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       # taz.de -- Diskussion um Absage der Prüfungen: Abi hin, Abi her
       
       > Die rot-rot-grüne Koalition diskutiert über die Absage der Prüfungen. Die
       > Linke will sie ausfallen lassen, die SPD nicht, die Grünen sind
       > irritiert.
       
   IMG Bild: Von Ruhezone kann derzeit keine Rede sein...
       
       Berlin taz | Die Monate vor dem schriftlichen Abitur – das weiß jeder, der
       sie durchleben musste – gehören nicht zu den entspanntesten. Zu groß ist
       der Druck, auf diese vermeintlich wichtigste Prüfung im (noch jungen) Leben
       umfassend vorbereitet zu sein. Die AbiturientInnen dieses Frühjahres sind
       angesichts des ganzen [1][Coronaaufruhrs] noch weniger zu beneiden. Kein
       Wunder, dass viele die Absage der in Berlin [2][ab kommenden Montag
       startenden Prüfungen fordern] und stattdessen eine Bewertung aufgrund der
       Noten der vergangenen beiden Jahre vorziehen würden.
       
       Sie erhalten nun Unterstützung aus der Regierungskoalition. Die Prüfungen
       sollten dieses Jahr ausgesetzt werden, erklärte die bildungspolitische
       Sprecherin der Linksfraktion, Regina Kittler, am Mittwochmorgen. Sie
       forderte die Kultusministerkonferenz auf, einen entsprechenden Beschluss zu
       fassen. Die Kultusminister der Länder wollen am heutigen Mittwochabend in
       einer Schaltkonferenz über das weitere Vorgehen an den Schulen in der
       Coronakrise beraten.
       
       Kittler provoziert mit ihrer Position Streit in der Koalition: Denn
       Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hatte sich mit Nachdruck dafür
       eingesetzt, die Prüfungen stattfinden zu lassen. Am Dienstagabend erhielt
       sie Unterstützung von Regierungschef Michael Müller, der sich auch für die
       Durchführung der Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss (MSA) aussprach.
       „Das muss man jetzt auch wirklich umsetzen“, sagte der SPD-Politiker in der
       RBB-Abendschau. „Die, die sich in einem Übergang befinden von der Grund- in
       die Oberschule, die den MSA schreiben wollen, die das Abitur schreiben
       wollen, die müssen die Chance dazu haben.“
       
       Kittler hingegen betonte in einer Mitteilung, dass gerechte Prüfungen in
       der derzeitige Situation eine Illusion seien. „Die Krise verwischt soziale
       Unterschiede nicht, sie lässt sie noch viel stärker zutage treten.“ Nicht
       alle der rund 30.000 AbiturientInnen verfügten über häusliche Rückzugsorte
       oder die technischen Bedingungen und Hilfsmittel wie Wlan und Computer zum
       Lernen, Lesen und Entspannen.
       
       Vielmehr müssten die SchülerInnen, die seit Mitte März keinen Unterricht
       mehr haben, zu Hause unter zum Teil belastenden Lebenssituationen lernen.
       „Die Wohnzimmer der Elternhäuser sind keine idealen Lernorte“, so Kittler.
       
       Der Berliner Landesschülerausschuss hatte zuvor einen Brief an die im
       Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien – bis auf die AfD – verschickt. Darin
       bitten die SchülervertreterInnen die Politiker um Hilfe. „Es melden sich
       täglich weinende, wütende und enttäuschte Schüler*Innen bei uns, die
       erhebliche Nachteile bei ihrem Abschluss befürchten“, heißt es in dem
       Schreiben. „Wir empfangen Anrufe von Schüler*Innen in Risikogruppen, welche
       zum Beispiel Krebs, Asthma oder andere Vorerkrankungen hatten und nun Angst
       um ihr Leben haben.“ Die Schüler seien stark belastet durch den Druck der
       Ausgangsbeschränkungen. „Prüfungen werden dieses Jahr niemals die gleichen
       wie zuvor oder danach für uns sein.“
       
       Kittlers Kritik wird auch von der Berliner Gewerkschaft Erziehung und
       Wissenschaft (GEW) sowie vom Landeselternausschuss (LEA) geteilt. Sollte
       die Kultusministerkonferenz dennoch an den Abiturprüfungen festhalten,
       müsse es laut LEA bundeseinheitliche Regelungen sowie „eine
       Gefährdungsbeurteilung und Machbarkeitsanalyse aus Sicht des
       Infektionsschutzes geben“ und besondere Vorkehrungen für SchülerInnen aus
       der Risikogruppe beziehungsweise mit Familienangehörigen, die zu diesen
       gehören.
       
       ## Grüne: Vorstoß ist „wenig hilfreich“
       
       Bei den Grünen sorgt Kittlers nicht mit dem Koalitionspartner abgestimmtes
       Vorpreschen hingegen für Irritationen. „Das ist wenig hilfreich“, sagte
       Marianne Burkert-Eulitz, Sprecherin der Grünenfraktion für Bildung und
       Familie, der taz. Eine eventuelle Absage der Abiturprüfungen in Berlin
       werfe viele Fragen auf: Würden auf dem Notdurchschnitt basierende
       Abschlüsse von anderen Ländern anerkannt? Müsste für die Absage das
       Schulgesetz geändert werden?
       
       Burkert-Eulitz erinnerte zudem daran, dass der Alleingang von
       Schleswig-Holstein, die Abiturprüfungen abzusagen, nur von kurzer Dauer
       war. Es gehe jetzt darum, dass die Kultusministerkonferenz eine
       Entscheidung treffe, die für alle gelte.
       
       15 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
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   DIR Bert Schulz
       
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