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       # taz.de -- Diskussion um Sankt-Martins-Fest: Rabimmel, rabammel, rabumm
       
       > Ein Politiker der Linkspartei wollte den Laternenumzug am
       > Sankt-Martins-Tag in Sonne-Mond-und-Sterne-Fest umbenennen. Und erntet
       > jede Menge Spott.
       
   IMG Bild: „Ich geh´mit meiner Laterne..." reimt sich einfach besser auf Sonne, Mond und Sterne als auf Sankt Martin
       
       KÖLN taz | Rüdiger Sagel will es nicht so gemeint haben. „Einige meiner
       Aussagen sind offensichtlich oder absichtlich missinterpretiert worden“,
       beteuert der Landesvorsitzende der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen.
       „Dass Sankt-Martins-Umzüge nicht mehr stattfinden sollen oder der
       katholische Heilige gar abgeschafft werden soll, ist nicht meine Meinung“,
       übt er sich in Schadensbegrenzung.
       
       Seit ihrem Ausscheiden aus dem Landtag im vergangenen Jahr war es still
       geworden um die NRW-Linkspartei. So sehr sich der im Juni 2012 gewählte
       Landeschef Sagel auch mühte: politische Äußerungen von ihm fanden nur
       höchst selten ihren Weg in die Öffentlichkeit. Seit dieser Woche hat sich
       das geändert – wenn auch anders, als es sich der 58-jährige Ex-Grüne
       erträumt haben mag. Ein solches Rabimmel-Rabammel-Rabumm dürfte Sagel in
       der Tat noch nie erlebt haben.
       
       Wenn man statt Sankt Martin ein „Sonne-Mond-und-Sterne-Fest“ feiern würde,
       fühlten sich mehr Kinder angesprochen und mitgenommen, hatte Sagel am
       Montag verkündet. „Dazu braucht man keinen Sankt Martin, der dem Lichterzug
       auf dem Pferd voranreitet“, ließ er sich in einer Pressemitteilung
       zitieren. Mit seinem Vorstoß hat es der Ex-Landtagsabgeordnete nicht nur
       bis auf die Titelseite der Bild und ins Fernsehen geschafft. Auch
       innerparteilich löste er einen Sturm der Entrüstung aus.
       
       Flügelübergreifend erregen sich LinksparteifunktionärInnen heftig über
       ihren Parteifreund. Von einer absurden und sektiererischen Einzelmeinung
       ist die Rede. „Ich finde eine zwanghafte politische Correctness traurig und
       würde mir stattdessen mehr Engagement für die Rechte von Beschäftigten im
       kirchlichen Bereich wünschen“, sagt die Bochumer Bundestagsabgeordnete
       Sevim Dagdelen.
       
       Gerade für Kinder sei eine soziale Leitfigur wie Sankt Martin wichtig.
       „Sankt Martin ist ein interkulturell angenommenes Fest, das alle Kinder
       anspricht“, betont Bundestagsfraktionsvize Sahra Wagenknecht. „Nicht mal
       die SED hätte das verboten“, empört sich der Thüringer
       Landtagsfraktionschef Bodo Ramelow. Sagel sei „auf dem Holzweg“.
       
       ## Überzogene Forderung
       
       Der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Laizismus in der Linkspartei,
       Ralf Michalowsky, übt sich in Ironie: Nach der Umbenennung von Sankt Martin
       könne man ja dann Christi Himmelfahrt „Tag der bemannten Raumfahrt“ nennen,
       witzelt er. Sagels Forderung sei „überzogen“. Schließlich müsse die
       Trennung von Kirche und Staat „auch in den Köpfen ankommen“.
       
       Der Schaden, den Sagel mit seinen Äußerungen angerichtet habe, sei so groß,
       dass er nicht länger als Vorsitzender des größten Landesverbandes der
       Linkspartei im Westen tragbar sei, heißt es inzwischen aus führenden
       Parteikreisen. Selbst der Bundesvorstand in Berlin sah sich zu einer
       Distanzierung veranlasst. „Trennung von Glaube und Staat heißt für Linke
       nicht, Kitas vorzuschreiben, welche Feste sie wie feiern“, sagte
       Parteisprecher Alexander Fischer.
       
       Dabei war Sagel nicht einmal selbst auf die Idee gekommen, den
       traditionellen Laternenumzug umzugestalten und umzubenennen. Sie stammt von
       einer Kita im hessischen Bad Homburg. Laut Auskunft der Stadt habe sich die
       Bezeichnung „Sonne-Mond-und-Sterne-Fest“ in der Kindertagesstätte
       eingebürgert, nachdem bei einem der vergangenen Martinsfeste eine Suppe mit
       Einlagen in Form von Sonnen, Monden und Sternen ausgeteilt worden sei. Der
       Name sei aber „keineswegs offiziell“.
       
       Die NRW-Grünen reagierten auf ihre Weise auf Sagels Vorschlag: Sie stellten
       ein Video online, in dem der Landesvorstand mit Laternen in der Hand das
       Sankt-Martins-Lied singt.
       
       7 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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