# taz.de -- Die Wahrheit: Smalltalk mit Beton
> Es gibt zwei zuverlässige Methoden, um auf Festen
> Kommunikationshemmmungen zu überwinden. Tagebuch einer erfahrenen
> Partybesucherin.
IMG Bild: „Es ist immer so anstrengend, dieses Netzwerken“
Im Laufe eines ausgefüllten Lebens als Partygast haben sich bei
anfänglichen Kommunikationshemmungen zwei Methoden zum Lockermachen als
wirkungsvoll erwiesen: sofortige und reichhaltige Zufuhr alkoholischer
Getränke oder das Studium der Kunstwerke im Gastgeberhaushalt.
Methode eins führt zwar schnell zu angeregter Plauderei, aber auch zu
frühzeitiger Bewusstseinstrübung, gefolgt von unbarmherzig dokumentierten
und großzügig digital geteilten Verhaltensauffälligkeiten.
Methode zwei dagegen ist nahezu bombensicher. Sobald man sich Interesse
heuchelnd an Exponaten der Kategorie „Frühwerk eines mit der Familie
befreundeten Malers“ vorbeischiebt, kommt es zügig zu erster Gastberührung.
Der bewährte Einstieg „Kennen Sie den Künstler?“ signalisiert
Kulturaffinität unter geschickter Auslassung einer Beurteilung des Werkes,
was, sollte sich der Gesprächspartner zufällig als Urheber entpuppen, Raum
für Begeisterung offen lässt. Lautet die Antwort hingegen „Nein, aber es
handelt sich um das Frühwerk eines mit der Familie befreundeten Malers“,
kann man erleichtert zum Austausch persönlicher Eckdaten übergehen.
Als endgültig idiotensicherer Eisbrecher funktioniert die Frage: „Seit wann
bist du denn in Berlin?“ Die Antwort kann den weiteren Verlauf des Abends
in unerwartete Bahnen lenken. Das läuft dann so: „Seit 30 Jahren. Bin, so
schnell ich konnte, zu Hause abgehauen.“ – „Von wo?“ – „Westerwald. Und
du?“ – „Ich auch.“ – „Echt, Westerwald?“ – „Nee, abgehauen. Rheinische
Provinz. Nette Landschaft, aber der Rest war öde.“ – „Bei uns gab‘s nicht
mal Landschaft. Nur Tannen. Der Westerwald ist öde und sieht scheiße aus.“
„Ich find Landschaft ja eigentlich okay. Also solange sie in der Stadt
ist.“ – „Nee, Natur ist überall überbewertet, meinetwegen müsste es gar
keine geben. Neulich musste ich zu ’ner Beerdigung aufs Land. War kaum
auszuhalten.“ – „Aber so nett unterm Baum liegen …“ – „Nee, mich kannste
gern auch unter ’ner Ampel begraben. Oder auf ’ner Verkehrsinsel. Baum
brauch ich nicht.“ – „Dann reservier dir doch den Moritzplatz, der ist
mittendrin. Obwohl, da sind gleich die Prinzessinnengärten. Und
Guerillagärtner. Ernst-Reuter-Platz! Kaum Rasen und’n Haufen Beton.“
„Und diese ganze Esoterikkacke mit Asche im Meer verstreuen kann mir auch
gestohlen bleiben.“ – „Genau!“ – „Ich hasse Wasser! Und auf Booten wird mir
schlecht.“ – „Aber wärst du dann nicht eh tot?“ – „Ist doch egal.“ – „Wir
haben mal versucht, unseren Hund im Atlantik zu verstreuen. War wie im ‚Big
Lebowski‚. Wir hatten vergessen, die Windrichtung zu prüfen. Mein Mann war
John Goodman und ich Jeff Bridges. Aber ohne Sonnenbrille.“ – „Iiiiih …“
Gelächter, lautes Gläserklingen, ja, so werden Trends geboren! Wenn
Beerdigungsinstitute bald Verkehrsinseln als Ruhestätte anbieten, danken
sie bitte uns und unserem natürlichen Verbündeten fürs Jenseits, der
Zementindustrie. Die weiß nämlich: „Beton – es kommt drauf an, was man
draus macht!“
3 Mar 2016
## AUTOREN
DIR Pia Frankenberg
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