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       # taz.de -- Die Textur beim Essen: Ein wahrhaft knackiger Begriff
       
       > Knackig, cremig, kristallin: Beim Kochen kommt es nicht nur auf den
       > Geschmack an, sondern auch, wie es sich im Mund anfühlt. Und dafür gibt
       > es ein Wort.
       
   IMG Bild: Lecker: Pizza kombiniert den krachenden Rand mit dem käseweichen Rest
       
       Es gibt so Supatopcheckerwörter, mit denen man automatisch so klingt, als
       hätte man Ahnung von einem Thema. „Momentum“ (beim Sport) ist so eins oder
       „Narrativ“ (in der Politik). Wenn es ums Essen geht, dann habe ich dieses
       für Sie: Textur. Anwendungsbeispiele: „Das Zusammenspiel der Texturen ist
       aufregend“ oder „Die Mousse hat aber eine besonders zarte Textur!“.
       
       Geprägt oder vielleicht sogar erfunden hat den Begriff der
       FAZ-Gastrokritiker Jürgen Dollase in den Nullerjahren, also [1][zur großen
       Zeit der Molekularküche], die Zutat und Konsistenz auf revolutionäre Weise
       voneinander entkoppelte. Dollases verschraubte Sprache ist legendär und war
       Anlass für [2][mehrere Texte auf der taz-Wahrheitseite], irgendwo im
       Internet hat [3][jemand dokumentiert], wie oft in seinen Kritiken „Textur“
       und „Akkord“ vorkommt.
       
       Das Dumme beziehungsweise Gute dabei: Das Prinzip der Textur ist so
       einleuchtend, dass man das Wort wirklich andauernd verwenden kann. Es geht
       dabei um die Struktur der Lebensmittel und wie sie sich beim Kauen (oder
       Nichtkauen) anfühlen, man könnte auch von „Mundhaptik“ sprechen. Knackig,
       kross, cremig, luftig, kristallin, geliert, schleimig, zäh, blättrig, heiß,
       kalt – all das umfasst „Textur“.
       
       Denn es kommt eben nicht nur darauf an, wie etwas schmeckt, sondern auch,
       wie es sich anfühlt – was jeder weiß, der schon mal verkochte Nudeln essen
       musste. Dabei macht es die Mischung: Eine pürierte Suppe wird besser, wenn
       man etwas Bissfestes reinwirft, ob Kürbiskerne oder Speckwürfel. Pizza
       kombiniert den krachenden Rand mit dem käseweichen Rest. Oder denken Sie an
       Crème brulée! Texturen spielen auch eine große Rolle beim Simulieren
       anderer Lebensmittel. Ein veganer Lachs kann noch so fischig schmecken,
       erst wenn er faserig und fettig ist, funktioniert die Illusion.
       
       Das alles ist nun keine neue Erkenntnis, die meisten Leute kochen so, ohne
       groß darüber nachzudenken. Zumindest bei mir aber hat sich allein durch das
       Kennenlernen des Konzepts „Textur“ der Blick aufs Essen geweitet. Textur
       ist keine Nebensache. Und um ein langweiliges Gericht besser zu machen,
       muss es nicht unbedingt Nachwürzen sein – manchmal wäre Nachcrunchen der
       sinnvollere Weg.
       
       Passend zum Thema ist gerade das Kochbuch „Textur über Geschmack“
       erschienen. Der Autor Joshua Weissman – Profikoch und [4][ziemlich
       erfolgreich auf YouTube] – identifiziert sechs Grundtexturen, die er
       theoretisch und in Rezeptform vermittelt: knusprig, bissfest, cremig,
       luftig, flüssig und fettig. Leider ist das Buch schwurbelig geschrieben und
       nicht besonders gut übersetzt. Zu loben ist es dennoch, verleiht es dem
       Narrativ von der Bedeutung der Textur doch zusätzliches Momentum.
       
       27 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR [3] https://wimbauer.wordpress.com/tag/dollase-textur-zahler/
   DIR [4] https://www.youtube.com/c/joshuaweissman
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Brake
       
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