] etwas mit der
       EU-Politik zu tun haben könnte, wich er aus: „Das müssen Sie schon die
       Österreicher fragen.“ Von der Leyen habe alles richtig gemacht.
       
       Die schmallippige Antwort zeigt, wie groß der Frust in der EU-Zentrale ist.
       Zu ihrer Migrationspolitik und ihrem Kurs in der Ukrainepolitik gebe es
       keine Alternative, ist von der Leyen überzeugt. Dabei sind es just diese
       Themen, die den Rechten quer durch Europa immer neue Wahlerfolge bescheren.
       Österreich ist längst keine Ausnahme mehr.
       
       Bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland ist die AfD in Thüringen zur
       stärksten Partei aufgestiegen. Ungarn, Italien und die Niederlande werden
       von Nationalisten und Rechtspopulisten regiert. In Frankreich stützen die
       Nationalisten die umstrittene neue Regierung, in Belgien könnten sie den
       nächsten Premier stellen.
       
       Im rechten Lager herrscht Siegesstimmung. Frankreichs Nationalistenführerin
       Marine Le Pen spricht von einem „Triumph der Völker“. Der ungarische
       Premier Viktor Orbán feiert einen „historischen Sieg“. In Wien hätten
       „Werte wie Arbeit, Familie und Sicherheit“ gewonnen, meint Matteo Salvini,
       Chef der italienischen Lega.
       
       ## Fällt das nächste Tabu?
       
       Gestärkt dürfen sich auch [2][die „Patrioten für Europa“] fühlen – also
       jene rechtsradikale Fraktion, die Le Pen, Orbán und Salvini im EU-Parlament
       führen. Bisher werden sie durch die „Brandmauer gegen rechts“ ausgebremst:
       Die Von-der-Leyen-Koalition schließt sie von allen wichtigen Jobs im neu
       gewählten Parlament aus.
       
       Doch wie lange noch? Bei einer Abstimmung zu Venezuela kam es in Straßburg
       jüngst zum Schulterschluss zwischen Konservativen und Rechtsradikalen. Wenn
       die konservative ÖVP, die der Europäischen Volkspartei EVP von der Leyens
       angehört, mit der FPÖ eine Koalition eingehen sollte, fällt das nächste
       Tabu.
       
       Schuld seien auch die Parteien der Mitte, meint der CDU-EU-Abgeordnete
       Dennis Radtke. Statt auf klare Kante für Europa setzten viele Politiker auf
       einen Schuss Anti-EU, Anti-Migration und „etwas Putin-Verständnis“. Dann
       wundere man sich, „warum das die Extreme stärkt“.
       
       Ähnlich sieht es sein SPD-Kollege Matthias Ecke. „Keine Partei des
       europäischen Rechtsextremismus wurde so normalisiert wie die FPÖ“, schrieb
       er auf X. Durch Regierungsverantwortung sei sie nicht „entzaubert“, sondern
       sogar noch gestärkt worden, erklärte Ecke.
       
       ## Sorgenfalten beim Ministerrat
       
       Den Blick auf die konservative ÖVP richtet Rasmus Andresen, Sprecher der
       deutschen Grünen im Europaparlament. Es liege an den konstruktiven
       politischen Kräften, eine stabile Regierung zu bilden, erklärte er.
       „Rechtsextremen Europafeind*innen darf kein Raum zur Gestaltung
       gegeben werden. Gerade von der ÖVP erwarten wir Klarheit.“
       
       Sorgen bereitet das Wahlergebnis auch dem Ministerrat. Dort wollte man den
       Durchmarsch der FPÖ auch nicht kommentieren. Hinter vorgehaltener Hand
       warnen EU-Diplomaten aber davor, dass die Rechten im Rat eine
       Sperrminorität erringen könnten, mit der sich neue EU-Gesetze blockieren
       ließen.
       
       Dafür braucht es mindestens vier EU-Länder, die „Nein“ sagen. Ungarn,
       Italien und die Niederlande allein reichen dafür nicht aus. Doch wenn
       künftig auch noch Österreich stramm rechts regiert werden sollte, könnte es
       reichen. Die Wahl in Wien ist für Europa wichtiger, als es vielen
       EU-Politikern in Brüssel lieb ist.
       
       1 Oct 2024
       
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