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       # taz.de -- Die Grünen bei der Niedersachsenwahl: Das Glas war schon mal voller
       
       > Die Grünen konnte Umfragehöhen nicht in reale Ergebnisse ummünzen. Ihr
       > Wille, in der Landesregierung mitzureden, ist ungebrochen.
       
   IMG Bild: Christian Meyer und Julia Willie Hamburg, Spitzenkandidaten der Grünen bei der Landtagswahl 2022
       
       Hannover taz | Auf der Wahlparty der Grünen wird um 18 Uhr wild
       entschlossen gejohlt. Laut ersten Prognosen haben sie rund 14 Prozent der
       Stimmen geholt. Das ist kein Spitzenergebnis, aber immerhin deutlich mehr
       als beim letzten Mal. Am frühen Abend sieht es sogar so aus, als würde das
       Ergebnis knapp für eine rot-grüne Koalition reichen. Nicht die richtige
       Zeit zum Wundenlecken also.
       
       Als die ersten Zahlen über den Bildschirm flimmern, konzentriert man sich
       stattdessen auf den politischen Gegner: hämischer Jubel für das schlechte
       Abschneiden der CDU, Buhrufe für das zweistellige Abschneiden der AfD, die
       bis auf wenige Sitze an die Grünen heranrückt.
       
       „Vom besten Ergebnis, das wir in Niedersachsen je hatten“, spricht
       Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg trotzdem und davon, dass die Grünen
       nun alles daransetzen würden, in der Regierung mitzugestalten.
       „Niedersachsen ist ja immer gut für einen Krimi“, sagt ihr Vize Christian
       Meyer, aber dieses Mal sehe es so aus, als könne man die bräsige Groko
       ablösen.
       
       Und trotzdem: Mit ihren rund 14 Prozent haben die Grünen weniger gut
       abgeschnitten als erhofft und erwartet. In Umfragen lagen sie kurz vor der
       Wahl noch bei 16 Prozent, im Sommer sogar bei 20 Prozent und mehr. Dann kam
       auf Bundesebene Robert Habecks missglückter Talkshowauftritt mit dem
       Insolvenz-Fauxpas und [1][die vermurkste Gasumlage].
       
       Der Superstar der Grünen ging in den Sinkflug und die Umfragewerte in
       Niedersachsen gleich mit. Dazu zerrten Debatten um [2][Atom- und
       Kohlekraftwerke] an den Nerven.In Niedersachsen sprach man sich trotzdem
       Mut zu: Die Umfragewerte seien so schlecht gar nicht, die Unzufriedenheit
       mit der Ampelregierung im Bund bei den Anhängern anderer Parteien viel
       größer, der Sinkflug nicht mehr als ein Schluckauf.
       
       Tapfer hielt man an der Strategie fest, für ein rot-grünes Bündnis zu
       werben, ohne eine Zweitstimmenkampagne zu fahren. Auch das war neu und
       Ausdruck eines gewachsenen Selbstbewusstseins. Nur starke Grüne könnten
       „den Turbo in der Energiewende“ garantieren, gehörte zu den
       Lieblingsclaims.
       
       Mit dem Spitzenduo aus [3][Julia Willie Hamburg] und Christian Meyer
       glaubte man sich für alle Bereiche gewappnet: Julia Hamburg als junge Frau
       fürs eher urbane Publikum und mit dem Blick für Familienfragen, der
       Ex-Landwirtschaftsminister als bekennendes Landei für den ländlichen Raum
       und die Umweltbewegung.
       
       ## Zerriebene zwischen den Großen
       
       Am Ende lag es möglicherweise auch weniger an diesen beiden, dass die
       Grünen unter ihren Erwartungen blieben. Sie wurden schlicht zwischen den
       beiden Großparteien zerrieben, die das Rennen erfolgreich auf die
       Ministerpräsidentenfrage zuspitzten. Dazu kommt: Eine massive Krise
       produziert bei vielen nicht unbedingt Aufbruch- und Wechselstimmung.
       
       Die Grünen konnten dagegen nur darauf setzen, als Koalitionspartner eben
       trotzdem gefragt zu sein. Vor der Wahl hatten sie sich alles offengelassen:
       Zwar liegen zwischen der niedersächsischen CDU und den niedersächsischen
       Grünen inhaltlich Welten und persönlich eine Menge alter Verletzungen.
       
       Das liegt daran, dass die Landes-CDU hier sehr konservativ ist, vor einigen
       Jahren die grüne „Verräterin“ Elke Twesten in ihrer Fraktion aufnahm und
       damit das erste rot-grüne Kabinett unter Weil zu Fall brachte. Seitdem
       schenkte man sich im Landtag von Seiten beider Fraktionen nichts.
       
       Kategorisch ausgeschlossen hatten die Grünen eine schwarz-grüne Koalition
       trotzdem nicht. Man wäre ja schön blöd gewesen, damit die eigene
       Verhandlungsposition zu schwächen. Und anderswo – in Schleswig-Holstein und
       NRW – scheint es ja auch zu funktionieren. Nach dem Wahltag hat sich die
       Option nun aber wohl schon rein rechnerisch erledigt.
       
       Noch viel mehr hofften Hamburg und Meyer natürlich schon vorab auf eine
       Wiederbelebung der rot-grünen Koalition. In diese Richtung schielte am
       Sonntagabend auch die Bundespartei: Im ZDF sprach schon kurz nach 18 Uhr
       Parteichef Omid Nouripour von einem „Auftrag, dass wir regieren“.
       
       9 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Nadine Conti
       
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