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       # taz.de -- Drei SPDler wollen in den Bundestag: Chaostage bei der Berliner SPD
       
       > Michael Müller, Sawsan Chebli, Kevin Kühnert: Die drei prominenten SPDler
       > wollen in den Bundestag einziehen. Ein Wochenkommentar.
       
   IMG Bild: Sawsan Chebli will in den Bundestag – so wie Michael Müller und auch Kevin Kühnert
       
       Ein Jusochef verdrängt den Regierungschef: So was kann es auch nur in der
       Berliner SPD geben. Schon in der Vorwoche hatte Kevin Kühnert, der letzte
       Trumpf der Sozialdemokraten auf Bundesebene, bekannt gegeben, für den
       Bundestag zu kandidieren – ausgerechnet im Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg,
       in dem der Regierende Bürgermeister beheimatet ist. Am Montag zog Müller
       nach und weg. Wohin? Nach Charlottenburg-Wilmersdorf. Dort hofft er auf
       Asyl und ein Plätzchen zum Direktkandidieren. Ob er zusätzlich auf einen
       sicheren Listenplatz seiner Partei hoffen darf, steht noch in den Sternen.
       
       Es geht wieder mal drunter und drüber bei der Berliner SPD. Gut möglich,
       dass Müller mit der Bekanntgabe seiner Entscheidung, in den Bundestag zu
       wollen, gern noch eine Weile gewartet hätte. Wer will schon gern als Lame
       Duck dastehen, mehr als ein Jahr vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus? Nun hat
       ihn Kevin Kühnert zu eben jener gemacht.
       
       Das zeigt sich sogleich daran, dass am Donnerstagabend Müllers
       Staatssekretärin Sawsan Chebli ebenfalls ihre Bewerbung um die
       Direktkandidatur in Charlottenburg-Wilmersdorf erklärte. Eine
       Kampfkandidatur gegen den Regierungschef um eine Wahlkreiskandidatur.
       Sollte sich Chebli Ende des Jahres tatsächlich durchsetzen, wäre die lahme
       Ente tot.
       
       Aber das ist beileibe noch nicht alles aus dem Komödienstadl namens SPD. Am
       Donnerstag tourte sich Familienministerin Franziska Giffey warm – der
       letzte Trumpf der SPD auf Landesebene. Sie wird wohl im Dezember zur
       Spitzenkandidatin für die Wahl zum Abgeordnetenhaus gewählt und besuchte am
       Donnerstag eine Polizeischule. Die Botschaft: Die SPD lässt die Polizei
       nicht im Stich. Zuvor hatte Innensenator Andreas Geisel, auch SPD,
       wiederholt deutlich gemacht, gegen rechtsradikale Tendenzen in der Berliner
       Polizei vorgehen zu wollen. Offenbar will die 15-Prozent-Partei noch jeden
       politischen Spagat mit dem Hinweis entschuldigen, sie sei eine Volkspartei.
       
       ## Wäre Berlin nicht die Hauptstadt
       
       Ach ja, Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci wird nicht mehr fürs
       Abgeordnetenhaus kandidieren. Dass sie noch mal Senatorin geworden wäre,
       war ohnehin unwahrscheinlich; das gilt auch für Bildungssenatorin Sandra
       Scheeres.
       
       Wäre Berlin nicht die Hauptstadt von Deutschland, sondern irgendein
       Transformationsland im Osten Europas (oder vielleicht auch Frankreich),
       wäre Innensenator Geisel gut beraten, zu überlegen, ob er nicht eine eigene
       Partei oder Sammlungsbewegung gründet. 15 Prozent würde das einzige
       politische Schwergewicht, das die Berliner SPD noch hat, ganz bestimmt auch
       ohne das Label mit den drei Buchstaben holen.
       
       Die Linke kann sich derweil die Hände reiben. Selbst wenn die Nachfolge für
       Bausenatorin Katrin Lompscher eine B-Lösung sein sollte, wird das bei dem
       lustvollen Getöse, mit dem die SPD in den Abgrund stürzt, kaum auffallen.
       
       Und die Grünen müssen nur zusehen, dass sie ihre Spitzenfrauenfrage
       möglichst lange hinausziehen. Egal, welche es dann wird: Sie wird gute
       Chancen auf den Posten einer Regierenden Bürgermeisterin haben.
       
       15 Aug 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uwe Rada
       
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