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       # taz.de -- Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt: Arme kriegen keine Wohnung
       
       > Studie: Hartz-IV-Empfänger und Migranten haben bei der Suche nach
       > Wohnungen das Nachsehen
       
   IMG Bild: Vor der Unterschrift unter einen Mietvertrag lauern viele Schikanen
       
       Hartz-IV-Empfänger und Migranten werden bei der Vergabe von landeseigenen
       Wohnungen massiv diskriminiert. Das ergab eine Untersuchung bei drei der
       sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften, die die Soziologin Christine
       Barwick vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) kürzlich veröffentlicht hat.
       Die Vorurteile der Mitarbeiter seien dabei einer der Gründe für die
       Benachteiligung: Sie teilten Wohnungssuchende in Kategorien ein, so
       Barwick. Hartz-IV-Empfänger hätten kein Recht auf Wohnungen in
       Innenstadtlage, habe zum Beispiel eine der befragten Mitarbeiterinnen
       gesagt.
       
       Sechs städtische Wohnungsbaugesellschaften gibt es noch in Berlin: Degewo,
       Gesobau, Gewobag, Hogowe, Stadt und Land sowie WBM. Barwick hatte alle
       angefragt, nur drei jedoch stimmten einer Teilnahme an der Studie zu.
       Insgesamt befragte Barwick sieben Mitarbeiter, die für die Vergabe von
       Wohnungen in Innenstadtlage und in Außenbezirken zuständig waren. Außerdem
       begleitete sie zwei der Befragten während eines Tages und beobachtete ihre
       Arbeitsabläufe.
       
       Drei Gründe gibt es laut Barwick für die Diskriminierung von
       Hartz-IV-Empfängern und Migranten: die stadtpolitischen Rahmenbedingungen,
       Regeln der Wohnungsbaugesellschaften und Einstellungen der Mitarbeiter.
       Barwick nennt die Mitarbeiter, die darüber entscheiden, wer eine Wohnung
       bekommt, "Gatekeeper". Diese berücksichtigten in begehrten Lagen wie
       Kreuzberg oder der Altstadt Spandau vor allem die Interessen deutscher
       Mieter und blockierten den Zuzug von Familien mit Migrationshintergrund. In
       beliebte Wohnanlagen "würde ich zum Beispiel ne Dame mit Kopftuch ungern
       reinsetzen", sagte etwa ein für Wedding zuständiger Mitarbeiter.
       
       Auch die Beobachtungen hätten gezeigt, dass deutsche Mieter oft denen mit
       türkischen, arabischen oder afrikanischen Wurzeln vorgezogen wurden. Für
       Migranten blieben vor allem Wohnlagen, wo bereits viele Migranten leben.
       Laut Barwick sortierten die Mitarbeiter ihre Kunden binnen weniger Minuten
       in Kategorien ein. Diejenigen mit dem Stempel "arbeitslos" hätten in
       einigen Fällen keine oder weniger Beratung bekommen als Erwerbstätige.
       
       "Doch selbst wenn die Mitarbeiter alle Mietinteressenten gleich behandeln
       würden, würden Arbeitslose und Migranten diskriminiert", sagt Barwick. So
       liege nach Angaben der vermittelnden Mitarbeiter das Preisniveau für
       Wohnungen in Innenstadtlage in aller Regel über der Miete, die die
       Jobcenter übernehmen. Wenn die Wohnungsbaugesellschaft günstiger vermiete,
       dann zahlt sie dies aus eigener Kasse: An die Stadt müsse nämlich in jedem
       Fall die vereinbarte Miete gezahlt werden. Außerdem müssen
       Mietinteressenten in bestimmten Ortsteilen und Siedlungen - etwa in
       Kreuzberg - keinen Wohnberechtigungsschein mehr vorlegen und können auch
       alleine eine Dreizimmerwohnung beziehen.
       
       Besonders problematisch ist laut Barwick das in den
       Wohnungsbaugesellschaften geltende Wer-zuerst-kommt-Prinzip: Wer als erster
       alle Unterlagen wie Schufa-Auskunft und Einkommensnachweise vorlegen kann,
       bekomme die Wohnung. Hartz-IV-Empfänger seien extrem benachteiligt: Sie
       brauchen eine Bestätigung des Jobcenters, dass dieses die Miete übernimmt.
       Das kann Tage oder Wochen dauern. "Solange warten wir natürlich nicht auf
       den", sagte ein für Kreuzberg zuständiger Mitarbeiter in Barwicks
       Befragung, "weil dann gibts ja auch noch andere."
       
       8 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manuela Heim
       
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